SZ + Meißen
Merken

Immer mehr Kinder im Landkreis Meißen müssen ins Heim

Die Ausgaben für die Jugendhilfe im Landkreis Meißen steigen drastisch. Der Grund dafür ist ein trauriger.

Von Ines Mallek-Klein
 5 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Neue Plätze werden in den Kindergärten des Landkreises vorerst nicht entstehen, stattdessen soll vor allem in die bestehende Substanz investiert werden.
Neue Plätze werden in den Kindergärten des Landkreises vorerst nicht entstehen, stattdessen soll vor allem in die bestehende Substanz investiert werden. © Daniel Schäfer

Meißen. Zuletzt waren es Drillinge. Weil die Eltern mit der Versorgung der Kinder ganz offensichtlich überfordert waren, mussten sie aus der Familie genommen werden. Inobhutnahme heißt das im Amtsdeutsch. Das sei bei drei Kindern eine Herausforderung, zumal in einem Landkreis, in dem es nur zwei Häuser für die Unterbringung Minderjähriger gäbe, heißt es am Dienstagabend im Landratsamt Meißen. Die Mitglieder des Jugendhilfeausschusses waren zusammengekommen, um sich einen Überblick über die Jugendarbeit in ihrem Landkreis zu verschaffen, aber auch um über Investitionen in Kindergärten zu sprechen.

Pflegefamilien dringend gesucht

Zunächst zieht der Leiter des Kreisjugendamtes, Stefan Sári, Bilanz. Sie offenbart, dass die Jugendhilfe im Landkreis immer teurer wird. Das liege zum einen an einem erhöhten finanziellen Aufwand für die Betreuung Geflüchteter, beispielsweise aus der Ukraine. Hier werden in aller Regel die Elternbeiträge für die Kindergärten erstattet und das betrifft rund 230 Kinder im Landkreis. Doch auch die Zahl der sogenannten Inobhutnahmen steigt. "Hierfür geben wir keine Millionen aus, aber die Fallzahl wächst und damit auch die Ausgaben", so Stefan Sari. Zuletzt lagen sie bei knapp 600.000 Euro. Das fordert die Behörde. Es fehlt schlicht an dauerhaften Unterbringungsmöglichkeiten für die Kinder und so möchte Stefan Sári neue Pflegefamilien im Landkreis werben. Dafür ist ein eigener Aktionstag angedacht.

Gemessen am Gesamtetat der Jugendhilfe sind die Gelder, die für Inobhutnahmen ausgegeben werden, ein kleiner Betrag. Erst im September 2022 musste der Haushalt um 3,8 Millionen Euro aufgestockt werden, um die Mehrausgaben zu decken. Die Hilfen zur Erziehung explodieren geradezu. Eine wirkliche Erklärung hat Stefan Sári dafür nicht. Dass die Rückerstattung der Elternbeiträge deutlich gestiegen ist, dafür gäbe es schon Gründe. Im Oktober 2022 lagen rund 1.200 offene Anträge vor, die sich unter anderem auch deshalb angestaut hatten, weil in der Behörde die Arbeitskräfte fehlten. In den zurückliegenden Monaten konnte der Antragsberg deutlich abgebaut werden, aktuell seien noch 85 übrig, die in den nächsten Tagen beschieden werden sollen.

Langweilig dürfte den Sachbearbeitern nicht werden, denn die Zahl derer, die Anspruch auf die Rückerstattung der Kinderbeiträge haben, wird weiter steigen. Stefan Sári rechnet mit einer Verdopplung. Maßstab dafür sei die wachsende Zahl von Wohngeldbeziehern. Sie habe sich mit der Neuordnung zu Jahresbeginn im Landkreis verdreifacht.

Ein Thema in der Jugendhilfe ist auch immer öfter die Eingliederungshilfe nach Paragraf 35 a. Gab es 2019 nur 67 Fälle landkreisweit, waren es 2022 schon 109. Diese Gelder stehen Kindern und Jugendlichen bis zum 21. Lebensjahr zu, die seelisch beeinträchtigt sind, beziehungsweise denen eine entsprechende Einschränkung drohe. Der Antrag erfordert ein entsprechendes Gutachten, liege das vor, müsse das Amt die Gelder entsprechend auszahlen. Stefan Sári sieht die Entwicklung mit Sorge, denn die Unterstützung versehe die Kinder mit einem Stempel, "den sie ihr Leben lang nicht wieder losbekommen werden".

Mehr Gelder für Kitasanierung

Im Landkreis Meißen leben derzeit 60 unbegleitete minderjährige Asylbewerber. Das sind acht weniger als der Landkreis aufnehmen müsste. Der Bedarf wäre da, aber es fehle schlichtweg an Plätzen, sagt Stefan Sári. Meißen zähle damit zu den drei Landkreisen sachsenweit, die ihre Auflagen in dem Bereich aktuell nicht erfüllen. Das soll sich ändern. Man werbe gerade bei den Jugendhilfeträgern in der Region, zusätzliche Plätze zu schaffen, so Sári. Gelinge das nicht, droht dem Landkreis die Auflage, einen eigenen Träger zu gründen, was wiederum mit zusätzlichen Kosten verbunden sei.

Erfreuliche Nachrichten gab es indes aus Dresden. Der Freistaat hat kurz vor Weihnachten 2022 mitgeteilt, dass weitere knapp 13 Millionen Euro zur Verfügung stehen, um Kindergärten sachsenweit zu erweitern oder zu sanieren. Für den Landkreis Meißen bedeutet das zusätzliche Investitionsmittel von rund 1,2 Millionen Euro, ergänzend zu den rund 920.000 Euro, die bereits im Vorfeld bewilligt worden waren. Gemessen an einem Sanierungsbedarf von insgesamt 55,9 Millionen Euro, die sich auf 58 Objekte verteilen würden, sei diese Geldsumme allerdings relativ. Der Vorteil sei, dass man die Gelder in diesem und in den beiden Folgejahren ausgeben könne.

Die zusätzlichen Gelder sollen nun an sechs Objekte vergeben werden. In der Riesaer Kita am Lerchenweg ist eine Dachsanierung geplant, im Wildberger Kinderland in Klipphausen wird die Trinkwasserleitung getauscht und in Zeithain muss in der Kita Groß&Klein das Brandschutzkonzept umgesetzt werden. An der Kita Sonnenschein in Lommatzsch sind Dachreparaturen geplant, während sowohl am Kinderkreis in Radebeul als auch in der Nossener Kita Regenbogen weitere Brandschutzmaßnahmen geplant sind. Inklusive der Eigenanteile belaufen sich die Investitionssummen auf insgesamt 1,6 Millionen Euro.

Bereits im September vergangenen Jahres hatten die Mitglieder des Jugendhilfeausschusses folgende Maßnahmen beschlossen: In Radeburg wird die Villa Regenbogen ein neues Dach erhalten und auch die Abwasserleitungen müssen erneuert werden. In Radebeul wird das Außengelände des Kindergartens Thomas Münzer neu gestaltet. In der Wülknitzer Spielburg ist die Einrichtung eines Kinderbistros für dieses Jahr geplant und im Großenhainer Kinderhaus Bobersberg wird über eine Außentreppe ein zusätzlicher Fluchtweg geschaffen. Die Spitzgrundspatzen in Coswig sollen voraussichtlich 2024 einen zweiten Rettungsweg und auch neue Brandschutzanlagen erhalten.