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Fast 35.000 Gebäude in Sachsen sind von Hochwasser bedroht

Im Vergleich der Bundesländer ist das Hochwasserrisiko in Sachsen am größten. Die deutschen Versicherer fordern einen besseren Schutz vor Klimafolgen - und sehen dabei auch private Bauherren in der Pflicht.

Von Andreas Rentsch
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Elbe-Hochwasser zum Jahreswechsel in Meißen: Allein im gleichnamigen Landkreis gibt es laut Versichererverband GDV rund 3.800 gefährdete Gebäude.
Elbe-Hochwasser zum Jahreswechsel in Meißen: Allein im gleichnamigen Landkreis gibt es laut Versichererverband GDV rund 3.800 gefährdete Gebäude. © Claudia Hübschmann

Von rund 975.000 Adressen in Sachsen sind knapp 35.000 von Hochwasser bedroht. Das geht aus einer am Dienstag vorgestellten Datenanalyse des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) hervor. Demnach stehen 28.000 Gebäude in Überschwemmungsgebieten, die übrigen rund 7.000 auf sogenannten Hochwassergefahrenflächen.

Wie aktuell sind die Daten, und woher stammen sie?

Ein Tochterunternehmen des Verbands hat amtliche, öffentlich zugängliche Daten ausgewertet, die zum Beispiel von den Landesumweltämtern bereitgestellt wurden. Alle Zahlen für Sachsen stammen aus dem laufenden Jahr und umfassen Wohnhäuser, gewerbliche Bauten sowie landwirtschaftliche und öffentliche Gebäude.

Welche Regionen wurden detailliert ausgewertet?

Dresden und die vier Landkreise Meißen, Sächsische Schweiz-Osterzgebirge, Mittelsachsen und Zwickau. In diesen Regionen stehen laut GDV die meisten bedrohten Gebäude in Überschwemmungsgebieten. Sie befinden sich vor allem entlang von Flussläufen, etwa der Elbe, der Triebisch, der Freiberger und Zwickauer Mulde sowie Weißeritz und Große Röder.

Angeführt wird die Liste vom Kreis Meißen mit 3.800 Adressen in Überschwemmungsgebieten, dort entspricht das einem Anteil von 5,5 Prozent. Dahinter folgen die Landeshauptstadt mit über 3.400 Adressen (5,0 Prozent) und die Kreise Sächsische Schweiz-Osterzgebirge (rund 3.400, 4,9 Prozent), Mittelsachsen (rund 4.000, 4,4 Prozent) und Zwickau (3.650, 4,3 Prozent). Chemnitz, Leipzig und die anderen Landkreise wurden nicht analysiert.

Was ist ein Überschwemmungsgebiet, was eine Hochwassergefahrenfläche?

Der Unterschied liege im juristischen Umgang mit diesen Arealen, sagt GDV-Sprecherin Kathrin Jarosch. „In Überschwemmungsgebieten macht der Gesetzgeber konkrete Vorgaben für die Bebauung beziehungsweise Nichtbebauung. Für Hochwassergefahrenflächen gibt er nur Hinweise.“ Gebaut wird hier wie dort trotzdem. Laut Verband entstehen pro Jahr bundesweit etwa 1.500 bis 2.000 neue Gebäude in den gefährdeten Zonen. Dafür gibt es eine einfache Erklärung: Zwar ist gemäß Paragraf 78 des Wasserhaushaltsgesetzes „die Ausweisung neuer Baugebiete in Bauleitplänen oder in sonstigen Satzungen (...) untersagt“. Das Gesetz lässt aber zahlreiche Ausnahmen zu.

Was fordern die Versicherer vom Gesetzgeber?

Kurz gesagt: Prävention. „Wir planen, bauen und sanieren unseren Gebäudebestand auf Basis von Normen, denen der Schutz vor Klimafolgen weitgehend fremd ist“, sagt die stellvertretende GDV-Hauptgeschäftsführerin Anja Käfer-Rohrbach. Das müsse sich schnell ändern. Der Verband fordert deshalb von den Gesetzgebern auf Bundes- und Länderebene beispielsweise ein konsequentes Bebauungsverbot für Überschwemmungsgebiete. Zudem brauche der Staat einen Hebel, um fehlende individuelle Vorsorge zu sanktionieren, so der GDV. Anders gesagt: Es sollen Bußgelder verhängt werden.

Eine weitere Forderung: Das im Aufbau befindliche Naturgefahrenportal des Deutschen Wetterdienstes (DWD) soll ausgebaut werden. Dabei sehen die Verantwortlichen des GDV das österreichische HORA-Portal als Vorbild. HORA steht für Hazard Overview & Risk Assessment Austria und dient zur Erstinformation der Bevölkerung über Gefährdungen wie Hochwasser, Sturm, Hagel und Schnee. Wichtig sei aber, dass kein weiterer Unwetterwarndienst entstehe, sagt Käfer-Rohrbach.

Was kommt auf die privaten Bauherren zu?

Bis einheitliche Standards für hochwasserangepasstes Bauen etabliert sind, sollten Immobilienbesitzer beim Neubau auf Kellerräume verzichten, schlägt der Verband vor. Weitere Forderungen beziehen sich auf die richtige Platzierung von Gebäudetechnik, das Sichern von Öltanks vor dem Aufschwimmen und Bersten oder den Einbau einer Rückstausicherung in den Abwasserkanal.

Braucht es eine Pflichtversicherung für Elementarschäden?

Mehrere Bundesländer fordern genau das. Doch damit bleibe das eigentliche Problem ungelöst, so Käfer-Rohrbach. „Die Kosten werden überwiegend den Immobilienbesitzern und der Versichertengemeinschaft aufgebürdet.“ Auch Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) ist gegen eine Pflichtpolice. Nun soll eine eigens gegründete Bund-Länder-Arbeitsgruppe prüfen, wie sich die Versicherungsquote bei Elementarrisiken erhöhen lässt. In Sachsen sind derzeit laut GDV 51 Prozent der Gebäude gegen Elementarschäden versichert.

Was kostet Versicherungsschutz vor Elementarschäden?

Wie viel der notwendige Zusatzbaustein in einer Gebäudeversicherung kostet, hängt vom individuellen Risiko des Gebäudes ab. Zur Bewertung nutzen Versicherer ein vierstufiges Geoinformationssystem namens ZÜRS. In der ZÜRS-1-Zone mit niedrigstem Risiko kostet die Abdeckung von Extremwetterschäden oft weniger als 100 Euro pro Jahr, hat Ende 2023 ein Tarif-Check der Stiftung Warentest ergeben. Für Zone zwei geht die Verbraucherzentrale Sachsen von einem niedrigen dreistelligen Betrag aus. Steht ein Haus in der ZÜRS-Zone vier, kann die jährliche Zahlung vierstellig werden. Nur 0,7 Prozent der Gebäude in Sachsen befinden sich in der Risikoklasse vier. Hausbesitzer können ihre Prämie noch durch eine Selbstbeteiligung verringern.