SZ + Update Meißen
Merken

Wie das Finanzamt einen Moritzburger Grundbesitzer fast zum Millionär macht

Eigentümer Torsten Küllig hat viel Ärger mit seinem Grundsteuerbescheid. Trotz eines Fehlers kann ihm niemand wirklich helfen. Die Million steht nur auf dem Papier.

Von Ulf Mallek
 6 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Grundeigentümer Torsten Küllig (55) steht auf dem Dach seiner Garage in der Moritzburger Schlossallee, zweite Reihe. Für das Gartengrundstück soll er jetzt über  2.000 Euro Grundsteuer zahlen.
Grundeigentümer Torsten Küllig (55) steht auf dem Dach seiner Garage in der Moritzburger Schlossallee, zweite Reihe. Für das Gartengrundstück soll er jetzt über 2.000 Euro Grundsteuer zahlen. © Matthias Schumann

+++ Wir haben ein Update zu diesem Text veröffentlich! +++

Der erste richtige Schnee in diesem Jahr ist gefallen. Auf der Straße in Richtung Moritzburger Schloss ist es rutschig. Immerhin schmückt sich die Schlossallee schon richtig weihnachtlich. Kurz vor dem großen Parkplatz am Schloss, schräg gegenüber vom Bäcker Liebschner, führt ein enger Weg durch eine offene Einfahrt hindurch zu einem knapp 2.700 Quadratmeter großen, etwas schwierig geschnittenen Grundstück in der zweiten Reihe. Zwei Doppelgaragen stehen darauf, der Rest sind unbefestigte Parkplätze, Wiesen und Sträucher.

Das Land gehört dem Dresdner Torsten Küllig. Er hat es vor etwa acht Jahren vom Freistaat Sachsen gekauft, genauer gesagt von der staatlichen Immobilienfirma SIB. Etwa 33.000 Euro musste er damals dafür hinblättern. "Ich dachte mir, das ist kein schlechtes Geschäft. Zwar zählt das Grundstück nur als Gartenland, dafür konnte ich die Garagen vermieten."

Tatsächlich stellt die Moritzburger Polizei ihr Fahrzeug in die eine Doppelgarage und zahlt dafür monatlich 50 Euro Miete. Macht im Jahr 600 Euro, plus Pacht aus dem Garten. Nicht sehr viel Zins, aber besser als das Sparbuch. Die andere Doppelgarage nutzt Küllig für sich. Insgeheim rechnete er schon damals, dass die Fläche später vielleicht einmal Bauland werden würde. Das ging dann schneller als gedacht - allerdings nur auf dem Papier. Dort wurde Küllig über Nacht plötzlich fast Millionär.

Niemand kauft das Grundstück für eine knappe Million

Mit Datum vom 9. Oktober 2023 erhielt Torsten Küllig ein Schreiben des Finanzamtes Meißen. In dem Bescheid über den Grundsteuerwert wurde der Wert seines Moritzburger Grünland-Grundstücks mit 851.900 Euro angegeben. "Die Freude über den großen Gewinn hielt sich bei mir in Grenzen", sagt Küllig. "Denn er steht ja nur auf dem Papier." Tatsächlich hat das Finanzamt Külligs Grundstück sehr genau betrachtet. Es wurde in einen sehr großen Teil mit einem Bodenwert von 308 Euro je Quadratmeter und einen sehr kleinen Teil mit einem Bodenwert von 8 Euro je Quadratmeter aufgeteilt.

Doch diesen neuen Papier-Reichtum gibt es nicht für lau. Das Finanzamt errechnete für das Eigentum einen Steuermessbetrag von 613,37. Den muss man jetzt mit dem Hebesatz der Gemeinde Moritzburg, der für die neuen Grundsteuer erst Anfang nächsten Jahres festgelegt wird, multiplizieren. Wenn er - spekulativ - bei 400 Prozent liegen würde, dann müsste Küllig rund 2.500 Euro Grundsteuer bezahlen statt wie bisher nur 40 Euro. "Für mich ist das eine Amts-Posse", sagte Küllig. Niemand wird ihm das Grundstück für 851.000 Euro abkaufen, denn Baurecht gibt es hier nicht. Küllig legte beim Finanzamt Einspruch gegen den Bescheid ein.

