Was bringt die schwarze Wundererde aus Meißen?

Meißen. Das Basilikum war einmal verschrumpelt und gelb, jetzt ist es buschig, grün und schmeckt außergewöhnlich aromatisch – neue Kraft habe die Pflanze aus Horst Wagners Wundererde geschöpft.
Ursprünglich hatte der Meißner mehr mit Flugzeugtechnik als mit Gartenbau zu tun. Doch mit der Wirtschaftskrise und einer Fernseh-Doku über tiefschwarze Amazonas-Erde - deren außergewöhnlich hohe Bodenfruchtbarkeit die Wissenschaft vor ein Rätsel stellte und Wagners Interesse weckte - drehte sich der Wind.
Als Wagner auf Kurzarbeit null gesetzt wurde, fing der Maschinenbauer an, auf dem Firmengelände Euro-Paletten aufstellen. Zum Schluss gärten in 45 Kompostboxen verschiedenste Zusammensetzungen vor sich hin. Der 60-Jährige dokumentierte die Unterschiede: "Ich wollte unbedingt verstehen, wieso der Amazonasboden stellenweise über eine so außergewöhnliche Fruchtbarkeit verfügt", sagt Wagner, der schnell Holzkohle als entscheidenden Zusatzstoff identifizierte, wenn es um außergewöhnlich fruchtbare Erde geht – ganz ohne zu wissen warum.
Doch die Ergebnisse der besonders dunklen Erde - die deshalb Terra-Preta genannt wird - sprechen für sich und wurden von unabhängigen Waldbewohnern bestätigt: In einem Testbeet pflanzt Wagner Radieschen – einmal mit und einmal ohne seinen Holzkohledünger an. Die Radieschen wuchsen mit Wagners Dünger - dem nur Kohle und Kräuterwasser zugegeben wird - doppelt so hoch: "Nach ein paar Tagen kamen Rehe und haben nur an den großen Radieschen geknabbert. Die anderen haben sie nicht angerührt."
Wagners Dünger riecht schon anders, ein bisschen wie Waldboden und rieselt fein durch die Hand. Ganz anders als Baumarktdünger, wo oft noch Hackschnitzel spürbar sind. Große Komposteure würden diese Qualität nie hinbekommen, sagt Wagner voller Überzeugung. Schon allein, weil sie eine viele höhere Temperaturführung fahren würden. Wobei die anhaltende Hitze auch Wagner zu schaffen macht: "Sobald Grünzeug trockenfällt, hören alle biologischen Prozesse auf", unterstreicht Wagner.
Wissenschaftlich unerklärbar
Seit zehn Jahren fährt Wagner deshalb mit seinem Dünger von Fachtagung zu Fachtagung, um sich seine Erfahrungen von Experten bestätigen zu lassen: "Nur um zu hören, dass sie keine drei Prozent von dem verstehen, was in meinem Kompost vor sich geht", sagt Wagner, der sich dabei auf eine EU-Beraterin beruft. Die Wissenschaft ist dennoch fasziniert, ein ähnliches Projekt aus Österreich wurde bereits 2016 mit dem Triloler Regionalitätspreis ausgezeichnet.
Bis heute ist es die Holzkohle, die Wagners Substrat grundlegend von "normalem" Dünger unterscheidet. Ein mächtiger Bestandteil, denn ein Gramm Holzkohle weist unter dem Mikroskop eine Oberfläche von etwa 400 Quadratmetern auf.
Eine unvorstellbare Größe – auf der gleichen Fläche kompostiert Wagner seinen gesamten Dünger. Doch das Phänomen dahinter habe hingegen jeder schon mal beim Grillen erlebt, wenn es ewig dauert, bis die mit Wasser gelöschte Holzkohle wieder getrocknet ist – eben weil es mit der großen Oberfläche so viel Wasser aufnehmen kann: "Deshalb kann ich meinem Dünger auch Organismen zufügen, die eigentlich in Gewässern vorkommen", sagt Wagner, in dessen Erde sich Hefe, Mose und Bärtierchen finden.

Das überzeugte auch die Winzer in der Region, die unter der Trockenheit ganz besonders leiden. Wagner bietet deshalb eine spezielle Weinerde mit einem noch höheren Kohleanteil an und startete dafür extra ein wissenschaftlich begleitetes Experiment an einem Weinberg in Meißen an der Bosel: Nach 15 Monaten waren die Weinreben, die mit Terra-Preta gedüngt wurden, doppelt so hoch wie die Reben am Referenzweinberg.
Ob dadurch der Wein auch qualitativ hochwertiger wird, ist eine andere Frage, die erst viel später beantwortet werden konnte: Denn erst im dritten Jahr werden die Trauben zu Wein verarbeitet. Und der wies tatsächlich einen deutlich höheren Oechsle-Wert auf. "Mittlerweile kommt der Wein im Elbland auch ohne meinen Dünger auf hohe Oechsle-Werte. So hoch, dass trockene Weine nicht mehr so gut gelingen, weil die Säure fehlt: Mein Verkaufsargument ist deshalb gerade kontraproduktiv", sagt Wagner.
In der Landwirtschaft und vermehrt auch unter Hobbygärtner werde auf andere Ansätze gesetzt. Mittlerweile gibt es in fast jedem Supermarkt Düngerstäbchen, denen Wagner allerdings eine Absage erteilt: "Was wir da machen ist Zwangsernährung von Pflanzen. Die Pflanzenwurzel nimmt eigentlich nur Wasser auf – die Nährstoffe kommen in der Regel über Pilze. Wenn ich jetzt aber wasserlöslichen Dünger nehme, werden ihr die Nährstoffe untergejubelt und sie wächst schneller. Das führt vor allem in der Landwirtschaft zu dem negativen Effekt, dass sich die Pflanzenzellen vergrößern, die Zellwände dünner und anfälliger gegen Pilze werden."
Ein Liter Terra-Anima-Dünger kostet je nach Abnahmemenge etwa einen Euro und ist unter 03521 463428 bestellbar. Außerdem bietet Wagner Volkshochschul-Kurse zum Thema an.