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Seltene Insekten kehren nach Nossen zurück

Ein Gymnasium legt eine Blühwiese für den Insektenschutz an. Staatsminister Günther verkündete in Nossen: Das Projekt wird weiter gefördert.

Von Marvin Graewert
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Das Geschwister Scholl Gymnasium in Nossen hat einen blühenden Rückzugsort für Insekten geschaffen.
Das Geschwister Scholl Gymnasium in Nossen hat einen blühenden Rückzugsort für Insekten geschaffen. © Claudia Hübschmann

Nossen. Zwischen blauen Kornblumen und weißen Schafgarben leuchten rote Mohnblüten hervor. Eine prächtige Augenweide und doch nur ein Nebeneffekt. Bei der Initiative "Sachsen blüht" geht es weder um Duft noch Aussehen, sondern um das Surren, das in den letzten Jahren so sehr nachgelassen hat: "Innerhalb von 30 Jahren sind mindestens 75 Prozent der Insekten-Biomasse verschwunden", erklärt der sächsische Umweltminister Wolfram Günther (Grüne), der für die Insekten-Oase extra nach Nossen gekommen ist. Schließlich sind Insekten nicht die Nahrungsgrundlage für Vögel, Mäuse oder Eidechsen. "Da wir Menschen uns als Spitze der Nahrungskette begreifen, sollte uns der drastische Rückgang in so kurzer Zeit zu denken geben. So vielfältig wie die Ursachen für das Verschwinden der Insekten sind, so vielfältig müssen auch die Antworten darauf sein", sagt Günther.

Bis es so bunt blüht, ist es ein ganz schöner Aufwand notwendig. Allein die fast 2.000 Quadratmeter große Fläche umzubrechen, sei ohne die Unterstützung des Landratsamtes mit ihren Maschinen gar nicht möglich gewesen.
Bis es so bunt blüht, ist es ein ganz schöner Aufwand notwendig. Allein die fast 2.000 Quadratmeter große Fläche umzubrechen, sei ohne die Unterstützung des Landratsamtes mit ihren Maschinen gar nicht möglich gewesen. © Claudia Hübschmann

Da ist es nicht einfach damit getan, seinen Garten verwildern zu lassen - sprich einfach nicht mehr alle zwei Wochen zu mähen, wie das Wildblumenwiese-Projekt des Geschwister-Scholl-Gymnasium Nossen zeigt: Bereits seit 2015 wird die Wiese am Skatepark an der Muldenbrücke von den Schülern insektenfreundlich aufgearbeitet. Zum einen, um den Biologie-Unterricht praxisnaher zu gestalten. Vor allem ging es darum, etwas gegen das Insektensterben tun. "Doch die erwartete Zunahme der Arten wollte einfach nicht kommen", berichtet der verantwortliche Bio- und Chemielehrer Jörg Feustel. Bei den vorgefundenen Bedingungen, wie der Bodenbeschaffenheit oder den dominanten Pflanzenarten hätte sich die Klasse noch viel intensiver mit der Fläche beschäftigen müssen: "Mit 'Sachsen blüht' war die Gelegenheit gekommen, um der Artenvielfalt einen Schub zu geben." Obwohl die neue Blühwiese erst im Herbst 2020 angelegt wurde, gibt es bereits erste Erfolgsmeldungen: Der seltene Trauer-Rosenkäfer hat dort ein Zuhause gefunden.

Lässt sich der Trauer-Rosenkäfer durch Projekte wie diese wieder in Sachsen ansiedeln?
Lässt sich der Trauer-Rosenkäfer durch Projekte wie diese wieder in Sachsen ansiedeln? © Fachschaft Biologie Gymnasium

Die Initiative des Landtags gibt es seit fast zwei Jahren: Die Sächsische Landesstiftung Natur und Umwelt (Lanu) stellt dafür kostenlose Saatgutmischungen aus 45 verschiedenen Gräsern und Blumen zur Verfügung - auf jeder Wiese wird die gleiche Mischung ausgetragen. Aufgrund der unterschiedlichen Bedingungen der verschiedenen Standorte blüht jede Wiese anders. Mittlerweile sind so mehr als 300 Blühwiesen gesprossen - über zwanzig davon im Landkreis Meißen. Ganz besonders sticht die Wiese in Nossen hervor: Durch die zentrale Lage sorgt das Projekt in Nossen für Umweltbildung weit über den Bio-Leistungskurs hinaus.

Für die Schüler findet der Biologieunterricht - soweit es das Wetter erlaubt - auf der Blühwiese statt, um gleich mehren Fragestellungen mit einer wissenschaftlichen Herangehensweise auf den Grund zu gehen. Zum einen, ob der gesteigerte Aufwand in der Pflege dazu beiträgt, dass die Artenvielfalt zunimmt. Erste Erkenntnisse sind bereits Ende Juli zu erwarten, wenn der Leistungskurs neue Insekten und Pflanzen bestimmt und mit den Ausgangsdaten von 2015 vergleicht.

Schulleiter Bert Xylander begrüßte Kooperationspartner und Staatsminister Wolfram Günther an der Blühwiese.
Schulleiter Bert Xylander begrüßte Kooperationspartner und Staatsminister Wolfram Günther an der Blühwiese. © Claudia Hübschmann

Wie viel da ein paar Jahre ausmachen, ist bei einem langfristig angelegten Projekt unklar. "Das Projekt kann weitergehen", verkündete Umweltminister Wolfram Günther (Grüne) deshalb am Montag in Nossen. Die dafür erforderlichen Mittel seien im Haushalt der Landesregierung eingeplant: "Bald können neue Anträge gestellt werden."

Bewerben können sich Kommunen, Schulen, Firmen, aber auch Privatpersonen. Voraussetzung ist eine öffentlich einsehbare Wiese zwischen 1.000 und 2.000 Quadratmetern - oft ein Ausschlusskriterium. Mit Blick auf den Insektenschutz allerdings eine notwendige Größe, denn eine einzelne isolierte Blühwiese bringe für die Artenvielfalt wenig, erklärt Lanu-Sprecherin Andrea Gößl. Besser wäre es, wenn eine ganze Siedlung mitmachen würde. Denn genau darum geht es der Initiative: Nachahmer finden. In Nossen habe eine Familie schon damit begonnen und auch das Agrarunternehmen Starbach habe erste Blühwiesen angelegt.