SZ + Meißen
Merken

Kommentar: Schluss mit dem Irrglauben vom günstigen Osten

Rentnern im Osten geht es besonders gut - das geht aus der Studie von Prognos hervor. Doch das Ergebnis verschleiert, wie die finanziellen Verhältnisse im Osten wirklich aussehen. Ein Kommentar.

Von Natalie Stolle
 3 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Redakteurin Natalie Stolle will mit dem Irrglauben vom günstigen Osten auräumen.
Redakteurin Natalie Stolle will mit dem Irrglauben vom günstigen Osten auräumen. © Claudia Hübschmann

Erst letzte Woche gab es die Meldung, die Kaufkraft von Rentnern im Osten sei stärker ausgeprägt, ergo die Rentner hier hätten mehr von ihrer Rente. Die Studie vom Wirtschaftsforschungsunternehmen Prognos ist schwierig zu verstehen, gerade weil die Ergebnisse so vieles auslassen. Und weil die Zahlen des Rentenatlas von 2023 wiederum eine ganz andere Sprache sprechen. Sachsen ist ebenso wie die restlichen Bundesländer aus dem Osten das Schlusslicht bei der Höhe der Rente.

Was die Prognos-Studie aus meiner Sicht gänzlich vernachlässigt, sind die Faktoren Vermögen und Inflation. Das persönliche Vermögen, das sich einige im Laufe des Lebens aneignen konnten, wird komplett außer Acht gelassen, dabei ist doch gerade das oft entscheidend. Wenn Vergleiche zwischen Ost und West aufgestellt werden, warum wird dann nicht mal erwähnt, dass viele im Osten nach der Wende ihren Job verloren haben, dass in der DDR Rentenpunkte teilweise anders berechnet wurden. Und wie man die Inflation bei einer solchen Berechnung außen vor lassen kann, ist mir gänzlich rätselhaft. Die Schlagworte „Den Rentnern im Osten geht es besser“ aus der Studie stimmen in vielen Punkten nicht und vermittelt wieder einmal ein völlig falsches Bild von Ost und West.

Denn die Wahrheit ist, die Mieten steigen auch im Osten. Die Preise für Essengehen, Einkaufen, Strom und Wasser sind auch hier gestiegen und machen es manchem schwer, überhaupt noch durchzukommen. Und – was ja gern in der Debatte vergessen wird – die Gehälter sind nicht auf dem gleichen Niveau wie im Westen. Einem Menschen, der noch arbeiten geht, dem kann man leicht mal sagen: Dann such dir doch einen besser bezahlten Job oder geh halt in den Westen. Aber Rentner sind viel eingeschränkter, sie haben ihr ganzes Leben gearbeitet und kommen dann im Alter auf einmal in finanzielle Bedrängnis. Es kann einfach nicht sein, dass das der Dank ist für ein Leben in ständiger Arbeit.

Und der Blick in die Zukunft ist auch nicht besser. Ich erinnere mich, ich war noch in der Schule, da wurde mir schon gesagt: Du wirst keine Rente mehr bekommen. Für mich ist das Gewissheit, ich bin Jahrgang 95, ich habe keine Ahnung, was mich erwarten wird, wenn es so weit ist.

Diese Unsicherheit auszumerzen, Klarheit zu schaffen für die jetzige Rentnergeneration und die darauffolgenden – das ist die Aufgabe der Politik! Studien wie die von Prognos beruhigen nämlich keineswegs die Leute, die sich berechtigt Sorgen machen, um ihr Leben im Alter. Vor allem aber muss endlich Schluss sein mit dem Irrglauben des günstigen Ostens. Auch das ist mittlerweile nur noch Augenwischerei, die die Realität verschleiert.

E-Mail an Natalie Stolle