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Wie es bei Stoff-Jähne in Löbau weitergeht

Nach vier Generationen ist Schluss: Ursula Muthmann ist die letzte der Familie, die den Laden geführt hat. Warum sie damit trotzdem mehr als glücklich ist.

Von Anja Beutler
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Ursula Muthmann (links) hat gut Lachen: Mit Maren Hanisch hat sie eine Nachfolgerin gefunden, die Bewährtes noch besser fortsetzen kann.
Ursula Muthmann (links) hat gut Lachen: Mit Maren Hanisch hat sie eine Nachfolgerin gefunden, die Bewährtes noch besser fortsetzen kann. © Rafael Sampedro/foto-sampedro.de

Maren Hanisch dreht das Kissen mit dem farbigen Gingko-Blatt-Design bis sie es perfekt in der Auslage drapiert. Wohnungen und Zimmer gestalten und ausstatten - mit Liebe fürs Detail - ist die Leidenschaft der 41-Jährigen. Seit April ist sie die neue Inhaberin des Löbauer Traditionsgeschäftes am Neumarkt, über dessen Schaufenster seit Jahrzehnten der Schriftzug "A. Jähne & Söhne" prangt. Bei vielen Löbauern heißt das rund 112 Jahre alte Geschäft seit DDR-Zeiten meist nur "Stoff-Jähne". Mit der Familie Jähne und ihren Nachkommen hat der Laden nun aber erstmals nichts mehr zu tun. Das war Zufall - und zwar ein glücklicher.

Maren Hanisch hat den Familienbetrieb buchstäblich gerettet. Ohne die Übernahme wäre nicht sicher gewesen, ob das Unternehmen das Jahr 2021 überhaupt überstanden hätte, erklärt die bisherige Chefin Ursula Muthmann. Sie hat 40 Jahre lang die Geschicke der Familienfirma geprägt und gestaltet und wollte in diesem Jahr in den Ruhestand gehen: "Es ging körperlich vieles einfach nicht mehr", erklärt die 63-Jährige, die jahrelang mit der schweren Bohrmaschine und Werkzeug auf der Leiter gestanden und bei den Kunden Gardinen und Stores angebracht hat. Ursula Muthmann hatte durchaus nach einem Nachfolger gesucht, auch eine vage Verabredung in Aussicht gehabt, aber nichts richtig Konkretes. "Dann kam plötzlich im vorigen Sommer die spontane Bewerbung von Maren Hanisch auf meinen Tisch", sagt sie und freut sich: "Es war wie ein Hunderter im Lotto."

Neue Chefin bringt das Handwerk mit

Die beiden Frauen stellten schnell fest, dass sie "ähnlich ticken": pragmatisch, zupackend und mit Gespür für den Kunden. Außerdem brachte Maren Hanisch, die Raumausstatter-Meisterin ist, die Handwerkserfahrung mit, die im Alltag der kleinen Firma immer wichtiger wird. Ursula Muthmann selbst fehlte dieser Bezug. Sie hatte zu DDR-Zeiten Erzieherin gelernt, war dann aber doch ins Familiengeschäft gewechselt, das einst ihre Urgroßmutter Auguste gegründet hatte und damals ihre Eltern als selbstständiges Geschäft mit staatlicher Beteiligung führten: "Ich habe als Erzieherin im DDR-System keine Entwicklungsmöglichkeiten für mich gesehen", sagt sie. Nach der Wende führte sie das Geschäft mit ihrem Vater weiter, holte die fürs Kaufmännische nötigen Abschlüsse nach und stellte das Sortiment komplett um. Denn Stoffe zum selber Nähen brauchte plötzlich kaum noch jemand.

Die neue Chefin Maren Hanisch absolvierte hingegen ihre Ausbildung in Dresden von 1999 bis 2002. Danach ging sie "in den Westen" zum Arbeiten, erzählt sie. 2005/06 setzt sie dann noch ihren Meister drauf. Erfahrungen bei der Lehrlingsausbildung hat sie bereits aus der Zeit in der einer Näherei, die für Wohnmobile gefertigt hat. 2011 zog die gebürtige Dresdenerin mit Mann und kleinem Kind nach Görlitz. Hier arbeitete sie bei Hammer, später in derselben Branche in Löbau. Die Bewerbung bei Frau Muthmann sei tatsächlich ein Schuss ins Blaue gewesen, bestätigt sie. Danach ging alles ganz schnell: "Im November ist die Entscheidung gefallen, dass ich das Geschäft übernehmen werde", sagt sie. Ihre bisherige Chefin ist seit April nur noch als geringfügig Beschäftigte an einigen Tagen vor Ort. Den Alltag bewältigen längst Maren Hanisch und die bisherigen drei Angestellten - eine Näherin und zwei Kundenberaterinnen.

Können und Beratung sind gefragt

Zu bewältigen gibt es tagtäglich einiges: "Zum Glück ist die Auftragslage gut, der Kalender voll", freut sich Frau Hanisch. Raumausstatter sind gefragt, vor allem auch das Fertigen und Anbringen von Gardinen, Sonnen- und Insektenschutz. Woran das trotz des immer präsenter werdenden Internet- und Discount-Handel auch bei Produkten der Raumausstattung liegt, hat Ursula Muthmann jahrelang beobachtet: "Die meisten - egal, ob jung oder älter - haben einfach keine Zeit dazu, sich das alles selbst anzufertigen oder verfügen nicht über die Möglichkeiten", sagt sie. Auch Beratung sei eine wichtige Komponente, die viele zu schätzen wüssten. "Unser Kundenkreis stammt im Wesentlichen aus dem Raum Löbau und 25 Kilometer drumherum", fasst Ursula Muthmann zusammen. Es komme aber auch vor, dass man bis Boxberg oder Radibor zum Kunden fahre, bestätigt ihre Nachfolgerin.

Maren Hanisch wird am Angebot von A. Jähne & Söhne absehbar nichts ändern, betont sie, denn das Geschäft sei gut aufgestellt. Wenn sie aber irgendwann einmal mehr Zeit und Möglichkeiten haben sollte, dann würde sie gern etwas anbieten, das sie seit Langem reizt: "Ich habe in meiner Ausbildung auch das Polstern gelernt und weiß, dass die Nachfrage da ist", sagt sie. Momentan aber fehlt ihr dazu schlicht die Zeit.

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