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Vor Gericht in Meißen: Ein hoffnungsloser Fall

Die Taten eines Meißners machen selbst erfahrene Juristen sprachlos. Nach der letzten Haftentlassung bringt er es in kurzer Zeit zu zehn neuen Anklagen.

Von Jürgen Müller
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Fensterscheiben mit Steinen einzuwerfen und dann einzusteigen, ist eine "Spezialität" des Angeklagten.
Fensterscheiben mit Steinen einzuwerfen und dann einzusteigen, ist eine "Spezialität" des Angeklagten. © Symbolfoto: SZ/Eric Weser

Meißen. Es gibt Fälle, da verschlägt es auch hartgesottenen Juristen, die schon so einiges erlebt haben, die Sprache. Der des 38-Jährigen, der da mal wieder auf der Anklagebank des Meißner Amtsgerichtes sitzt, ist so ein Fall. "Ich mache den Job ja schon eine ganze Weile. Aber einen Mandanten, der es kurz nach seiner letzten Entlassung schafft, zehn neue Anklagen gegen sich einzufangen, hatte ich noch nie", sagt dessen Verteidiger Wolfgang Tücks.

Sein Mandant ist das, was man einen Intensivtäter, einen hartnäckigen Wiederholungstäter nennt. Mit seinen 38 Jahren bringt es der Deutsche auf sage und schreibe 19 Vorstrafen, sehr oft Haftstrafen. Schon 2005 wurde er vom Landgericht Dresden unter anderem wegen Betrugs in 87 Fällen zu einer Jugendstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die hat der Meißner vollständig abgesessen, wie die meisten seiner anderen Haftstrafen auch. Das Gefängnis ist für ihn ein zweites Zuhause geworden. "Ich kenne dort jeden", sagt er stolz.

So unterschiedlich die Taten auch sind, lassen sie sich doch in einem Wort zusammenfassen: Beschaffungskriminalität. Der Mann, der nur die 6. Klasse schaffte und keinen Beruf erlernte, ist schwer drogenabhängig. Ein Gramm Crystal kauft er für 70 Euro, da reicht das Arbeitslosengeld II von 388 Euro nicht lange. Also bricht er ein, klaut alles, was nicht niet- und nagelfest ist, um es zu Geld zu machen. Oft gemeinsam mit einem seiner sechs Brüder, von denen einige gerichtsbekannt sind. Mit dem einen wohnt er zusammen, allerdings nicht derzeit. Denn der Bruder sitzt eine Haftstrafe ab.

Geringe Beute - hoher Sachschaden

Was auffällt, ist, dass die Beute der beiden oft gering, der Sachschaden aber hoch ist. So hat er in einem griechischen Restaurant in Meißen einen Tabakautomaten aus der Wand gerissen, das nach seinen Angaben 200 Kilogramm schwere Gerät aus dem Laden geschoben ("Kippen und Heben, ging ganz einfach") und dann eine Mauer hinuntergestürzt. Der erhoffte Erfolg trat ein, der Automat wurde geöffnet. Allerdings auch völlig zerstört. Schaden: 4.429 Euro. Weitere Schäden an der Scheibe des Restaurants von 1.332 Euro und an der Eingangstür von 4.429 Euro gingen ebenfalls auf sein Konto. Die Beute aus Bargeld und Zigaretten betrug 100 Euro. Das hat sich doch mal so richtig gelohnt.

Seine Spezialität ist es, Scheiben mit Steinen einzuwerfen und dann die Fenster zu öffnen und einzusteigen. Auch hier war mitunter die Mühe umsonst. In der Winzergenossenschaft Meißen fand er nichts Brauchbares, richtete aber Schaden von 1.070 Euro an, ebenso in einem Handwerksbetrieb, wo er eine Scheibe für 350 Euro zerdonnerte. An einer Doppelverglasung einer Fleischerei scheiterte er gänzlich, geblieben ist ein Schaden von 1.460 Euro. Im Berufsschulzentrum Meißen ist er erfolgreicher, riss zwei Fernsehgeräte aus den Wänden, im Wert von 950 Euro, die er verkaufte. Der Sachschaden hier: 3.000 Euro.

Aus einem Taxi klaute er ein Handy, nachdem er eine Seitenscheibe eingeschlagen hat, es kommen etliche Ladendiebstähle dazu. Auch seine Ex-Freundin beleidigte er mehrfach mit nicht druckreifen Worten, von denen "Schlampe" noch das freundlichste ist. Genug der Aufzählung, der Platz reicht nicht.

Polizei fasst ihn - mit geklautem E-Bike

Einer geregelten Arbeit ist er nur kurz mal nachgegangen, arbeitete als Gebäudereiniger. Das Arbeitsverhältnis endete aber abrupt, weil er mal wieder in den Knast einfahren musste. Da muss er nun wieder hin. Das Gericht verurteilte ihn zu einer Haftstrafe von zwei Jahren, selbstredend ohne Bewährung. "Ihre bisherigen Haftstrafen haben keinerlei Wirkung gezeigt. Da gibt es nur noch Wegsperren, um die Gesellschaft vor Ihnen zu schützen", sagt Staatsanwältin Sabine Greiffenberg.

"Ich kann Ihnen nicht viel mit auf den Weg geben", sagt Richterin Petra Rudolph. Und macht ihm deutlich, wie straff die Strafen zusammengefasst wurden. "Sie können froh sein, dass wir nicht in Amerika sind. Bei derart vielen Straftaten wären Sie dort wohl nie mehr aus dem Gefängnis herausgekommen", sagt sie.

Aus dem Gefängnis war der Angeklagte auch zur Verhandlung gekommen. Weil er zum ersten Termin nicht erschienen war, erließ das Gericht einen Sitzungshaftbefehl. Am 18. September wurde der Mann von der Polizei gefasst. Die interessierte sich aber nicht nur für ihn, sondern auch für das E-Bike, mit dem er ankam. Das war nämlich geklaut. Da droht schon wieder neuer Ärger.