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Meißen: "Ich bin wertvoll!" Selbstwerttraining an der Afra Grundschule

Coach Sylvia besuchte die vierte Klasse der Afra Grundschule für ein besonderes Selbstwerttraining. Ängste ausdrücken, Sorgen abschütteln, positive Botschaften verinnerlichen, stand auf dem Stundenplan.

Von Natalie Stolle
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Coach Sylvia erzählt mit viel Elan, was für einen Einfluss das Selbstwertgefühl auf das eigene Leben haben kann. Die Kinder hören interessiert zu und arbeiten gern mit.
Coach Sylvia erzählt mit viel Elan, was für einen Einfluss das Selbstwertgefühl auf das eigene Leben haben kann. Die Kinder hören interessiert zu und arbeiten gern mit. © Claudia Hübschmann

Meißen. Es klingelt zur nächsten Stunde und die Kinder beeilen sich, rechtzeitig zu ihren Klassenzimmern zu kommen. Doch statt Deutsch und Mathe steht bei der vierten Klasse der Afra Grundschule heute Morgen ein anderes Fach auf dem Plan. Selbstwertgefühl.

Coach Sylvia sitzt an der Spitze des Stuhlkreises und führt statt Frau Hanke durch den Unterricht. Zunächst einmal muss sie den neugierigen Kindern aber erklären, worum es heute eigentlich geht und wer sie ist.

"Ich helfe Menschen, glücklich zu sein und zu werden", erklärt sie freundlich. Doch dass das Glück nicht von ungefähr kommt und hart erarbeitet werden muss, das lernen die Jungen und Mädchen zwischen neun und zehn in den nächsten drei Stunden.

Lob und positive Bestätigung

Erst einmal werden sie jedoch aufgefordert, ihre Ängste zu benennen und von Verletzungen, die sie sowohl körperlich als auch seelisch in ihrem jungen Leben schon erfahren mussten, zu berichten. Die Schüler sind eifrig bei der Sache, jeder will einmal etwas sagen. Der eine hat Angst vor der Dunkelheit, der andere vorm Fliegen mit einem Flugzeug. Aber viele sagen auch, sie haben Angst, vor der Klasse zu sprechen. "Jetzt gerade sprichst du doch vor der Klasse. Siehst du, wie gut du das gemacht hast?", sagt Coach Sylvia und alle applaudieren dem mutigen Sprechenden.

Mit viel Lob und positiver Bestätigung spricht Coach Sylvia zu den Kindern, aber eben nicht von oben herab. Sie geht auf die Ängste und Sorgen ein, so gut wie sie kann. Es zeigt sich, auch diese jungen Kinder, die in der Pause herumtollen und ausgelassen wirken, haben schon Ängste, die sie begleiten.

Die Kinder wollen mehr umarmt werden

Gerade bei dem Thema Mama und Papa werden die Kindermienen oftmals traurig. Sie berichten von Eltern, die sich ständig zanken. Coach Sylvia fragt, wie sie sich dabei fühlen. Allein, zerrissen, es sei normal, dass sich die Eltern streiten, lauten die Antworten.

Aber auch der Umgang mit den Eltern ist nicht immer einfach. In der Runde wünschen sich die Kinder mehrstimmig, öfter in den Arm genommen zu werden. Couch Sylvia ermuntert sie, diese Wünsche gegenüber den Eltern deutlicher auszudrücken und falls nicht darauf eingegangen wird, sich einen kleinen Helfer zu suchen.

Das Lebensgefäß

Der Helfer kann ein Kuscheltier zum Knuddeln sein, ein Superheld oder eine Person aus dem wahren Leben, der man sich anvertraut. Coach Sylvia macht den Kindern klar, auch die Eltern haben manchmal ihre eigenen Sorgen und Probleme. Trotzdem können die Kinder was für sich tun, um sich selbst besser zu fühlen.

Anhand einer Tasse erklärt sie, dass jeder Mensch am Anfang ein leeres Gefäß sei, dass durch Glaubenssätze und Erfahrungen im Lauf des Lebens gefüllt wird. Die Kinder dürfen anschließend Herzen basteln und lernen dabei, dass ein Herz, das durch Verletzungen oft geknickt wurde, nie wieder glatt und rein sein kann, wie vorher. Eben deswegen, erklärt Coach Sylvia, sei es so wichtig, das eigene Gefäß mit den richtigen Sätzen zu füllen. Damit das Herz nicht verkümmert.

Die Sorgen wegtanzen

Aber zuerst müssen die negativen Gefühle raus. Es wird getanzt und gestampft, bis der Boden des Klassenzimmers wippt. Vergessen sind die Ängste, von denen gerade noch die Rede war. Ein Mädchen ist so ausgelassen, dass sie auch in der Pause nicht aufhören will zu tanzen. Begeistert erzählt sie Coach Sylvia: "Ich bin jetzt richtig ausgelastet!"

Nach dem Tanzen wird aber direkt weitergearbeitet. Die Schüler sollen sich zu zweit zusammenfinden und sich gegenseitig sagen, was sie am anderen toll finden. Die Aufforderung der Klassenlehrerin, jeder Junge solle sich doch ein Mädchen suchen und andersrum, wird mit einem Aufstöhnen kommentiert. Gerade die Jungs sind nicht begeistert und verstecken sich lieber.

Der Schutzengel begleitet

Trotzdem wird die Übung ein Erfolg. Am Ende stehen auf den zuvor zerknitterten Herzen Botschaften wie "Du bist lustig und freundlich" oder "Du hilfst mir immer bei den Hausaufgaben." Die Lehrerin macht ebenfalls mit und flüstert ihren Schülern wertschätzende Botschaften zu.

Auch im Alltag sollen die Kinder mal tanzen und ihre Sorgen abschütteln, rät Coach Sylvia. Doch neben der Bewegung sollen sie auch laut die Botschaften aussprechen, die sie stärken. "Ich bin wertvoll!" – "Ich bin gut so wie ich bin!" schallt es durch den Raum.

Zum Abschluss des Trainings führt Coach Sylvia durch eine Meditation, bei der sich die Kinder entspannen sollen. Sie bekommen einen kleinen Schutzengel, der auf sie Acht geben soll, und eine Hausaufgabe, die ihnen langfristig helfen soll. Nicht jeder ist begeistert bei der Aussicht auf Hausaufgaben, aber alle machen die Übung mit, bei der sie aufschreiben sollen, was sie heute schon für Erfolge hatten und wofür sie dankbar sind. Um ein gutes Selbstwertgefühl aufzubauen, sollen sie das jeden Abend fortführen.

Angst und Gedanken müssen durchbrochen werden

Trotz ein paar unruhigen Schülern gegen Ende zeigt sich, dass viele großes Interesse an dem Austausch mit der Trainerin haben und gern mitgearbeitet haben. Für Coach Sylvia war es das erste Training mit Kindern, sie beurteilt es aber sehr positiv.

"In dem Alter können Kinder ihre Gefühle schon ausdrücken. Es ist sehr wichtig, Angst und Gedankenmuster früh zu durchbrechen", erklärt sie. Mit ihrer einfühlsamen Art und den kindgerechten Erklärungen, hat sie schnell das Vertrauen der Kinder gewonnen. Gerade die Schülerinnen scharen sich nach der ersten Pause um sie und bleiben wissbegierig.

"Ich fühle mich jetzt freier und offener", sagt ein Mädchen strahlend. "Ich habe mehr Vertrauen", so ein anderes. Die Schüler werden in die Pause entlassen, doch es entsteht der Eindruck, dass sich zumindest für einige der Tag und das eigene Gefühl heute gebessert haben.