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Löbaus goldener Sattlermeister

Bernd Hübner hat jetzt als einer von 17 Handwerkern im Kreis Görlitz den Goldenen Meisterbrief bekommen. Sein Berufsleben zeigt den drastischen Wandel im Handwerk.

Von Anja Beutler
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Sattlermeister Bernd Hübner hatte seine Werkstatt einst in seinem Wohnhaus Badergasse 3.
Sattlermeister Bernd Hübner hatte seine Werkstatt einst in seinem Wohnhaus Badergasse 3. © Matthias Weber/photoweber.de

Was ihm durch den Kopf gegangen ist, als er die große Urkunde - den Goldenen Meisterbrief - als einer von 17 Handwerkern im Kreis Görlitz übergeben bekam? Bernd Hübner lacht und sagt: "Ja, ja, ganz schön alt geworden bin ich - ist das alles schon so lange her?" Vor 50 Jahren hat der 78-jährige Löbauer seinen Meister gemacht. In Chemnitz, das damals noch Karl-Marx-Stadt hieß, war das. "Ich wollte unbedingt ausbilden", erinnert er sich. Hat er dann auch: "Von den sechs Lehrlingen, die wir in unserer Firma ausgebildet haben, sind zwei noch in ihrem Beruf tätig", sagt er nicht ohne stolz. Aber er weiß, dass die Zeiten, in denen noch genügend Lehrlinge an die Tür klopften, längst passé sind.

Als Bernd Hübner seine Lehre machte, lag der Betrieb noch mitten in Löbaus Herzen: In der Badergasse 3 gleich beim Altmarkt hatte Paul Kuhmann seine Sattlerwerkstatt. Dort hat Hübners Vater schon gearbeitet, dort ging der 1945 geborene Sohn in die Lehre. "1961 hat mein Vater von seinem Meister die Werkstatt übernommen", erinnert er sich. Er selbst musste sich dann 1985 den Chef-Hut aufsetzen - nach dem Tod seines Vaters. Auf diese Weise hat Hübner Löbauer Handwerks-Geschichte geschrieben. Denn das Haus Badergasse 3 besaßen damit sechs Sattler in Folge.

Bernd Hübner (Mitte) bei der Übergabe des Goldenen Meisterbriefs durch die Handwerkskammer Dresden.
Bernd Hübner (Mitte) bei der Übergabe des Goldenen Meisterbriefs durch die Handwerkskammer Dresden. © Handwerkskammer Dresden
Insgesamt 17 Goldene Meisterbriefe hat die Handwerkskammer an Meister aus dem Landkreis Görlitz vergeben.
Insgesamt 17 Goldene Meisterbriefe hat die Handwerkskammer an Meister aus dem Landkreis Görlitz vergeben. © Handwerkskammer Dresden

Während Hübners Vorgänger und auch sein Vater vor allem mit klassischer Geschirrsattlerei - also Geschirr für das Anspannen von Pferden - ihr Geld verdienten, musste Bernd Hübner buchstäblich umsatteln. "Damals waren auf Geheiß von oben viele Pferde geschlachtet worden, aber es waren auch immer mehr Lkw unterwegs", erinnert er sich. Deshalb verlegte er sich auf die Planensattlerei - ein Geschäftszweig der Branche, in dem es anfangs viel um die Herstellung von Laster-Planen ging. "Wir haben die Planen damals noch auf der engen Straße ausgebreitet", erzählt Hübner. Platz in der Werkstatt oder im Hof hatte die Firma nicht. Doch gerade mit der Wende wurde auch die Badergasse zu schmal dafür - und es gab Ärger, wenn vor der Sattlerei die Laster die Straße blockierten.

Umzug nach Kittlitz

Deshalb zog Hübner mit seiner Firma 1997 nach Kittlitz ins Gewerbegebiet, weg aus dem Sichtfeld der Löbauer, aber immerhin mit ausreichend Platz. Ob er heute noch Sattler werden würde? Bernd Hübner überlegt ein bisschen: "Die große Zukunft für die Branche sehe ich im Moment nicht", meint er. Die Aufgaben seien vielseitiger geworden, es gebe immer wieder neue Herausforderungen. So hätten Laster zunehmend feste Kofferaufbauten oder ließen ihre Planen im Ausland anfertigen. Deshalb musste das Unternehmen in den vergangenen Jahren immer wieder nach Neuem Ausschau halten, die Palette erweitern. Nach wie vor gehören Lkw-Planen oder auch das Erneuern von Autositzen zwar zum Kerngeschäft. Inzwischen aber sind auch bei Planen für den Camping- und Bootsbedarf oder bei Spezialanfertigungen - wie den zum Cabriolet umgebauten Oldtimerbus "Heidekäfer" der Firma Schwarz Reisen - die Handwerkskünste des Unternehmens gefragt, erzählt Bernd Hübner.

Auch wenn die Firma ins Gewerbegebiet nach Kittlitz umgezogen ist - das Haus trägt noch die Spuren seiner Besitzer.
Auch wenn die Firma ins Gewerbegebiet nach Kittlitz umgezogen ist - das Haus trägt noch die Spuren seiner Besitzer. © Matthias Weber/photoweber.de

Der heute 78-Jährige liebt sein Handwerk bis heute und so ist es kein Wunder, dass an seinem inzwischen hübsch sanierten Haus in der Badergasse das Sattlerei-Wappen prangt. Bernd Hübner habe auch nie etwas anderes werden wollen - nicht einmal wirklich über Alternativen nachgedacht, gesteht er lachend. Schon als Kind habe er seinem Vater über die Schulter geschaut und geholfen. 2008 hat er die Firma dann an seinen jüngeren Sohn Jan übergeben. "Ein bisschen helfe ich im Büro noch", fügt er hinzu. Mehr gehe aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr - auch, wenn es ihn so manches Mal wohl noch in den Fingern juckt.

Sein Meisterstück verwahrt Hübner übrigens noch immer in seinem Büro: Es ist eine Motorradtasche, wie sie Geländefahrer - einst auch in der Nationalmannschaft - damals genutzt haben: vorn ein Sichtfenster für Karten, dazu Platz für Werkzeug. "Diese Tasche wurde bei den Maschinen auf den Tank geschnallt", erklärt der Sattlermeister. Ein bisschen aus der Zeit gefallen ist das gute Stück inzwischen - aber handwerklich noch immer eine meisterliche Leistung.