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"Es ist Zeit für eine jüngere Generation"

Wolfgang Zürn hört nach 30 Jahren als Vorstand der Volksbank Löbau-Zittau auf. Wie er die Entwicklung der Region erlebt hat und wie es für ihn weitergeht.

Von Romy Altmann-Kuehr
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Wolfgang Zürn ist 30 Jahre lang Vorstand bei der Volksbank gewesen. Jetzt geht er in den Ruhestand
Wolfgang Zürn ist 30 Jahre lang Vorstand bei der Volksbank gewesen. Jetzt geht er in den Ruhestand © Rafael Sampedro (Archiv)

Herr Zürn, Sie gehen als Vorstandsvorsitzender der Volksbank in den Ruhestand. Warum gerade jetzt?

Es war lange geplant, dass ich am 30. Juni 2021 aufhöre. Ich bin vor wenigen Tagen 60 Jahre alt geworden und bin jetzt 30 Jahre Vorstand bei der Volksbank Löbau-Zittau. Es waren bewegte Zeiten und auch sehr anstrengende. Deswegen will ich mich jetzt zurückziehen. Es ist auch an der Zeit, dass eine neue, jüngere Generation übernimmt.

Wird es einen Nachfolger für Sie im Vorstand geben?

Nein. Meine Vorstandskollegen Karl-Anton Erath und Horst Habrick, mit denen ich auch bisher schon jahrelang vertrauensvoll zusammengearbeitet habe, machen zu zweit weiter. Auch das war so vorgesehen.

Sie stammen nicht aus der Oberlausitz, sondern kamen aus Baden-Württemberg hierher. War das ein Kulturschock damals?

Natürlich war damals hier vieles grau in grau. Das war schon ein Unterschied zu meiner Heimat. Auf der anderen Seite konnte ich aber beobachten, wie sich die Gegend über die Jahre gewandelt hat. Landschaftlich und von der Mentalität der Menschen her ähneln sich die Regionen sehr. Und außerdem: So viel habe ich damals gar nicht von der Gegend gesehen. Ich hatte eine Wohnung im Oberland. Da war ich aber quasi nur zum Schlafen, weil ich so viel gearbeitet habe. Alle zwei Wochen habe ich mich dann freitags ins Auto gesetzt und bin nach Baden-Württemberg in die alte Heimat gefahren. Sonntags ging's wieder zurück. Da war man ja damals zehn, zwölf Stunden unterwegs für eine Strecke, die man heute in fünf Stunden fährt.

Und wie haben Sie es hier so lange "ausgehalten" als Zugezogener?

Das war nicht so schwer. Die Leute haben mich gut aufgenommen. Ich bin damals im August 1990 erstmals als junger Banker hergekommen, um die Bank bei der Umstellung auf das neue Wirtschaftssystem zu unterstützen - und habe die Menschen und die Region ins Herz geschlossen. Ich bin mit offenen Armen empfangen worden, die Leute waren froh, dass sie Hilfe hatten. Das Bankensystem in der DDR hat ja völlig anders funktioniert. Und die Leute freuten sich, dass da jemand kam, der auch geblieben ist. In vielen anderen Firmen und Banken war damals das Problem, dass jede Woche ein anderer kam und sagte, wie es gemacht werden muss. Im Februar 1991 habe ich dann bei meiner Heimatbank in Mössingen die Zelte abgebrochen und bin ganz nach Neugersdorf gekommen und habe als Vorstand angefangen.

Was hat Sie denn dazu bewogen, dauerhaft zu bleiben?

Ehrlich gesagt: Winfried Loschke aus Oppach, der damals Aufsichtsratsvorsitzender war, und Renate Hefter, die engagierte Vorständin zur damaligen Zeit, haben mich überzeugt - vor allem menschlich. Und ich hatte Spaß an der Aufgabe. Ich hatte kurz zuvor meine Qualifikation als Bankvorstand abgeschlossen, war 29 Jahre jung und ungebunden. Es passte alles. Im "Westen" hätte ich in dem Alter nie so eine Chance bekommen. Und ich bin hier immer mit den Menschen gut ausgekommen, hatte nie das Gefühl als "Wessi" abgestempelt oder nicht akzeptiert zu werden. Das kommt natürlich auch darauf an, wie man auf die Menschen zugeht. Ich habe immer versucht, auf Augenhöhe mit den Leuten zu bleiben. Eine gute Anlaufstelle war dafür die Gaststätte "Thomasbitter", mein Stammlokal, das inzwischen leider geschlossen ist. Dort bin ich mit vielen in Kontakt gekommen und habe erfahren, was die Menschen bewegt.

Gab es auch Rückschläge?

