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Lebe klimafreundlich!

Bei den Bundestagswahlen tritt Karin Beese für die Bündnisgrünen im Wahlkreis Meißen an. Im Wahlkampf setzt sie auf das persönliche Beispiel.

Von Harald Daßler
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Die aus Nossen stammende Karin Beese bewirbt sich für die Bündnisgrünen bei den anstehenden Bundestagswahlen um ein Direktmandat im Wahlkreis 155 (Meißen).
Die aus Nossen stammende Karin Beese bewirbt sich für die Bündnisgrünen bei den anstehenden Bundestagswahlen um ein Direktmandat im Wahlkreis 155 (Meißen). © Claudia Hübschmann

Meißen. Karin Beese zeigt, dass es geht. Gemeinsam mit ihrem Mann und den drei Töchtern hat sie sich an einem Experiment des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung beteiligt. In 100 Familien wurde untersucht, ob es möglich ist, den Kohlendioxid-Ausstoß im Alltag deutlich zu reduzieren.

Um möglichst wenig von dem Klimakiller freizusetzen, verzichteten die fünf auf Flugreisen, kauften regional ein, bauten selbst Gemüse an, tauschten das Auto gegen das Fahrrad für den täglichen Weg zur Kita. „Über ein Online-Tool wurde genau gemessen und registriert, wie viel CO2 wir ausstoßen“ berichtet die 40-Jährige. Statt der angepeilten CO2-Reduktion um 40 Prozent binnen eines Jahres gelang es der Familie, ihren CO2-Fußabdruck auf unter die Hälfte des bundesweiten Durchschnitts zu senken.

Die Direktkandidatin der Bündnisgrünen für den Bundestag kann aus eigener Erfahrung belegen, dass ein klimafreundlicher Lebensstil möglich ist – auf Podien, in Gesprächsrunden oder im Wahlkampf auf der Straße. Das hilft ihr auch in der Auseinandersetzung mit Vorurteilen, denen sich ihre Partei zuweilen ausgesetzt sieht. „Noch immer sind wir Grünen als arrogant oder Besserwisser verschrieben“, weiß sie aus eigenem Erleben.

Dass die Grünen das Auto verbieten wollen, gehört dazu. Karin Beese, die in Nossen aufwuchs und zur Schule ging, in Dresden studierte und heute im Berliner Stadtteil Neukölln lebt, entgegnet, dass diese Debatte nicht geführt werden kann ohne den Blick auf den öffentlichen Nahverkehr: „Hier muss erstmal ein ordentliches Angebot geschaffen werden“, nennt sie die Voraussetzung für Überlegungen, wie die Mobilität in Zukunft aussehen könnte. Solange im ländlichen Raum an Wochentagen höchstens drei Busse fahren, gebe es für die Menschen keine Alternative zum Auto.

Ins Gespräch kommen

Ändern ließe sich das durch neue Prioritäten für Subventionen. „Noch gibt es viele schlechte Subventionen“, ist Karin Beese überzeugt. In der Landwirtschaft zum Beispiel. Über eine Neuausrichtung staatlicher Förderungen ließe sich Einfluss auf Fruchtfolgen oder auf das Ausmaß des Düngens nehmen. Ebenso darauf, dass mehr Obst, Gemüse oder Kartoffeln dort verkauft werden, wo sie angebaut wurden. Die Politik könne auch dafür sorgen, dass Bioprodukte aus der Region nicht teurer sind als Bioprodukte aus dem Ausland, sagt Karin Beese.

Das gebiete die Vernunft. Die Naturkatastrophen dieses Jahres zeigten doch auch, welch immense Schäden der Klimawandel weltweit verursacht. Was im Umkehrschluss heißt: Klimaschutz lohnt sich. Ihn in den nächsten Jahren so sozial gerecht wie möglich zu gestalten, gehört zu den Kernsätzen im Wahlprogramm der Bündnisgrünen: „Haushalte mit geringen Einkommen wollen wir entlasten“, kündigt sie an. Was das für den Einzelnen bedeutet – auch darum geht es in vielen Gesprächen, die Karin Beese in diesem Wahlkampf führt. In „Frag mich alles“-Runden, an Infoständen oder bei Wahlforen will sie mit Menschen aller Altersgruppen ins Gespräch kommen. Sich bekannt zu machen, will sie nicht allein den Wahlplakaten ihrer Partei oder einem Flyer überlassen, auf dem sie mit wallendem Haar abgebildet ist.

Ihre Kandidatur für den Bundestag bringt es mit sich, dass sie in diesem Sommer oft in ihrer sächsischen Heimat unterwegs ist – sehr zur Freude ihrer Eltern, aber auch der Kinder, die sich bei den Großeltern und im Meißner Land sehr wohlfühlen. In ihrer Heimat fand Karin Beese, die seit 2018 Parteimitglied der Grünen ist, auch Kontakt zum hiesigen Kreisverband ihrer Partei. Durch ihren Job bei der Deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) bringt die studierte Mathematikerin und Kommunikationswissenschaftlerin internationale Erfahrungen ein. Das mag eine Rolle gespielt haben, als sie bei einer Konferenz in Meißen von der Mehrheit der anwesenden Parteimitglieder als Direktkandidatin für den Wahlkreis 155 nominiert wurde.

Gegen Vorurteile

Bedingt durch ihre Arbeit bei der GIZ hat Karin Beese mit ihrer Familie in den vergangenen Jahren für längere Zeit im Ausland gelebt. Im westafrikanischen Benin hatte sie regionale Organisationen beraten, unter anderem zur klimafreundlichen Energieversorgung in 15 Ländern Westafrikas. Sie hat dort auch erfahren, wie die Menschen in Benin leben. Trotz großer Unterschiede zwischen Stadt und Land sei die Internetversorgung in den Städten teilweise besser als in der deutschen Heimat, berichtet sie. Das habe sich während des Lockdowns bewährt, mit dem im vorigen Jahr auch Benin auf die Corona-Pandemie reagierte, und der für Karin Beeses Familie Homeoffice und Homeschooling zur Folge hatte.

Eine Herzensangelegenheit ist Karin Beese das Miteinander in der Gesellschaft. Vermittelt durch die Generation ihrer Eltern, in der viele Menschen nach der Wende arbeitslos wurden, weiß sie, wie wichtig Achtung, Wertschätzung und Empathie sind. Ob Hautfarbe, Religion oder Familienkonstellation – die Vielfalt als Normalität ist im alltäglichen Zusammenleben hierzulande längst nicht erreicht.

Als nebenberufliche Autorin und Verlegerin von Kinderbüchern will Karin Beese einen Beitrag dazu leisten. Gemeinsam mit der Illustratorin Matthilde Rousseau, die sie in der Kita ihrer Töchter kennenlernte, hat sie die Figur Berlinchen erschaffen. In zwei Bänden und mit viel Liebe zum Detail erzählt sie gereimte Geschichten über Freundschaft und gegen Vorurteile und Ausgrenzung. 20.000 dieser Bücher hat sie bislang verkauft. Für die weitere Arbeit an einem dritten Band lässt der Wahlkampf momentan keine Zeit. Beim Literaturfest wird Karin Beese an diesem Wochenende aus ihren Berlinchen-Büchern lesen. Und zeigen, was möglich ist.

© Ausschnitt aus dem Programmheft des Literaturfests