SZ + Meißen
Merken

Vor Gericht in Meißen: Eine Frau schlägt Freund mit Schuhlöffel blutig

Eine 33-Jährige wehrte sich gegen ihren Ex, der übergriffig wurde. Nach dreieinhalb Jahren landet der Fall vor dem Meißner Gericht – mit verblüffendem Ausgang.

Von Martin Skurt
 4 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Vor Jahren schlug ein Mann seine damalige Freundin und brach ihr den Kiefer. Nun wurde er Opfer seiner Belästigung und wurde selbst geschlagen.
Vor Jahren schlug ein Mann seine damalige Freundin und brach ihr den Kiefer. Nun wurde er Opfer seiner Belästigung und wurde selbst geschlagen. © Symbolfoto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa

Kurioser Fall am Amtsgericht Meißen: Ein mutmaßlicher Täter wird als Geschädigter und Zeuge vor Gericht geladen und das eigentliche Opfer taucht als Täterin wegen gefährlicher Körperverletzung auf. Der Mann habe der Dresdnerin mehrmals aufgelauert, und ihr sogar schon im Jahr 2018 mit der Faust den Kiefer zertrümmert. Kein Wunder also, dass die Frau die Fassung verlor, als ihr Ex-Freund beharrlich versuchte, in ihre damalige Radebeuler Einraumwohnung einzudringen. Was war passiert?

Die heute 33-Jährige und in Radebeul Geborene sei an einem Vormittag Ende Mai 2019 mit ihrem Schwager in ihrer Einraumwohnung im Dachgeschoss eines zweistöckigen Hauses gewesen. Ihr Verwandter sollte das Schloss der Wohnung austauschen. Die Wohnungstür sei demnach unverschlossen gewesen. Ihr Ex-Freund habe sich Zutritt zum Haus verschafft und wollte in die Wohnung gelangen. Angeblich, um mit der Frau zu reden. Der Mann habe die Angeklagte in den Flur der Wohnung gedrängt.

Mit dem Schuhlöffel auf Abstand

Neben ihr habe ein Schuhschrank gestanden, darauf ein Schuhlöffel aus Metall. Den habe sie genommen. "Ich hatte Angst vor ihm." Neben dem Kieferbruch habe er ihr in der Vergangenheit schon ein blaues Auge verpasst. Zudem sei er mehrmals in ihre Wohnung eingebrochen, indem er über einen Baum vom Nachbargrundstück auf ihre Dachterrasse gelangte, und habe ihre Schlüssel gestohlen. Deshalb wollte sie das Schloss austauschen. Er habe ihr außerdem oft nachts vor ihrem Haus aufgelauert, sie auf offener Straße bedrängt und verfolgt.

Sicherlich mündeten all diese traumatischen Erfahrungen in den Schlag mit dem Schuhlöffel, den sie noch ankündigte. Aber der Eindringling habe sich nicht beirren lassen und wäre durch seine stattliche Figur kaum zu bewegen gewesen. "Meine Aufforderung, die Wohnung nicht zu betreten, hat er gar nicht respektiert", sagte die Angeklagte im Prozess. Mit dem Schuhlöffel wollte sie etwas Abstand zu ihrem Ex-Freund bekommen, ergänzte die Verteidigerin. Das klappte offensichtlich nicht.

Die Dresdnerin habe zugeschlagen. Mehrmals. Der Mann habe drei Platzwunden erlitten, zwei am Kopf und eine an der Schulter. Erst dann habe der Mann von ihr abgelassen und sei verschwunden. Zwei Beamte der Polizei Dresden nahmen ihn vor dem Haus in Empfang, die vom Schwager gerufen wurden. Auf einem Foto der Polizei sieht man, wie dem vermeintlichen Opfer das Blut über den Oberkörper läuft und sein T-Shirt zerrissen ist. Der Geschädigte habe einem Beamten am Tatort erzählt, dass er sich in einer On-off-Beziehung mit der Angeklagten befinde. An mehr könnte sich der Polizist in der Zeugenvernehmung nicht erinnern.

Keine Notwehr trotz Bedrängung

Eigentlich sollte auch noch der Geschädigte vor Gericht erscheinen, und zwar als Zeuge. Das hielt er aber offensichtlich nicht für nötig. Die Richterin unterstellte dem Geschädigten sogleich, dass er vermutlich kein echtes Interesse an der Aufarbeitung habe. Die Verletzung am Kopf sei eindeutig strafbar – darin waren sich Staatsanwaltschaft, Verteidigung und Richterin einig. Allerdings spreche für die Angeklagte, so die Richterin, dass der Mann unaufgefordert und gewaltsam in die Wohnung gelangen wollte.

In den Augen des Strafrechtes sei die Tat keine Notwehr, sagte der Staatsanwalt in seiner abschließenden Stellungnahme. Für eine solche benötigt es zum Beispiel einen drohenden Faustschlag ins Gesicht. Die Tat liege lange zurück, der Geschädigte erschien nicht zur Verhandlung und provozierte den Schlag: Deswegen beantragte er, das Verfahren nach § 153 (1) einzustellen. Hierbei sieht der Freistaat von einer Verfolgung ab, wenn die Schuld des Täters, also die der Frau, als gering anzusehen sei und kein öffentliches Interesse an der Verfolgung bestehe. Verteidigung und Staatsanwaltschaft stimmten zu. Die Angeklagte muss nun keine rechtlichen Folgen für die Belästigungen ihres Ex-Freundes erdulden.