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Nossen: Preisgekrönte Rinderzucht im Einklang mit der Natur

Auf dem Biohof in Mahlitzsch werden die Milchkühe mit Achtung gehalten. Jetzt hat Nikola Burgeff einen Tierzuchtpreis erhalten.

Von Uta Büttner
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Nikolai Burgeff füttert im Stall des Hofes Mahlitzsch die Kühe Euritrea, Lorelei und Vespa.
Nikolai Burgeff füttert im Stall des Hofes Mahlitzsch die Kühe Euritrea, Lorelei und Vespa. © Claudia Hübschmann

Nossen. Es ist Futterzeit im Stall auf dem Hof Mahlitzsch. Euritrea, Lorelei und Vespa kommen diesmal als erste in den Genuss. Nikola Burgeff, einer der drei Gesellschafter des biologisch-dynamisch geführten Hofes, bringt ihnen das Heu. 80 Kühe und ihre Nachzucht leben in dem 2.500 Quadratmeter großen Stall.

Sofort ins Auge fallen die vielen Kälber. Sie werden nicht mit der Flasche aufgezogen. Ammenkühe kümmern sich um sie. So bekommen sie die Milch direkt aus dem Euter und ihre Amme achtet darauf, dass es ihnen gut geht. Gerade wird ein Kalb geleckt. „Die Kuh prüft am After, ob alles in Ordnung ist und leckt es auch sauber“, sagt Burgeff. Je nach Stoffwechselveränderungen könne die Kuh die Milch auch verändern, erklärt er. Stundenlang könnte man dem Kalb mit seiner Amme zuschauen. Und auch der Blick in die Weite des Stalls hat fast etwas Meditatives. „Unser hohes Ziel ist es, hier Ruhe zu haben“, sagt der Landwirt.

Das kleine Kalb ist – wie fast alle Tiere auf dem Hof – auf natürlichem Weg gezeugt worden. Dafür gibt es auch zwei Bullen in Mahlitzsch. Warum geht der Demeter-Hof diesen Weg und wählt nicht die künstliche Besamung? Burgeff erklärt, „es ist ein Bild: Zwei Tiere kommen zusammen. In dem Deckakt findet etwas statt, was zu neuem Leben führt. Und dann gibt es das Gegenbild.“ Bei diesem geben die Bullen den Samen ab, der werde 500 mal geteilt, tiefgefroren, transportiert, aufgetaut und mit einer Pipette direkt in die Gebärmutter eingebracht. „Das kann nur die Notlösung sein“, sagt er. Das Arbeiten mit Bullen komplettiere das Bild so wie es die Natur anbietet.

Weidearbeit und „Schlachtung mit Achtung“

Natürlich könne nicht alles wie in der Natur erfolgen, schließlich gehe es darum, Milch zu produzieren. So wachsen die Kälber zum Beispiel nicht bei ihren eigenen Müttern auf, sondern bekommen nach drei bis vier Tagen immer eine Amme. Der Grund, so erklärt Burgeff, das Muttertier würde immer ihr eigenes Kalb bevorzugen. Trennungsschmerz, so glaubt er, gebe es bei den Kälbern eher nicht.

Beim Muttertier sehe das anders aus. Es könne auch einmal einen Tag lang brüllen. Wobei nicht klar sei, ob nur vor Schmerz oder weil es nach ihrem Kleinen ruft. „Wir müssen damit umgehen. Aber wir sind auch dabei an einer Lösung dran“, erzählt er. Die Kälber leben 120 Tage bei der Amme. „Es ist schlimm genug, dass auch bei uns das Kalb nicht bei der Kuh bleibt, bis die Kuh sagt: genug. Auch wir verkürzen die Zeit. Aber die erste Lebensphase, die sie bei uns bekommen, ist am schönsten.“

Jedes Jahr muss eine Kuh kalben, „damit die Milch nicht versiegt.“ Im Alter von drei Jahren werde begonnen. So bekommt eine Kuh in ihrem Leben in Mahlitzsch bis zu zehn Kälber. Die männlichen Tiere werden nach vier Wochen an drei befreundete Betriebe verkauft. Ein Teil werde auch behalten.

In der Vegetationszeit haben es die Tiere am besten. Dann geht es täglich hinaus auf das 25 Hektar große Grünland. „Die Weidearbeit ist ein großer Aufwand“, sagt Burgeff. Aber das gehört für die Hofbetreiber zum natürlichen Leben einer Kuh genauso dazu wie deren Hörner. In vielen Betrieben sei es normal, Kälber nach vier bis sechs Wochen zu enthornen. „Für uns ist es wichtig, dass die Hörner dranbleiben. Es ist die Krone der Kuh. Darin liegt auch ihre Würde.“

Schadet Rinderzucht dem Klima in großem Umfang?

Ständig machen sich die Inhaber Gedanken, wie es den Tieren gut gehen kann – im Einklang mit den Betriebsabläufen. „Seit eineinhalb Jahren töten wir sogar hier im Stall, weil es für eine Kuh nicht adäquat ist, sie nach zehn Jahren Milchgeben auf einen Hänger hochzujagen, auf dem sie dann noch lange Strecken zurücklegen muss“, sagt Burgeff.

Denn diese Angst, diesen Stress, den die Tiere dabei haben, sehe man sogar: Sie seien „verschissen und unheimlich verschwitzt.“ Der Wunsch, diesen schweren Gang den Kühen zu ersparen, war schon lange da – nun konnte er umgesetzt werden. Dazu hat sich der Mahlitzscher Betrieb mit zwei anderen Landwirten eine Vorrichtung gekauft. Auch Burgeff selbst setze den Bolzenschuss. Gefühlsmäßig sei dieser Schritt eine Mischung aus schwer und nicht schwer. „Ich sage dabei zur Kuh: Toll, dass du so lange bei uns warst, und ich bin voller Dankbarkeit. Wir sagen, das ist Schlachtung mit Achtung.“

Und wie geht Nikola Burgeff mit dem Vorwurf der Rinderzucht als Klimakiller um? Die Kühe in der Landwirtschaft hätten mit weniger als zehn Prozent den kleinsten Anteil, erklärt er. Zudem sei ein ökologisch bewirtschaftetes Grünland ein richtig guter CO₂-Speicher, „viel effektiver als Wald“, sagt er. Denn das Pflanzenabreißen der Kühe sorge dafür, dass die Pflanze ihre Wurzel noch tiefer setze und das bedeute, dass noch mehr CO₂ im Grünland gespeichert werden könne. Zudem, so sagt er, sei Kuhmist „das Gold der Bauern“. In der richtigen Dosierung auf die Felder gebracht, sorge es für die Grundfruchtbarkeit der Böden.

Kürzlich erhielt Nikola Burgeff den Erhard-Braune-Tierzuchtpreis von der Rinderzuchtgemeinschaft Großenhain (RZG). Seit 27 Jahren werden jährlich Züchter und Aktivisten der Landwirtschaft ausgezeichnet. „Er erhielt den Preis für sein züchterisches Wirken mit Fleckvieh und dem Aufbau eines vorbildlichen und erfolgreichen Biobetriebes in der Region, der dieses Jahr ebenso wie die Rinderzuchtgemeinschaft Großenhain 30 Jahre existiert“, teilte RZG-Vorsitzender Tilo Eysold mit. „Ich fühle mich, stellvertretend für den ganzen Betrieb, unheimlich geehrt. Es ist eine große Anerkennung“, sagte Nikola Burgeff.