Ich habe viele Betriebe, zum Beispiel Handwerksfirmen, von der Wende an betreut. Wir haben sie damals beim Neuanfang unterstützt und auch durch Krisen begleitet. Da kennt man inzwischen die ganze Familie. Ende der 1990er Jahre war so eine Krise. Viele Firmen kamen in Schieflage, darauf waren sie nicht vorbereitet. Da standen Familienschicksale dahinter, das geht einem schon auch an die Nieren. Da haben wir oft versucht, den Schaden zu begrenzen und zumindest das Zuhause der Familie zu retten, wie etwa das Eigenheim. Es musste ja für die Leute irgendwie weitergehen. Man kann von einer regionalen Bank wie unserer auch erwarten, Menschlichkeit zu zeigen.

Was waren beruflich die größten Meilensteine in den 30 Jahren?

Ich habe zwei Währungsumstellungen mitgemacht, wir hatten mit den Wendenachwirkungen zu kämpfen. Ich habe mehrere Fusionen als Vorstand begleitet. Gestartet sind wir als Volksbank Neugersdorf. Später folgte der Zusammenschluss mit der Raiffeisenbank Löbau. 2001 sind wir dann mit der Zittauer Volksbank zusammengegangen zur Volksbank Löbau-Zittau. Da war ich zuvor sechs Monate dort im Vorstand, um die Fusion vorzubereiten. Eine große Herausforderung war auch der Jahreswechsel zum Millennium. Das war eine Zitterpartie, ob mit der automatischen Umstellung der Computer alles klappt. Da haben wir nachts hier in der Bank gesessen und mitgefiebert. Und es wurde ständig gebaut: In Neugersdorf haben wir ein komplett neues Bankgebäude errichtet, ebenso in Ebersbach. Die Filialen wurden modernisiert beziehungsweise nach der Wende das Filialnetz überhaupt erst wieder aufgebaut. In Löbau haben wir das ehemalige Kino saniert und zum Bankgebäude umgebaut. Die letzte größere Baumaßnahme war der Erweiterungsbau unserer Hauptfiliale in Zittau am Markt.

Und außer Bauarbeiten?

Die Volksbank Löbau-Zittau hat sich zum Beispiel mit Edelmetallen als Geldanlage deutschlandweit einen Namen gemacht. Und wir haben nach Tschechien expandiert, sind dabei bis nach Prag vorgedrungen. Die Volksbank Löbau-Zittau hat in der tschechischen Hauptstadt eine Filiale und auch noch in Liberec. Beides waren meine Themen. Sie sehen, es waren anstrengende und fordernde, aber tolle Zeiten. Vor allem waren es die Mitarbeiter, die in den letzten 30 Jahren diesen Weg mit mir und meinen Vorstandskollegen gegangen sind, da haben wir gemeinsam schon sehr viel erreicht.

Wird es da nicht komisch sein, morgens nicht mehr los zu müssen? Wie werden Sie als Rentner jetzt Ihre Zeit verbringen?

In den ersten Wochen wird das schon seltsam sein, keine feste Aufgabe zu haben. Aber ich werde mich nicht langweilen. Auf meinem Plan stehen vor allem sportliche Aktivitäten. Und ich werde das tun, was in den letzten 30 Jahren durch meinen Beruf leider viel zu kurz gekommen ist: Vor allem für meine Familie da sein. Und ich hoffe, dass noch viele interessante Aufgaben auf mich warten.

Anfang Juni war Ihre letzte Vertreterversammlung auf der Waldbühne in Jonsdorf. Sie wurden dort vom Genossenschaftsverband mit einer hohen Ehrung ausgezeichnet. Wie war das für Sie?

Es war schon eine bewegende Veranstaltung. Zum einen ist die Atmosphäre auf der Waldbühne ja super, das Wetter hat gepasst und wir konnten wieder eine gute Entwicklung der Volksbank vorstellen. Emotional wurde es dann, als mich der Genossenschaftsverband mit der Auszeichnung der "Goldenen Ehrennadel des Deutschen Genossenschafts- und Raiffeisenverbandes" überrascht hat, der Aufsichtsrat das Wort ergriffen hat und ich mich von den Vertretern verabschieden durfte. Es war ein bewegender und schöner Abend.

Werden Sie jetzt der Oberlausitz den Rücken kehren und im Ruhestand in Ihre alte Heimat zurückziehen?

Da gibt es immer mal Gerüchte, das habe ich auch schon gehört. Ich bleibe definitiv hier, das war schon immer klar! Ich lebe seit 30 Jahren in der Oberlausitz, habe meine Familie hier, ein Eigenheim gebaut. Ich fühle mich hier heimisch und sehr wohl. Es gibt für mich keinen Grund, die schöne Oberlausitz zu verlassen. Warum sollte ich also jetzt wegziehen?