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Nach Palfinger-Erweiterung in Löbau: Erste Riesenbühne verlässt das Werk

Die "P900" ist das Flaggschiff von Palfinger. Voll ausgefahren überragt sie rund um Löbau nur der Fernsehturm.

Von Markus van Appeldorn
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Produktionsleiter Marius Stehling vor der riesigen Arbeitsbühne, die in die USA geliefert wird.
Produktionsleiter Marius Stehling vor der riesigen Arbeitsbühne, die in die USA geliefert wird. © Jens Kaczmarek

Was der Löbauer Hubbühnen-Bauer Palfinger mit der schlichten Bezeichnung "P900" versehen hat, ist ein Monster aus Stahl - und wer mit ihm arbeitet, sollte absolut schwindelfrei sein. Die "900" bezeichnet nämlich ein Längenmaß: 900 Dezimeter - 90 Meter. Auf diese Höhe kann die Hubbühne ausgefahren werden - das Höchste, was der österreichische Konzern im Sortiment hat. Voll ausgefahren überragt die "P900" alle Gebäude im weiten Umkreis von Löbau - nur der Funkturm auf dem Schafberg ist mit 160 Metern höher. Nach der Werkserweiterung von Palfinger in Löbau verlässt dieser Tage die erste hier gefertigte "P900" das Werk Richtung USA.

Der "P900" (rechts) im Größenvergleich - nur der Funkturm auf dem Löbauer Schafberg ist höher.
Der "P900" (rechts) im Größenvergleich - nur der Funkturm auf dem Löbauer Schafberg ist höher. © SZ-Grafik

Zwei neue Werkshallen hat Palfinger in den letzten Jahren an seinem Standort gebaut, um die aus Krefeld übernommene Fertigung der Hubbühnen der Klassen "Jumbo" (75 Meter) und "Top" (90 Meter) hier realisieren zu können. "Wir haben hier jetzt 60.000 Quadratmeter Werksfläche, davon 3.000 Quadratmeter Außen-Prüfstand", sagt Produktionsleiter Marius Stehling. Eine der Hallen dient allein den letzten Checks der Hubbühnen aller Größenklassen vor der Auslieferung. "Hier erfolgt die Erstinbetriebnahme, das Hochfahren der Software", erklärt Stehling. Und auf dem Außengelände werden die Bühnen auf ihre Standfestigkeit getestet - Arm auf volle Länge hoch und alle Lastgrenzen checken.

Eine Lastgrenze für Hubbühnen ist der Wind - und der weht in 90 Metern Höhe in der Regel stärker als auf dem Boden. "Der P900 ist für Windgeschwindigkeiten bis 12 Meter pro Sekunde zugelassen", sagt Stehling. Das entspricht Windstärke 6 auf der Beaufort-Skala - oder in der Sprache der Segler und Meteorologen einer "Frischen Brise".

Palfinger will in Nordamerika wachsen

Und in dieser Halle steht sie dann, die "P900", "unser Flaggschiff", wie Stehling sie nennt - allerdings noch unfertig, denn was noch fehlt, ist das Fahrgestell. Der Anhänger, auf dem sie steht, dient nur dem Zweck, sie auf dem Werksgelände zu bewegen. "Wir montieren die P900 hier beinahe ausschließlich auf Scania-Fahrgestelle, aber damit kann ein Kunde aus den USA nichts anfangen, weil es da kaum Servicepartner für Scania gibt", sagt Stehling. Also wird diese "P900" als sogenanntes "Kit" auf einem Tieflader nach Rotterdam transportiert und dort verschifft. "Bei Palfinger in den USA wird sie dann auf einen amerikanischen Kenworth-Truck montiert", sagt er. Schon ohne Fahrgestell wiegt der Koloss rund 40 Tonnen - komplett sind es dann über 50 Tonnen. Allein eine der vier ausfahrbaren Stützen wiegt gut eine Tonne.

