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Meißen: Schach mit dem Oktopus

Kraken, Delfine, Handelsschiffe, Götter: Die neue Jahresausstellung beschäftigt sich mit Meissener Porzellan und Wasser.

Von Andre Schramm
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Das ungewöhnliche Schachspiel ist Teil der neuen Jahresausstellung, die ab 16. März im Porzellan-Museum zu erleben ist.
Das ungewöhnliche Schachspiel ist Teil der neuen Jahresausstellung, die ab 16. März im Porzellan-Museum zu erleben ist. © Claudia Hübschmann

Meißen. Das Thema mutet speziell an, jedenfalls für den Laien. Wasser und Meissener Porzellan: Gibt es da so viel zu erzählen bzw. zu zeigen? Die Antwort dürfte sich angesichts der Dimensionen der neuen Jahresausstellung erledigt haben. Sie braucht wesentlich mehr Platz, als vorangegangene. Insgesamt 160 Exponate aus allen Phasen der Porzellanmanufaktur wurden für die neue Schau zusammengetragen. Sie stammen aus dem Archiv der Meissen Porzellan-Stiftung, die insgesamt mehr als 33.000 Objekte umfasst. "Wir zeigen hier Stücke, die in Serienproduktion waren bzw. noch sind, und Unikate", erzählt Kuratorin Susanne Bochmann. Es sei nicht leicht gewesen, sich zu beschränken, schiebt sie noch hinterher.

Fischkanne und merkwürdige Delfine

Seit dem Bestehen der Manufaktur beschäftigten sich die Künstler / Mitarbeiter tatsächlich in aller Regelmäßigkeit mit dem, was unter- aber auch oberhalb der Wasserkante passierte. Da wäre zum Beispiel ein ganz frühes Modell von 1725. Eine Fischkanne (Teekanne). "Ursprünglich ein ganz artiger Import aus Asien", erzählt Bochmann. Den Porzellinern war das Teil offenbar zu lieb. Als Henkel modellierten sie kurzerhand die geschwungene Schwanzflosse eines Fischs.

Aus den Tierplastiken der letzten Jahrhunderte hat Bochmann quasi ein ganzes Korallenriff arrangiert. Hier tauchen nun Quallen und Delfine auf. Um letztere zu erkennen, braucht man allerdings viel Fantasie. "Fische bzw. Meeressäugetiere wurden früher meistens anders dargestellt, als wir sie heute kennen. Das hing natürlich mit den damaligen Sehgewohnheiten zusammen. Hinzu kam, dass die Unterwasserwelt noch kaum erforscht war", erzählt die Kuratorin weiter. Die ersten Jahrhunderte dienten ohnehin Kupferstiche häufig als Vorlage für Porzellanprodukte.

Meissen als Service-Ausstatter auf hoher See

Natürlich spielt die Schifffahrt auch eine Rolle in der Schau. So sind beispielsweise Teile des Bordservices der Hamburg-Amerika-Linie (Hapag) aus dem frühen 20. Jahrhundert zu sehen. Hergestellt natürlich in Meißen. Aber auch ältere Teller und Tassen zeigen Motive von Händlern, Anglern, Häfen und Handelsschiffen. Interessant sind diese Exponate auch deshalb, weil August der Starke durch die Handelsschifffahrt erst auf den Trichter kam, eigenes europäisches Porzellan herstellen zu lassen (statt teures asiatisches Porzellan in Übersee einzukaufen).

Unter der Rubrik "ungewöhnlich" dürfte das Schachbrett mit Unterwassergetier laufen. Statt Bauern stehen hier kleine Seesterne auf dem Porzellanparkett, als Turm fungiert der Oktopus. Ob dieses Brettspiel praktikabel war, ist nicht überliefert. Auch beim Jugendstilporzellan taucht ein Motiv des Elements immer wieder auf: die Welle. Zu den jüngeren Stücken zählt beispielsweise der stattliche Porzellan-Rochen aus dem Jahr 2016. An Gottheiten wurde ebenfalls gedacht. Stichwort: Neptun. Flussgott Elbe grüßt von der Wand.

Aquarium auf dem Fußboden

Aufmerksamkeit verdient aber noch eine andere Sache: eine generative Installation von Frieder Weiß und Matthias Härtig. Die etwa 4 × 5 Meter große Bodenprojektion trägt den Titel "Freischwimmer". Die Besucher haben hier die Möglichkeit, mit den Meeresbewohnern zu interagieren. Bei den Fischen handelt es sich um Meissener Porzellandekore. Sie tauchen zufällig auf und reagieren auf die Bewegungen des Betrachters.

Beim Titel der Schau "Alles fließt. Wasser & Meissener Porzellan" hatte man sich Inspiration beim Philosophen Heraklit geholt. Der soll vor zweieinhalbtausend Jahren einmal gesagt haben: "Niemand kann zweimal in denselben Fluss steigen, denn alles fließt und nichts bleibt." Die Jahresausstellung jedenfalls bleibt bis Februar 2024.