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Der erste Landrat von Löbau-Zittau ist tot

Volker Stange war der erste Nachwende-Landrat des Kreises Löbau und ab 1994 der erste des Kreises Löbau-Zittau. Seine pragmatisch-nahbare Art schätzten viele, auch wenn mehrere Skandale seine Amtszeit erschütterten.

Von Anja Beutler
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Volker Stange war der erste Nach-Wende-Landrat des Kreises Löbau und ab 1994 des Kreises Löbau-Zittau.
Volker Stange war der erste Nach-Wende-Landrat des Kreises Löbau und ab 1994 des Kreises Löbau-Zittau. © SZ-Archiv/Wolfgang Wittchen

Als Bauingenieur hat Volker Stange einst zu DDR-Zeiten das Planen und Aufbauen gelernt. Dass er selbst einmal einen ganzen Landkreis neu aufbauen und dessen Zukunft planen muss, war hingegen keineswegs absehbar. Zur Wendezeit über das neue Forum zur CDU gekommen, eroberte der Ebersdorfer 1990 für die Christdemokraten den ersten - und einzigen - Landratsposten im Landkreis Löbau. Denn schon 1994 endete die Geschichte des Kreises Löbau mit einer Fusion. Und Stange wurde dann auch der erste Landrat des neuen Landkreises Löbau-Zittau. Ein Amt, das er bis 2001 innehatte und bei dem es für Stange Höhen und Tiefen gegeben hat. Nun ist der Politiker mit 86 Jahren verstorben.

Volker Stange selbst hat den Start nach der Wende als "die schweren Anfangsjahre ohne Gebrauchsanweisung, voller Risiken aber auch voller begeisterter Mitstreiter" in Erinnerung behalten. So schilderte er es bei seiner Verabschiedung 2001. In der Tat gab es keine festgezurrte Linie, der er folgen konnte. Stange orientierte sich beim Aufbau einer neuen Verwaltung teilweise am Neckar-Odenwald-Kreis und vor allem am Landkreis Göppingen, mit dessen Landrat ihn bald eine tiefe Freundschaft verband. Stange stellte viele Weichen, auch Schlagworte wie Kulturraumgesetz, Euroregion oder der Bau des Trixi-Bades sind mit seiner Amtszeit verbunden. Die schnelle Verbindung über die B178n hatte in ihm ebenso einen großen Fürsprecher.

Staatsanwaltschaft und Landesrechnungshof ermitteln

Generell attestierten viele dem Politik- und Verwaltungsneuling schnell einen pragmatischen Stil und ein geselliges Wesen. Wegbegleiter erzählen, dass Stange rasch beim Du war, volkstümlich auftrat und nah bei den Menschen war. Allerdings stolperte er in seiner Amtszeit mehrfach über Kritik an Abrechnungen, fraglichen Zahlungen und dem Verdacht der Bevorteilung. Schon 1991 warf ihm die Bild-Zeitung vor, dass im Kreishaushalt über vier Millionen Mark (zwei Millionen Euro) fehlen würden. Ermittlungen konnten aber keine Schuld Stanges finden.

Diesen ersten Vorwürfen folgte 1995 die sogenannte Löbauer „Gehälteraffäre“. In einem Prüfbericht legte der Landesrechnungshof Volker Stange über 30 Rechtsverstöße zur Last: Leitende Angestellte sollten zu hohe Gehälter und Zulagen bezogen haben, es ging um unkorrekte Arbeitsverträge im Landratsamt sowie ominöse Kreditgeschäfte und Personalentscheidungen bei der Sparkasse Löbau. Volker Stange klagte zweimal erfolgreich gegen eine vom Regierungspräsidium verhängte Zwangsbeurlaubung. Ein Disziplinarverfahren gegen ihn wurde 1996 eingestellt. Als Anwalt stand ihm dabei meist der letzte DDR-Innenminister Peter-Michael Diestel zur Seite.

