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Ausgewanderte Oberlausitzer: Löbauer lernt in Australien deutsche Wertarbeit schätzen

Etliche Löbauer/Zittauer hat es ins Ausland gezogen, wo sie teils ungewöhnliche Lebenswege gehen. SZ hat einige aufgespürt. Robert Kawczyk aus Löbau lebt in Sydney.

Von Andrea Thomas
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Robert Kawczyk aus Löbau lebt in Sydney, hier mit seiner Familie vor der Kulisse der Stadt mit Blick auf die berühmtesten Bauwerke: Harbour Bridge und Oper.
Robert Kawczyk aus Löbau lebt in Sydney, hier mit seiner Familie vor der Kulisse der Stadt mit Blick auf die berühmtesten Bauwerke: Harbour Bridge und Oper. © privat

„Wir wohnen im Grünen und merken kaum etwas von der Betriebsamkeit der Sechs- Millionen-Metropole“, beschreibt Robert Kawczyk mit wenigen Worten sein Umfeld. Seit neun Jahren lebt und arbeitet der Löbauer in Sydney, einer der größten Städte Australiens und Sehnsuchtsziel unzähliger Reisender und Einwanderer.

2015 eröffnete sich für den Bauingenieur die Möglichkeit, in ein internationales Großprojekt der Firma Hochtief aus Essen einzusteigen. Er konnte dabei wählen zwischen dem King Khalid Airport im saudi-arabischen Riad, einem Bauprojekt in den USA für Hochgeschwindigkeitszüge von Los Angeles nach Sacramento sowie der Metro in Sydney. Bereits zwei Wochen nach seiner Entscheidung für Australien saß er im Flieger nach Sydney, wo er erst einmal für drei Monate eingesetzt werden sollte. Der Oberlausitzer war offen für Neues, frei von Erwartungen und freute sich auf das, was kommen würde.

Der Kulturschock blieb aus, denn vieles war ähnlich wie in Deutschland. In den Geschäften gab es Produkte, die er von zu Hause kannte. Die internationale Restaurantszene bot alles, was Herz und Gaumen begehren. Nur das Wetter war besser, die Wellen höher und die Menschen begrüßten Fremde mit offenen Armen und freundlicher als in Deutschland. „Ich hatte keinerlei Bedenken, zumal ich mich auch sprachlich sicher fühlte“, erinnert sich der heute 39-Jährige, der während seiner Schulzeit schon ein Austauschjahr in England absolviert hatte. „Und dennoch bin ich damals ein bisschen blauäugig gewesen“, gibt er heute zu. An Auswandern habe er nie gedacht, zum Arbeiten sei er nach Sydney gekommen, stellt er klar. Doch aus drei Monaten sind inzwischen neun Jahre geworden.

Es macht ihn stolz, dass bei dem gigantischen Vorhaben, hier das erste vollautomatische U-Bahnsystem Australiens entstehen zu lassen, seine Kompetenzen gefragt waren. Werktags arbeitete er gewöhnlich in beratender Funktion von 6.30 Uhr bis 17 Uhr auf der Großbaustelle. Oft auch länger.

Nach Fertigstellung des ersten Teilabschnitts war der Bauexperte ab 2019 für andere Großprojekte von CIMIC, dem australischen Tochterunternehmen von Hochtief, tätig. Jetzt arbeitet er in der Zentral IT-Abteilung im Hauptquartier der Firma. Dort ist er mit der digitalen Transformation beschäftigt, wobei digitale Tools zur Prozessoptimierung angewendet werden. Die immensen Datenmengen aus Bauprozessen werden gesammelt und effizient über Cloud Computing organisiert und strukturiert. Es sei ein entspannteres Arbeiten bei einer geregelten Arbeitszeit von 8 Uhr bis 17 Uhr und guter Bezahlung, sagt Robert.

