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Dauer-Einbrecher trifft auf Richter Gnädig

Ein drogensüchtiger Leutersdorfer steigt im Tages-Rhythmus in Läden und Wohnungen ein - das Gericht sieht ihn in Arbeit besser aufgehoben als im Knast.

Von Markus van Appeldorn
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Justitia urteilt mit verbundenen Augen - zum Glück für einen Angeklagten vor dem Zittauer Amtsgericht.
Justitia urteilt mit verbundenen Augen - zum Glück für einen Angeklagten vor dem Zittauer Amtsgericht. © dpa

Drogen und Glücksspiel - zwei Dinge, die nur ihre Anbieter reich machen. Ist man von einem davon - oder gar von beidem - abhängig, so kann es die Fahrt zur Hölle bedeuten. Mit einem wahrlich armen Teufel hatte es nun die Schöffenkammer des Amtsgerichts Zittau tun. Doch der Serieneinbrecher fand Gnade vor den Augen der Richter - oder gewissermaßen auch, wie der Vorsitzende Holger Maaß selbst erklärte - vor der Blindheit Justitias.

"Sie sind per se kein bösartiger Mensch", ließ Amtsrichter Maaß den 36-jährigen Leutersdorfer auf der Anklagebank wissen - und das nach gut 30-minütiger Verlesung der drei Anklageschriften. 35 Anklagen listet der Staatsanwalt da auf, und es geht darin immer um Einbruch und Diebstahl. Zwischen August 2017 und April 2018 war der Mann in Ebersbach und Neugersdorf in Gaststätten, Geschäfte und Wohnungen eingebrochen - in manche gleich mehrmals und mitunter sogar im Tages-Rhythmus. Er erbeutete Bargeld, Goldschmuck und bei einem Einbruch ins Einwohnermeldeamt gar einen Fingerabdruck-Scanner.

Die skurrilsten Fälle: Bei einem Einbruch in ein Wohnhaus saß unvermittelt die dort wohnende Familie vor ihm. Der Mann flüchtete und sperrte die Familie dabei in ihrer eigenen Wohnung ein. Und in einen Getränkemarkt versuchte er einzudringen, indem er einen Böller an der Glastür anbrachte und einen Teil davon wegsprengte. Deshalb war er neben den Einbruchs-Diebstählen auch noch wegen Freiheitsberaubung und Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion angeklagt. 

Der Richter baut eine Goldene Brücke

"Das ist Beschaffungskriminalität gewesen", brachte es Richter Maaß auf den Punkt, "die Abhängigkeit führte zu erhöhtem Geldbedarf." Der Angeklagte erklärte, zusätzlich auch noch spielsüchtig gewesen zu sein - Geld aber hatte der seit vielen Jahren arbeitslose Gas- und Wasserinstallateur weder für Drogen, noch fürs Daddeln. "Meinen Sie denn, dass Sie jemals wieder in der Lage sein werden, 40 Stunden die Woche zu arbeiten?", fragte ihn der Richter.

Als regelrechtes Glück erwies sich für den jungen Mann, dass er wegen dieser ganzen Einbrüche bereits eingesessen hat. Im April 2018 nämlich war er als Täter ermittelt worden und hatte in der Vernehmung bei der Polizei auch alles zugegeben. Er kam daraufhin in Untersuchungshaft. Weil es aber die Staatsanwaltschaft nicht geschafft hatte, den Mann trotz des umfassenden Geständnisses schnell anzuklagen, hob das Oberlandesgericht den Haftbefehl im Rahmen einer Haftprüfung nach einem halben Jahr auf. Und der Mann nutzte die Zeit danach für eine - wie auch das Gericht anerkannte - erfolgreiche Drogentherapie.

"Normalerweise stünden bei all diesen Taten drei Jahre plus X zur Debatte - also keine Bewährung mehr", erklärte der Richter. Allerdings sei dieses halbe Jahr Haft anzurechnen. Richter Holger Maaß baute dem Angeklagten schließlich eine Goldene Brücke: "Wir würden im Fall einer geständigen Einlassung alle möglichen Augen zudrücken, dass wir in einen Bereich kommen, in dem die Strafe zur Bewährung ausgeschrieben werden kann." Der Richter stellte fest, dass der Mann nicht gewalttätig sei, aber immer dann zu Straftaten neige, wenn er noch daheim bei seiner Mutter wohnend in den Tag hineinlebe und Drogen konsumiere. Auch das gute Herz der im Saal anwesenden Mutter lobte Maaß. Die nämlich versuche ihren Sohn immer wieder zu anständiger Beschäftigung anzutreiben und hatte sich auch um seine Verteidigung gekümmert. "Ich habe die Frau zuvor nie getroffen, aber ich kannte sie eine ganze Weile vom Telefon her besser als meinen Mandanten", sagte auch dessen Verteidiger.

Arbeiten oder Knast

Der Angeklagte und sein Anwalt ließen sich diese vom Gericht eingeräumte Chance jedenfalls nicht zweimal erklären. Der Angeklagte räumte alle ihm gemachten Vorwürfe ein. Um die Beweisaufnahme erheblich abzukürzen, ließ sich auch der Staatsanwalt auf eine Beschränkung der Anklage auf die Vermögens- und Eigentumsdelikte ein - unter Weglassung der dabei gleichzeitig begangenen Sachbeschädigungen. Der Staatsanwalt forderte schließlich eine zweijährige Bewährungshaftstrafe. "Er ist auf dem Weg zum rechtstreuen Bürger", sagte er. Der Verteidiger schloss sich dem an und sagte: "Ich möchte im Namen meines Mandanten Dankbarkeit erklären."

Das Gericht urteilte genau diesen Anträgen entsprechend und machte noch eine Auflage. So lange der Mann keiner sozialversicherungspflichtigen Arbeit nachgeht, muss er jeden Monat 40 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten. "Was wir wollen, ist Ihnen in den Hintern zu treten", erklärte Amtsrichter Maaß, "wir wollen nicht, dass sie daheim sitzen und der Mutter auf den Keks gehen." Er habe nun die Wahl, sich eine anständige Arbeit zu suchen und gut zu verdienen, oder ohne Lohn gemeinnützig zu arbeiten. Aber arbeiten muss er - sonst geht's ab in den Knast.

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