Eines der letzten öffentlichen Fotos mit Volker Stange: Unter dem Slogan "Bürgermeister der ersten Stunde" fanden sich 2020 Bürgermeister der ersten Stunde des Altkreises Löbau zusammen. Stange sitzt in der Mitte.
Eines der letzten öffentlichen Fotos mit Volker Stange: Unter dem Slogan "Bürgermeister der ersten Stunde" fanden sich 2020 Bürgermeister der ersten Stunde des Altkreises Löbau zusammen. Stange sitzt in der Mitte. © Matthias Weber/photoweber.de
Claudia Muntschick, Volker Stange und der damalige Löbauer Oberbürgermeister Dietmar Buchholz (von links) am Haus Schminke. Auch dafür hatte sich Stange als Stadtrat stark gemacht.
Claudia Muntschick, Volker Stange und der damalige Löbauer Oberbürgermeister Dietmar Buchholz (von links) am Haus Schminke. Auch dafür hatte sich Stange als Stadtrat stark gemacht. © SAE Sächsische Zeitung/Matthias Weber
Der Bau des Trixi-Bades fällt in die Amtszeit von Landrat Stange (links).
Der Bau des Trixi-Bades fällt in die Amtszeit von Landrat Stange (links). © SZ-Archiv
Der erste Tag im neuen Amt als Landrat Löbau-Zittau.
Der erste Tag im neuen Amt als Landrat Löbau-Zittau. © SAE Sächsische Zeitung
Volker Stange (kariertes Hemd und Sonnenbrille) beim geschäftlichen Wandern unter anderem mit dem damaligen Regierungspräsident Helmut Weidelener (vorn mit Stock).
Volker Stange (kariertes Hemd und Sonnenbrille) beim geschäftlichen Wandern unter anderem mit dem damaligen Regierungspräsident Helmut Weidelener (vorn mit Stock). © SZ-Archiv

Volker Stange sah die Anwürfe persönlich wahlweise als Abrechnung, Intrige und Angriff gegen seine Person - gerade auch im Wahlkampf. Am Ende räumte er Fehler ein. Ein Fehler war zweifelsohne auch der Umgang mit der Stasi-Vergangenheit seiner zweiten Frau. Während Stange andere Wegbegleiter stringent entließ, sobald klar war, dass sie eine Vergangenheit bei der Staatssicherheit hatten, ließ er die Akte seiner Frau, die in einer nachgeordneten Behörde des Landratsamtes arbeitete, verschwinden. Auch wenn all das juristisch am Ende keine großen Nachspiele hatte, blieben über die Jahre doch dunkle Flecken auf Stanges Amtszeit.

Ungetrübt war hingegen Stanges Engagement für Löbau. Er, der als Landrat dafür gesorgt hatte, dass die Stadt "Große Kreisstadt" geblieben ist, zog 2004 als 67-Jähriger in den Löbauer Stadtrat ein, dem er dann zehn Jahre angehörte. Er war für die CDU angetreten, mit der er jedoch 2008 brach. 2012 wurde er Ehrenbürger von Löbau. Die Stadt Löbau würdigt in ihrem Nachruf Volker Stange als einen Menschen, "die in der Stunde des Neuanfangs angepackt haben. Durch sein Wirken wurden maßgebliche Weichen im Landkreis und in der Stadt Löbau gesetzt." Hervorgehoben werden vor allem seine Aufbauleistungen als Landrat für die Erneuerung der Infrastruktur und die Überführung von Kinder- und Pflegeheimen sowie Schulen in die neue Gesellschaftsordnung. Stange protegierte zudem die Gründung einer eigenen Kreismusikschule. Als Stadtrat engagierte sich der Ebersdorfer vornehmlich in den Aufsichtsräten der Löbauer Wobau, der Landesgartenschau gGmbH und leitend im Stiftungsrat und Förderverein der Stiftung Haus Schminke.

Zuletzt war es ruhig um Volker Stange geworden, gesundheitlich war der fast 87-Jährige angeschlagen. Nach SZ-Informationen ist Stange am vergangenen Sonntag verstorben.