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Landkreis Meißen: Bei der Feuerwehr muss man warten können

Die Einsatzzahlen der Feuerwehren sprengen in diesem Jahr alle Rekorde. Und doch sind zusätzliche Übungen notwendig, wie bei der Meißner Firma Rath.

Von Ines Mallek-Klein
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Übung der Feuerwehr Meißen auf dem Betriebsgelände der Firma Rath in Meißen.
Übung der Feuerwehr Meißen auf dem Betriebsgelände der Firma Rath in Meißen. © Claudia Hübschmann

Meißen. Das Abendlicht flutet golden in das Treppenhaus. Die blauen und roten Fensterscheiben werfen farbige Lichter an die gegenüberliegenden Wände. Es ist das einstige Verwaltungsgebäude des Forschungsinstitutes für Feuerfeststoffe in Meißen, in dem gespenstische Ruhe herrscht. Das Haus steht leer. Und es ist damit ein idealer Übungsplatz für eine Zugübung der Meißner Feuerwehr.

Sie beginnt außergewöhnlich. Antreten in Zweierreihe im Feuerwehrgerätehaus, dort wo man sich ohnehin jeden Dienstagabend trifft. Dann schweigt der Piepser, stattdessen übernimmt Uwe Schmidt das Kommando. Er ist der Einsatzleiter an diesem Abend. Explosion in einem Firmengebäude nach Bauarbeiten. Teile des Gebäudes stehen in Flammen, mutmaßlich Personen eingeschlossen. Mit diesen Fakten im Kopf steigen die Feuerwehrleute in ihre Einsatzfahrzeuge.

Mit schwerem Atemschutz geht es zum Erstangriff in den völlig verrauchten Gebäudeteil.
Mit schwerem Atemschutz geht es zum Erstangriff in den völlig verrauchten Gebäudeteil. © Claudia Hübschmann
Schon in voller Montur steigen die Retter aus dem Tanklöschfahrzeug. Sie haben 4000 Liter für den ersten Angriff dabei.
Schon in voller Montur steigen die Retter aus dem Tanklöschfahrzeug. Sie haben 4000 Liter für den ersten Angriff dabei. © Claudia Hübschmann
Über die Drehleiter, die voll ausgefahren eine länge von über 30 Metern erreicht, werden zwei Personen gerettet.
Über die Drehleiter, die voll ausgefahren eine länge von über 30 Metern erreicht, werden zwei Personen gerettet. © Claudia Hübschmann

Es geht zur Firma Rath. Das börsennotierte Unternehmen liegt im Triebischtal, hat österreichische Eigentümer und agiert weltweit mit seinen rund 600 Mitarbeitern. Das Thema Feuer ist für Rath ein alltägliches, fertigt man doch gerade am Meißner Standort Produkte, die in den Schloten von Beton- oder Stahlwerken zum Einsatz kommen. Die Vakuumfaserformteile filtern Schadstoffe aus den Abgasen, die dafür nicht extra heruntergekühlt werden müssen. Ein interessanter Markt vor dem Hintergrund sich ständig verschärfender Umweltvorschriften.

Gebäudebrände werden zur Königsdisziplin

Die Idee zu der Übung hatten Falk Grützmacher, der bei der Firma Rath arbeitet, Brandschutzbeauftragter ist, sowie Wehrleiter Frank Fischer. Fischer weiß um die Belastung seiner Kollegen, die allesamt ehrenamtlich aktiv sind. 310 Einsätze zählt die Statistik schon in diesem Jahr, das sind 100 mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. "Und da waren wir beim Großbrand in der Gohrisch Heide gar nicht mal dabei", so die neue Pressesprecherin Manuela Baumgart. Doch ein Gebäudebrand, das ist etwas Besonderes. Er sei eigentlich das Kerngeschäft der Retter und doch werde er immer mehr zur Königsdisziplin. Heulen die Sirenen doch weit öfter, um zu Verkehrsunfällen, Böschungsbränden oder zu Wohnungsöffnungen auszurücken.

Nun also ein Gebäudebrand. Keine zehn Minuten brauchen die Retter von der Feuerwache bis zum Werksgelände. Sirene und Blaulicht werden erst kurz vor der Schranke eingeschaltet. Die folgenden Handgriffe sind geübt. Helm auf, Handschuhe an, eine letzte Kontrolle des Atemschutzgerätes, dann geht es für die ersten beiden Retter durch das Treppenhaus in Richtung Brandherd. Aufpassen, dass sich der Schlauch nicht verheddert. Die Kameraden ächzen unter der Last ihrer Ausrüstung. Die Atemschutztechnik pfeift. Man kann förmlich hören, wie sich die Flaschen Luftzug um Luftzug leeren. Hinter der Tür lauert das Feuer. Die Sichtweite beträgt keine zwei Meter. Die Retter gehen in die Knie. Auf allen vieren robben sie durch den Flur. Öffnen eine ehemalige Bürotür nach der anderen auf der Suche nach den drei vermissten Personen. "Unsere Kameraden sind dabei immer zu zweit unterwegs. Gibt es bei einem Probleme oder die Sauerstoffflasche ist leer, drehen beide um", sagt Manuela Baumgart. Ein zweites Duo steht dann bereit, um zu übernehmen. Der Löschschlauch ist dabei immer im Anschlag. Der Umgang mit dem Wasser verlangt allerdings Fingerspitzengefühl. Denn Brandorte sind üblicherweise heiß und ein Liter Löschwasser verdampft zu einem Hundertfachen, was die Verbrennungsgefahr deutlich erhöht.

Warten auf den Einsatzbefehl

Dann, im Zimmer hinten rechts, treffen die Retter endlich auf zwei von drei gesuchten Personen. Eine liegt bereits regungslos am Boden. Es ist ein selbstgebastelter Dummy, gut 40 Kilogramm schwer. Sie heben erst den noch ansprechbaren "Werksmitarbeiter" und dann den Bewusstlosen auf die Drehleiter, die sich draußen in Stellung gebracht hat. Mit geübten Griffen wird der Rettungskorb zum Boden gebracht und die Erstversorgung kann beginnen.

Währenddessen herrscht auch hinter dem Gebäude eilige Betriebsamkeit. Schläuche werden ausgerollt und aneinander gekoppelt. Aus der Triebisch soll eine Löschwasserversorgung aufgebaut werden, weil in dem Übungsszenario durch die Explosion die Wasserversorgung über die Hydranten zerstört wurde. Kurz bevor der Gruppenführer "Wasser Marsch" rufen kann, gehen die Türen auf. Zwei Feuerwehrleute tragen die dritte gesuchte Person die Treppe herunter. Der Atemschutz pfeift, der Schweiß läuft, während neben dem Tanklöschfahrzeug fünf Kameraden stehen. Sie müssen auf ihren Einsatzbefehl warten und solange am Fahrzeug bleiben. "Es klingt komisch, aber bei der Feuerwehr muss man warten können", so Manuela Baumgart. Damit die Rettung koordiniert abläuft, entscheidet der Einsatzleiter, wer wann was zu tun hat.