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Blaue Fahrräder in Meißen: Ist das Kunst, oder kann das weg?

Mehrere Fahrräder sind im Stadtgebiet von Meißen aufgetaucht, von den Reflektoren bis zum Lenker blau angestrichen. Was hat es mit den Gefährten auf sich?

Von Andre Schramm & Jakob Hammerschmidt
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Ein komplett blau angemaltes Fahrrad steht an einem Geländer an der Schützestraße in Meißen, fotografiert am 16. April 2024. Was hat es mit dem Gefährt auf sich?
Ein komplett blau angemaltes Fahrrad steht an einem Geländer an der Schützestraße in Meißen, fotografiert am 16. April 2024. Was hat es mit dem Gefährt auf sich? © privat

Meißen. Die blauen Fahrräder bleiben Stadtgespräch. Ein Leser machte Sächsische.de nach Veröffentlichung des Artikels auf eine Aktion des ADFC Ratingen aufmerksam, bei der blaue Fahrräder im öffentlichen Raum angeschlossen wurden, um auf einen Mangel an Fahrradbügeln und anderen sicheren Abstellmöglichkeiten hinzuweisen. Nun hat Meißen keine eigene ADFC-Ortsgruppe. Und eines der Fahrräder wurde an einen Abstellbügel am Elbecenter angeschlossen, was die Botschaft wohl etwas verwässern würde.

Auch eine Nachfrage beim Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club Sachsen bringt keinen weiteren Aufschluss. "Das ist keine Aktion des Clubs", schließt Sprecher Konrad Krause aus, obwohl in Meißen absolut Bedarf für mehr Abstellmöglichkeiten bestehe. Und der Vorsitzende der ADFC-Ortsgruppe Radebeul Thomas Weist gab an, ihm seien die Hintergründe der blauen Fahrräder nicht bekannt. Ein weiterer Schuss ins Blaue entpuppt sich somit als unwahrscheinlich.

Ordnungsamt wird tätig werden

Auch die Stadt selbst tappt noch im Dunkeln. "Leider haben wir noch keinen Besitzer oder eine Besitzerin ermitteln können und auch keinen entsprechenden Anhaltspunkt", antwortet Katharina Reso von der Pressestelle der Stadt Meißen auf eine Anfrage von Sächsische.de. "So oder so wäre es insgesamt sicher ratsam, das Anliegen der Aktion zeitnah aufzulösen", fährt sie fort.

Im Mängelmelder der Stadt wurden indes mehrere Meldungen der Fahrräder mit folgender Nachricht versehen: "Sehr geehrter Melder, vielen Dank für den Hinweis. Da das Fahrrad angeschlossen ist, muss davon ausgegangen werden, dass es sich um Privateigentum handelt, welches dort gesichert wurde. Die Stadt darf Fahrräder nur entfernen, wenn sie eine Behinderung oder Gefährdung darstellen." Es gebe allerdings auch schon Fälle, räumt Reso ein, bei denen das Rad bereits teils durch Vandalen zerlegt oder zerstört wurde. Dort werde das Ordnungsamt dann sicher tätig werden.

Fahrräder, komplett in Blau getüncht, hatten zuerst am vergangenen Dienstag die Meißnerinnen und Meißner in den sozialen Medien beschäftigt. In einer einschlägigen Facebook-Gruppe zum Stadtgeschehen fragte eine Nutzerin: "Weiß jemand was diese Fahrräder in Meißen bedeuten? Sie stehen seit Tagen da", versehen mit dem Foto eines vollständig in blau getauchten Damenrades, welches an ein Geländer an der Schützestraße angeschlossen ist. Am Elbecenter und am Eberleplatz stehen weitere Exemplare.

Ein blaues Mountainbike am Elbecenter Meißen, fotografiert am 17. April 2024. Auffällig ist das fehlende hintere Schutzblech.
Ein blaues Mountainbike am Elbecenter Meißen, fotografiert am 17. April 2024. Auffällig ist das fehlende hintere Schutzblech. © Claudia Hübschmann

Handelt es sich um Geisterfahrräder?

Die Erklärungsansätze ließen nicht lange auf sich warten. Mehrere Nutzer vermuteten, es könnte sich um sogenannte Geisterfahrräder handeln. Diese herrenlosen Fahrräder stehen hin und wieder an Straßen, um an tödlich verunfallte Fahrradfahrer an der entsprechenden Stelle zu erinnern. Der Fahrradverkehr in Meißen, und insbesondere dessen Risiken für die Radler, sind immer wieder Thema beispielsweise des Arbeitskreises Radverkehr. Es wäre also eine Möglichkeit.

Andere Facebook-Kommentatoren sind sich da nicht so sicher. Zuerst sind die Geisterfahrräder in der Regel komplett weiß bemalt, und nicht blau. Auch auf einer öffentlich zugänglichen Sammelkarte für Geisterfahrräder ist in Meißen kein Eintrag, geschweige denn mehrere. Es steckt also wohl etwas anderes dahinter.

Auch im Arbeitskreis Radverkehr kann man sich keinen Reim auf die blauen Fahrräder machen. „Ich habe aber auch schon eines gesehen – am Sonntag an der Sparkasse“, sagte Dorothee Finzel, die Vorsitzende des Gremiums, auf Anfrage von Sächsische.de

Der Post und die vielen neugierigen Kommentare, die am Dienstag über die blauen Fahrräder spekulierten, sind inzwischen gelöscht worden.
Der Post und die vielen neugierigen Kommentare, die am Dienstag über die blauen Fahrräder spekulierten, sind inzwischen gelöscht worden. © Facebook/SZ-Montage

Stadt: "Illegale Sondernutzung"

Mehrere Kommentatoren warfen in den Raum, es könnte sich um AfD-Werbung handeln. Dafür gäbe es Präzedenz: Beispielsweise warb die Alternative für Deutschland 2017 in Radebeul mit blauen, angeketteten Fahrrädern. Damals allerdings mit gut sichtbaren Werbetafeln mit dem Parteilogo, was bei den Meißner Bikes nicht der Fall ist. Detlev Spangenberg, Vorsitzender des AfD-Kreisvorstands, gab auf Anfrage von Sächsische.de an, ihm sei keine derartige Werbekampagne in Meißen bekannt. "Da stecken wir nicht dahinter", kommentierte der Politiker das Thema trocken. Damit ist auch die AfD-Erklärung unwahrscheinlich.

"Ist sehr wahrscheinlich eine Kunstaktion, einfach bei der Stadt nachfragen", kommentierte eine andere Nutzerin. Gesagt, getan: "Das Ordnungsamt recherchiert gerade ebenfalls hierzu", erklärte Stadt-Pressesprecherin Katharina Reso. "Bisher werten wir dies als illegale Sondernutzung", fuhr sie fort. Wenn sich nicht aufklären lasse, woher die Räder stammen, müsse man diese entfernen und im Bauhof einlagern lassen. Beim Kunstverein Meißen war man ebenfalls ratlos, wer die blauen Fahrräder aufgestellt haben könnte.

Auch im Mängelmelder der Stadt Meißen wurde das blaue Fahrrad an der Schützestraße bereits gemeldet - in der Kategorie "illegale Müllablagerung (Sperrmüll)". Falls der Besitzer mit den ungewöhnlichen Zweirädern also noch etwas größeres plant, sollte er sich wohl sputen, ehe ihm das Ordnungsamt einen Strich durch die Rechnung macht.

Der Facebook-Beitrag selbst wurde noch am selben Tag wieder gelöscht, sodass eine Aufklärung durch einen der Kommentatoren wohl ausbleibt.