Stehling hofft, noch viele "P900" oder ihre kleineren Geschwister über den Atlantik verkaufen zu können. "Wir setzen auf ein starkes außereuropäisches Wachstum, insbesondere in Nordamerika", sagt er. Groß ist der Weltmarkt für solche Monster-Bühnen nicht. "Wir werden vielleicht sechs Stück im Jahr fertigen", sagt er. Zur Anwendung kommen sie etwa bei Arbeiten an Windrädern, "oder bei der Fassadenreinigung in New York oder Chicago", sagt Stehling.

Eine fertig auf einem Fahrgestell montierte "P900" steht bereits komplett abgenommen auf dem Werksgelände. "Die geht dann in den nächsten Tagen auf eigener Achse nach Italien", sagt Stehling. Mit über 50 Tonnen über den Brenner - das bedürfe auch diverser Sondergenehmigungen. Aber ein riesiges Kunststück sei es nicht, den Koloss zu lenken. "Das Fahrgefühl im Korb ist stabiler als das bei den kleinen Hubbühnen bis 28 Meter Höhe, die auf einem Sprinter montiert werden", sagt er - und neben so einer "P900" sieht diese Größenklasse von Hubbühne geradezu aus wie ein Spielzeugauto.

Die Hubbühne "P900" ist Palfingers "Flaggschiff".
Die Hubbühne "P900" ist Palfingers "Flaggschiff". © Jens Kaczmarek
Auf bis zu 90 Meter kann dieser Korb angehoben werden.
Auf bis zu 90 Meter kann dieser Korb angehoben werden. © lausitznews.de
Monster aus Stahl.
Monster aus Stahl. © lausitznews.de
Marius Stehling an einem Unterarm des 90-Meter-Teleskoparms.
Marius Stehling an einem Unterarm des 90-Meter-Teleskoparms. © lausitznews.de
Diese "P900" geht nach Italien.
Diese "P900" geht nach Italien. © Jens Kaczmarek
Die neue Halle, in der alle Hubbühnen den letzten Checks unterzogen werden.
Die neue Halle, in der alle Hubbühnen den letzten Checks unterzogen werden. © lausitznews.de

Eigene Produktionshalle für die Großbühnen

Die andere der beiden neuen Hallen dient zur Montage der großen Hubbühnen. Hier werden etwa die stählernen Teleskoparme zusammengeführt und endmontiert. "Den längsten Arm fertigen wir in Maribor in Slowenien", sagt Stehling - für dessen Länge würde auch die Löbauer Lackierkabine nicht ausreichen. Der riesige Quader in der Lackierhalle misst neun Meter und kann Werkstücke von bis zu 4,3 Tonnen aufnehmen. Die Lackierstraße durchlaufen die Bauteile und Teleskoparme aller in Löbau gefertigten Hubbühnen-Klassen - die aus dem Werk in Seifhennersdorf zugelieferten Teleskop-Arme aus Aluminium für die Größenklassen bis 28 Meter ebenso wie die aus massivem Stahl.

Die Stücke werden an einer Seilbahn aufgehängt, deren Schienen an der Hallendecke verlaufen. In einer ersten Station werden die Werkstücke gesandstrahlt, anschließend gereinigt, dann lackiert und in einer Wärmekammer getrocknet. Und das alles so umweltfreundlich wie möglich. "Die Lacke sind alle wasserbasiert und wir nutzen zum Energiesparen etwa eine Wärmerückgewinnungsanlage", sagt Stehling. Und das größte Stück Nachhaltigkeit ist natürlich die lange Lebensdauer der Hubbühnen.

Korrekturhinweis 13. Dezember, 13.15 Uhr: In einer ursprünglichen Version des Artikels hieß es, die Teleskoparme würden in Löbau verschweißt - sie werden hier aber nur endmontiert. Zudem wurde der Abschnitt präzisiert, in dem es um das Fahrgefühl geht - gemeint ist das Fahrgefühl im Korb, nicht im Fahrzeug selbst.