Sydney ist multikulturell

Familie Kawczyk im Blue Mountains Nationalpark, einem beliebten Ausflugsziel, etwa zwei Stunden von Sydney entfernt.
Familie Kawczyk im Blue Mountains Nationalpark, einem beliebten Ausflugsziel, etwa zwei Stunden von Sydney entfernt. © privat

Die Erfahrungen in Australien haben seinen kritischen Blick geschärft. Auch wenn er die außergewöhnliche Freundlichkeit der Australier schätzt, glaubt er nicht mehr blind all ihren Versprechungen. Sie würden gern übertreiben, oft etwas positiver darstellen, als es ist. Hohe Erwartungen enden in Enttäuschung, weiß Kawczyk, dem hier klargeworden ist, dass man die Deutschen wegen ihrer Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit so sehr schätzt. „Wir halten uns an Vereinbarungen und liefern am Ende das ab, was ausgemacht war, auch wenn damit Überstunden verbunden sind.“ Erst in Australien habe er wirklich begriffen, was mit sprichwörtlicher „deutscher Wertarbeit“ gemeint ist.

Sydney ist multikulturell geprägt. Laut aktueller Volkszählung wurden 45,8 Prozent der Einwohner im Ausland geboren. Im Freundeskreis des Oberlausitzers gibt es Sydneysider griechischer und italienischer Herkunft. Chloe, seine Frau, ist Australierin mit vietnamesischen Wurzeln. Seit 2017 sind beide ein Paar, 2020 haben sie geheiratet. Arthur, ihr kleiner Sohn, bringt seit zweieinhalb Jahren Freude in ihren Alltag. Tagsüber, wenn die Eltern arbeiten, wird er im Kindergarten und von einer Tagesmutter betreut. Die Kosten dafür belaufen sich wöchentlich auf umgerechnet 500 Euro. Alles ist teuer in Sydney. Viele müssten hier hart arbeiten, um die gestiegenen Lebenshaltungskosten zu kompensieren, erzählt der Deutsche und verweist auf die Mieten, die weitaus teurer seien als in Hamburg, wo er eine Zeit lang gewohnt hat. Immobilien- und Grundstückspreise hätten astronomische Höhen erreicht. Altersarmut habe zugenommen.

Weiße Strände und farbenfrohe Unterwasserwelt

Auch wenn sich Robert Kawczyk trotz seines guten Einkommens kein eigenes Haus leisten kann, ist er mit seinem Leben zufrieden. „Luxus brauche ich nicht. Das Glück in der Familie bedeutet mir alles“, betont der bodenständige Oberlausitzer und fügt lachend hinzu, dass seine Frau da wohl etwas anders denke, denn sie sei ziemlich verwöhnt.

Die Familie wohnt in Naremburn, einem kleinen Stadtteil in Nord Sydney, der mit Ruhe und viel Grün punktet. Das Stadtzentrum ist mit dem Bus nur zehn Minuten entfernt. Durch den schattigen Park läuft man eine halbe Stunde ins Zentrum von Nord Sydney und 30 Minuten bis zum Sydney Harbour. Besser gehe es gar nicht, findet der Naturliebhaber.

Zurzeit ist seine Familie aus Löbau zu Besuch. Bei Ausflügen genießen sie die gemeinsame Zeit, zum Beispiel an den weißen Stränden der Jervis Bay, wo sich rund um die Bucht atemberaubendes Buschland mit einheimischen Tieren wie Kängurus erstreckt. Im Jervis Bay Marine Park kann man beim Schnorcheln die farbenprächtige Unterwasserwelt erleben.

Australien sei wirklich ein schönes Land, schwärmt er. Aber irgendwann würden die Sonne und Traumstrände, von denen einer dem anderen gleicht, auch langweilig werden. Europa ist seiner Meinung nach interessanter.

Spätestens dann, wenn sein Sohn in die Schule kommt, möchte er zurück in seine alte Heimat. Das deutsche Bildungssystem sei besser als das in Australien. In Deutschland sei jedem das Recht auf gleiche Bildung garantiert, während man in Australien viel Geld in eine gute Ausbildung investieren müsse. Er freut sich darauf, dann seine Familie und die alten Freunde, die er so vermisst, öfter zu sehen.