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Achtzehneinhalb Tennisbälle zum Jubiläum

Tischtennis wurde im kleinen Lossen einst groß geschrieben. Elf Männer halten bis heute durch. Seit genau 50 Jahren.

Von Jürgen Müller
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Jeden Montagabend treffen sich die Lossener Tischtennisfreunde wie hier Harti Enold aus Schleinitz (links) und Michael Hoffmann aus Lossen im dortigen Gasthof zum Training.
Jeden Montagabend treffen sich die Lossener Tischtennisfreunde wie hier Harti Enold aus Schleinitz (links) und Michael Hoffmann aus Lossen im dortigen Gasthof zum Training. © Gerhard Schlechte

Nossen. Der Montagabend ist fest verplant. Punkt 18.30 Uhr geht es rund im Gasthof Lossen.  Elf Männer stehen an den Tischtennisplatten und jagen eine kleine, weiße Kugel hin und her. Der jüngste ist 40 Jahre alt, der älteste 78. Das Durchschnittsalter liegt bei über 60 Jahren. Es sind die elf Wackeren von Lossen, welche die Tradition der Landsportgemeinschaft bis heute aufrecht erhalten. Sie haben ein großes Ziel vor Augen.  Am 7. Dezember 1970 wurde die Landsportgemeinschaft Lossen gegründet. Bald besteht sie also seit einem halben Jahrhundert. Und der eine oder andere ist von Anfang an dabei. 

Schon lange dabei  ist Harry Werner, der heute der Vereinsvorsitzende ist. "Zwischen 1970 und 1980 hatten wir mal rund 20 aktive Sportler,  die in zwei Männermannschaften trainierten und spielten", erinnert er sich.  Dadurch entstanden Platzprobleme im damaligen Kulturhaus Lossen, dem heutigen Gasthof. Schon damals trainierten die Tischtennissportler dort. Es standen aber zu wenige Tischtennisplatten zur Verfügung. Deshalb wurde damals zeitweise die gerade gebaute Sporthalle in Leuben für das wöchentliche Training und die Punktspiele genutzt.     

Trainingspartner und Punktlieferant

1971 beteiligte sich die LSG erstmals am Punktspielbetrieb mit einer Herrenmannschaft in der Kreisklasse Meißen, später kam eine zweite Männermannschaft dazu. Waren die Lossener anfangs oft nur Trainingspartner und Punktlieferanten für die gestandenen Mannschaften in der Kreisklasse, änderte sich das bald. Urkunden belegen einen zweiten und einen vierten Platz. Bei den Kreismeisterschaften belegte das Herren-Doppel den zweiten Platz. Mitte der 1970er Jahre nahmen auch Kindermannschaften der LSG an Kreismeisterschaften teil. 1976 holten die Mädchen die Goldmedaille, die Jungen erspielten sich Bronze. 

Davon können die Lossener heute nicht mal mehr träumen. Mit einem "schwärmerischen Auge" sieht Bernd Hoffmann, seit 1972 dabei und mit 78 Jahren das älteste Vereinsmitglied, auf das, was mal war.  "Als die Schule in Leuben geschlossen wurde, waren auch die Kinder und die Jugendlichen weg", bedauert er. Doch nicht nur sie. Auch bei den Erwachsenen gab es in den Jahren nach 1990 einen Mitgliederschwund.

 "Zentralisierte Ausbildungsorte, Wohnortwechsel wegen der Arbeit und der Abbau der Infrastruktur im ländlichen Raum zeigten ihre Wirkung", sagt Bernd Hoffmann.  Stark heruntergefahren worden sei auch die Unterstützung der Gemeinde, vor allem in den letzten Jahren. "Die kleine Gemeinde Leuben hat uns einst mehr unterstützt als heute die große Stadt Nossen", so der 78-Jährige. 

Die Folge war, dass sich die Landsportgemeinschaft Lossen vor drei Jahren aus dem Punktspielbetrieb zurückzog. Besser: zurückziehen musste.  Bei den Mannschaftsaufstellungen für die Punktspiele fehlten im Winterhalbjahr oft Stammspieler. Ersatzspieler mussten nachrücken, konnten aber das Problem nicht lösen. Der Verein hatte nur noch sieben aktive Spieler.

 Zu manchen Punktspielen kamen die benötigten vier Akteure nicht zusammen. Spielverlegungen mussten beantragt werden. Hinzu kamen politische Entscheidungen, welche die Tischtennisfreunde finanziell belasteten. Durch die Kreisreformen wurden der Kreis und damit die Wege zu den Spielen immer größer. "Wir mussten mit unseren privaten Pkw bis nach Riesa oder Lampertswalde fahren", sagt der Vereinschef. Schließlich traf man die schmerzvolle Entscheidung, sich aus dem Punktspielbetrieb zurückzuziehen.

Wie eine große Familie

Die wackeren elf Verbliebenen trainieren weiterhin jeden Montag im Gasthof Lossen. Inhaber Wolfgang Möllendorf ist nicht nur der Inhaber des Gasthofes, sondern auch Vereinsmitglied und sozusagen Hauptsponsor. Er stellt den Raum für das Training kostenlos zur Verfügung. Manch anderes ist geblieben: "Der alte Teamgeist in der Mannschaft und die Freude am Sport einen uns", sagt Kassenwart Otto Albrecht. Und die Vereinsarbeit, die auch die Familienmitglieder mit einbezieht. "Wir sind wie eine große Familie", sagt Harry Werner.

 Und diese Familie organisierte einst gemeinsame Fahrten. Mit dem Robur-Bus der Gemeinde Leuben ging es beispielsweise 1972 ins Riesengebirge, später mit den Pkws nach Budapest und in die damalige CSSR. 1976 fand im Kulturhaus Lossen ein großer Sportlerball mit vielen Tischtennisvereinen aus dem Landkreis Meißen statt. "Wir haben bis früh um Viere gefeiert. Alle, die dabei waren, schwärmen heute noch davon", sagt Bernd Hoffmann.

Auch heute noch gibt es Weihnachtsfeiern mit den Familien, Kegelabende, Ausflüge, Wanderungen.  "Diese Vereinsarbeit fördert den Zusammenhalt der Menschen im dörflichen Raum. Damit ist sie ein kleiner Baustein der verbliebenen Struktur auf dem Land", findet Hoffmann.  

Auch das 50-jährige Bestehen soll zünftig gefeiert werden, so es Corona zulässt. Ansonsten wird das Jubiläum nachgeholt. In einem sind sich die wackeren Elf aber einig: Mit 50 ist noch lange nicht Schluss. "Wir spielen weiter Tennis aus Spaß an der Freude und auch,  um im Alter fit zu bleiben", sagt Bernd Hoffmann. 

Bei so viel Tradition wollte sich  auch die Stadt Nossen,  zu der Lossen seit ein paar Jahren gehört, nicht lumpen lassen und gab einen Zuschuss zum Jubiläum: 50 Euro. Die Lossener überlegen, was sie mit dem Geld alles anfangen werden. Der Kassenwart hat schon eine Idee: "Das reicht für 18,5 Tennisbälle." 

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