82-Jähriger missbraucht Urenkelin

Meißen/Weinböhla. Ein alter gebrechlicher und gebrochener Mann betritt den Gerichtssaal im Meißner Amtsgericht. Er nimmt auf der Anklagebank neben seinem Anwalt Platz. Ist das tatsächlich der Angeklagte, ein Kinderschänder? Ja, er ist es. 82 Jahre lang hatte der Dresdner nie etwas mit der Justiz zu tun, ging straffrei durchs Leben. Und nun ist er gleich eines Verbrechens angeklagt.
Dem Mann wird vorgeworfen, im Februar dieses Jahres seine neunjährige Urenkelin sexuell missbraucht zu haben. Weil es sich um eine Jugendschutzsache handelt, wird vor dem Jugendschöffengericht verhandelt.
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Zu der Urenkelin hatte der Mann schon immer ein gutes Verhältnis, oft hielt sich das Kind bei dem Uropa auf. So ist es auch an jenem 2. Februar dieses Jahres. Weil die Schule des Mädchens coronabedingt geschlossen hat, betreut er die Neunjährige. Dazu fährt er wie so oft mit ihr auf sein Gartengrundstück in Weinböhla, das er seit mehr als 23 Jahren besitzt.
Dort ziehen sich beide aus, wobei angeblich das Kind damit begann, und fummeln gegenseitig an den Geschlechtsteilen herum. Danach soll der Mann mit dem Kind Oralverkehr gehabt haben.
Der Mann räumt die Taten über seinen Anwalt im Wesentlichen ein, nur eine der vorgeworfenen Handlungen will er nicht begangen haben. Der Straftatbestand ist auch so erfüllt. Weil er das Mädchen betreute, ist er auch wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen angeklagt, wie es im Juristendeutsch heißt. "Der Angeklagte wusste, wie alt das Kind war. Er handelte, um sich sexuell zu erregen", so die Staatsanwältin.
Familie hat sich abgewendet
Konkretere Fragen zur Tat selbst will er nicht beantworten, das muss er auch nicht. Dafür spricht er ausführlich über seine damalige Situation. Kurz vor der Tat war seine zweite Frau, mit der er 33 Jahre verheiratet war, gestorben. Zuvor hatte er sie gepflegt, bis sie in ein Pflegeheim musste. Die hohe familiäre Belastung sei aber keinesfalls eine Rechtfertigung für die Tat, räumt der Verteidiger ein.
Für den Dresdner hat die Straftat nicht nur juristische Folgen. Die Familie des Kindes hat seitdem sämtliche Kontakte zu ihm abgebrochen. Und es spricht wohl nichts dafür, dass sich das nochmal ändert.
Der Verteidiger spricht von einem "absoluten, unentschuldbaren Fehler", seines Mandanten. Er hätte als Erwachsener ein deutliches Stoppzeichen setzen müssen, als das Kind begann, sich auszuziehen, so der Anwalt. "Er hatte bis dahin ein völlig normales Leben geführt, ist dann an einer Stelle falsch abgebogen, wo es nicht hätte passieren dürfen", sagt er und fordert eine Haftstrafe von einem Jahr und sechs Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt werden soll.
"Verstehe nicht, was ich getan habe"
Drei Monate mehr möchte hingegen die Staatsanwältin, die darauf hinweist, dass das Kind sein ganzes Leben mit der Tat zurechtkommen müsse. Andererseits würdigt sie das Geständnis des Angeklagten, das der Geschädigten eine Aussage ersparte und die Tatsache, dass es zu keinerlei Gewaltanwendung gekommen war.
Das Schöffengericht verurteilt den bisher nicht Vorbestraften zu einer Haftstrafe von einem Jahr und sechs Monaten, die für zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wird.
Als Bewährungsauflage muss der Mann 1.000 Euro an die Kinderarche Sachsen zahlen, einen Verein, der sich auch um missbrauchte Kinder kümmert. Der Fall gehöre zu den wenigen, bei denen keine Gewalt angewendet wurde, so der Vorsitzende Richter. Wiederholungsgefahr sieht das Gericht nicht, da sich das familiäre Umfeld von dem Angeklagten abgewendet habe.
"Ich kann nicht verstehen, was ich da getan habe", sagt der Angeklagte in seinem "letzten Wort". Da ist er wohl nicht der Einzige.