Meißen/Coswig. Warum grillt hier noch jemand, im Oktober? Michael Neumann kann sich genau daran erinnern, was ihm durch den Kopf ging in jenen Moment, als er am Nachmittag des 29. Oktober 2023 – einem Sonntag – in der Coswiger Lutherstraße den Rauch wahrnahm. Er hatte ihn von seinem Auto aus gesehen – auf dem Rückweg von Moritzburg, wo er seine Tochter und deren Freundin gerade vom Reiten abgeholt hatte. Wenige Augenblicke später hielt er an und fuhr zurück. „Da hatte ich realisiert, dass es in der Wohnung lichterloh brannte“, erinnert sich der 48-jährige Tischler aus Coswig. Und: „Im Feuerschein sah ich auch eine Person, eine Omi am Rollator“, so Michael Neumann.

Der 91-Jährigen hat er das Leben gerettet. Nicht nur, dass alle drei Insassen aus dem Auto sprangen, und Michael Neumann vor dem Haus Passanten zurief, die Feuerwehr zu rufen. „Wir rannten durch eine Hecke hindurch zum Hauseingang“, berichtet Emma Schmiel. Die 17-Jährige folgte dem Vater ihrer Freundin ins Treppenhaus. Hier war der Brand noch nicht bemerkbar. Beide alarmierten die anderen Bewohner, riefen ihnen zu, das Haus schnellstens zu verlassen und sich in Sicherheit zu bringen.

Als Michael Neumann und Emma Schmiel die Tür zur Wohnung der Dame im Erdgeschoss öffneten, kam ihnen dicker Qualm entgegen. Mit dem Pullover über Mund und Nase rannte Michael Neumann in die Küche – auf die Frau zu, die in diesem Moment apathisch und orientierungslos wirkte. „Gemeinsam haben wir sie aus der Wohnung gebracht“, erinnert er sich. Draußen waren inzwischen Retter eingetroffen, die sich um die Dame kümmerten, ebenso um Michael Neumann und Emma Schmiel.

Aller Ehren wert

"Sie haben der Frau das Leben gerettet", sagt Peer Barthel. Gemeinsam mit Landrat Ralf Hänsel hat der Chef des Meißner Polizeireviers Emma Schmiel und Michael Neumann eingeladen, um sich bei beiden zu bedanken. „Das ist heute nicht selbstverständlich“, fügt er hinzu. Auch Landrat Ralf Hänsel hebt das Besondere hervor, das die beiden geleistet haben – und damit haben sie auch ein Gegenbeispiel zum allseits beklagten vermeintlichen Egoismus gesetzt. Das ist aller Ehren wert, würdigt der Landrat. Mit den herzlichen Worten zum Dank verbunden sind Blumen und Gutscheine zum Einkauf für die beiden Lebensretter

Bei einem Kaffee ist auch Zeit, um sich gemeinsam an jenen Sonntagnachmittag vor einigen Wochen zu erinnern. Der älteren Dame war ein Missgeschick in ihrer Küche unterlaufen, sodass am Herd ein Feuer ausbrach. Mehr als 40 Feuerwehrleute und über 20 Rettungskräfte waren schnell vor Ort, um den Brand zu bekämpfen und den Betroffenen zu helfen. Nachdem das Feuer in der Erdgeschosswohnung gelöscht war, konnten die anderen Bewohner des Hauses in der Coswiger Lutherstraße in ihre Appartements zurückkehren.

Emma, die in Leipzig eine Ausbildung zur radiologischen Assistentin absolviert, musste zwei Tage im Neustädter Krankenhaus in Dresden verbringen, nachdem die Retter sie wegen des Verdachts auf eine Rauchgasvergiftung dort eingewiesen hatten. Das habe sie damals gar nicht bemerkt, erinnert sie sich. Erst mit einigem Abstand hatte sie das Erlebte verarbeitet. „Aber ich würde wieder so handeln – genau so“, sagt sie fest entschlossen.