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Vor Gericht in Meißen: Verbrechen mit dem grünen Daumen

Eine Nossenerin experimentiert mit der "Königspflanze", wie sie Cannabis nennt. So unbedarft, wie sie sich vor Gericht gibt, ist sie aber nicht.

Von Jürgen Müller
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Bestens gediehen wie diese Cannabispflanze sind auch die der Angeklagten. Der Ertrag ist auch für Kenner frappierend.
Bestens gediehen wie diese Cannabispflanze sind auch die der Angeklagten. Der Ertrag ist auch für Kenner frappierend. © Agentur

Meißen/Nossen. "Ich bin schockiert". Das ist das Erste, was die Angeklagte sagt, als Staatsanwältin Sabine Greiffenberg ihr Plädoyer beendet und eine Haftstrafe von einem Jahr und drei Monaten gefordert hat. Dabei ist die Vertreterin der Anklagebehörde am unteren Rahmen dessen geblieben, was möglich ist. Denn was der 54-jährigen Frau aus einem kleinen Ortsteil von Nossen vorgeworfen wird, ist nichts anderes als ein Verbrechen.

Der Angeklagten wird vorgeworfen, auf ihrem Grundstück Cannabispflanzen angebaut und insgesamt knapp 500 Gramm Marihuana besessen und in ihrer Wohnung aufbewahrt zu haben. Diese hatten einen Wirkstoffgehalt von Tetrahydrocannabinol (THC) von fast 34 Gramm. Nach deutschem Recht gelten 7,5 Gramm als "nicht geringe Menge". Dieser Wert wurde also um das 4,4-Fache überschritten. Besitz von Betäubungsmitteln in "nicht geringer Menge" gilt als Verbrechen, die Strafen liegen zwischen ein und zehn Jahren Haft.

Zoll beschlagnahmt die Lieferung

Bestellt hatte die Angeklagte die Cannabis-Samen über das Internet bei einer niederländischen Firma. "Auf der Seite stand nirgends, dass der Kauf verboten ist", gibt sie sich naiv und unbedarft. Dabei hatte sie sich ausführlich mit Anbau und Aufzucht informiert, hat zudem Forstwissenschaft studiert.

Als die Lieferung nicht ankommt, hat sie wohl schon eine Vorahnung, fragt bei der Firma nach. Diese gibt sich überrascht, verspricht Ersatz. Dass die Samen nicht ankamen, hat einen einfachen Grund: Die Sendung wurde vom Zoll beschlagnahmt.

Nachdem überprüft wurde, dass die Angeklagte die Samen selbst bestellt und von ihrem Konto bezahlt hatte, wird eine Hausdurchsuchung angeordnet und durchgeführt. Dabei werden nicht nur getrocknete Cannabisblüten und Pflanzenteile gefunden, sondern auch fünf fertige Joints und eine Rollmaschine. Nicht gefunden werden hingegen Bargeld und Schuldnerliste. Der Vorwurf des Handels mit Drogen lässt sich so nicht belegen.

Die Angeklagte, die eine alternative Lebensweise bevorzugt und auf 450-Euro-Basis auf dem Hof ihres Lebensgefährten arbeitet, gibt den Anbau zu. Den Samen habe sie geschenkt bekommen, die Joints habe "jemand anderes" für sie gedreht. "Ich bin Pflanzen-Liebhaberin, habe über 80 verschiedene Heilpflanzen angebaut. Da kam ich doch um die Königspflanze nicht herum", sagt sie.

Die Cannabispflanzen seien vom Hoftor aus zu sehen gewesen, sie habe sich keine Gedanken gemacht. "Ich habe mit den Pflanzen experimentiert, Likör, Tinkturen, Tee hergestellt. Verkauft habe ich das nicht, sondern wollte die Heilwirkung an mir selbst ausprobieren", behauptet sie. Die Staatsanwaltschaft hatte ihr auch vorgeworfen, Cannabis in Käse verwendet und diesen verkauft zu haben. Beweisen lässt sich das aber nicht.

Ihr Lebensgefährte habe mit der Sache nichts zu tun, sagt sie. Dafür hat der Zollbeamte nur ein müdes Lächeln übrig: "Wenn er nicht blind ist, hat er das gesehen."

Die sichergestellten Drogen hat das Bildungs- und Wissenschaftszentrum der Bundes-Finanzverwaltung in Berlin untersucht und dabei einen außergewöhnlich hohen TCH-Gehalt festgestellt. "Das habe ich in meinen 25 Berufsjahren so noch nicht erlebt", sagt der Mann vom Zoll. Die Angeklagte hat nicht nur einen grünen Daumen, sie weiß auch ganz genau, welche Sorten sie kaufen muss und unter welchen Bedingungen die Pflanzen am besten gedeihen.

Bewusst über Gesetze hinweggesetzt

Der Fall sei außergewöhnlich, so die Vorsitzende Richterin Liane Pospischil. Es ginge hier im Gegensatz zu anderen Fällen nicht darum, dass Drogenabhängige selbst Cannabis anbauen, um ihren Konsum zu decken. "Sie wollten die auch positiven Wirkungen von Cannabis an sich selbst ausprobieren. Aufgrund Ihrer Ausbildung war ein optimaler Wirkstoffgehalt Ihr Ziel", so die Richterin.

Die Angeklagte habe sich über zwei Jahre intensiv und langfristig mit dem Drogenanbau beschäftigt. Die Ausbeute habe für 2.000 Konsumeinheiten ausgereicht. Sie habe sich bewusst über Regeln und Gesetze hinweggesetzt und auch gewusst, dass die Strafe nicht mehr im Geldstrafenbereich liege, wenn die Sache auffliegt.

Dennoch sieht das Gericht nur einen "minderschweren Fall", was den Strafrahmen verschiebt zwischen drei Monaten und fünf Jahren Haft. Das Schöffengericht verurteilt die Angeklagte schließlich zu einer Haftstrafe von sieben Monaten, die für zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wird. Eine Geldauflage, wie von der Staatsanwältin gefordert, verhängt das Gericht wegen des niedrigen Einkommens der Angeklagten nicht. Allerdings muss sie dem Gericht jeden Wohnsitzwechsel mitteilen.