So sieht es aus auf dem angeblichen Baugrundstück von Torsten Küllig in Moritzburg: vor allem Sträucher, Wiese und unbefestigte Parkplätze.
So sieht es aus auf dem angeblichen Baugrundstück von Torsten Küllig in Moritzburg: vor allem Sträucher, Wiese und unbefestigte Parkplätze. © Matthias Schumann

Niemand ist schuld am falschen Bescheid

Doch eine nähere Betrachtung des Falles ergab: Nein, es ist keine Posse. Alle Beteiligten haben richtig gehandelt oder konnten nicht anders handeln. Vielleicht mit einer Ausnahme.

Beginnen wir beim Finanzamt Meißen. Es hat sich tatsächlich korrekt verhalten. Laut Aussage des sächsischen Finanzministeriums obliegt dem Finanzamt nicht die Kontrolle der vom Gutachterausschuss ermittelten Bodenrichtwerte. Es kann nicht erkennen oder überprüfen, ob die Bodenrichtwerte fehlerhaft sind. Es ist gesetzlich verpflichtet, den vom Gutachterausschuss ermittelten Bodenrichtwert anzusetzen. Fertig. "Lediglich unterschiedliche Entwicklungszustände wie Bauerwartungsland oder Rohbauland werden vom Finanzamt durch pauschalierte Zu- oder Abschläge berücksichtigt", so Ministeriumssprecher Jörg Herold. Das Finanzamt Meißen ist nicht schuld.

Vielleicht die Gemeinde Moritzburg? Nein, auch nicht. Bürgermeister Jörg Hänisch erklärt, dass die Gemeinde ihre Grundsteuer auf der Grundlage bestandskräftiger Einheitswertbescheide des Finanzamtes ohne Berücksichtigung der tatsächlichen Bebaubarkeit erhebt. Das sei die gegenwärtige Rechtslage. Wenn es neue Bescheide gibt, dann gibt es eben neue. Doch für Külligs Grundstück, sagt der Bürgermeister, sei kein Bebauungsplan vorgesehen. Somit sei es aus Sicht der Gemeinde kein Bauland. Wenn es das Finanzamt anders sieht, dann gelte das nur für die Grundsteuer. Vielleicht könne aber das Landratsamt Meißen zur Aufklärung beitragen, regt Bürgermeister Hänisch an.

Schulterzucken aus dem Landratsamt

Nein, kann es nicht. Grundsätzlich sei die Finanzverwaltung Sachsen für die Erhebung der Grundsteuer verantwortlich, nicht der Landkreis, teilt das Landratsamt Meißen mit. Da der Landkreis aber für den Gutachterausschuss zuständig ist, der letztlich die Grundstücke bewertet, hängt er doch irgendwie mit drin.

Doch die Behörde bleibt in ihren Antworten beim Grundsätzlichen. "Der Gutachterausschuss für Grundstückswerte im Landkreis Meißen hat zum Stichtag 1. Januar 2022 für den Landkreis Meißen flächendeckende Bodenrichtwerte ermittelt und veröffentlicht. Der Bodenrichtwert ist der durchschnittliche Lagewert des Bodens für eine Mehrheit von Grundstücken innerhalb eines abgegrenzten Gebiets (Bodenrichtwertzone), die nach ihren Grundstücksmerkmalen, insbesondere nach Art und Maß der Nutzbarkeit weitgehend übereinstimmen und für die im Wesentlichen allgemeinen Wertverhältnisse vorliegen."

Ja, was heißt das nun? Weshalb wurde Külligs Grünland mit 308 Euro pro Quadratmeter bewertet? Schulterzucken aus dem Landratsamt mit dem Verweis auf den Datenschutz.

Eine Nachfrage bei einer Radebeuler Gutachterin ergab: Gemäß Flächennutzungsplan der Gemeinde Moritzburg aus dem Jahr 2006 befinde sich das Grundstück innerhalb einer gemischten Baufläche. Es könnte also Baulandqualität vorliegen. Oder auch nicht.

Es gibt viel mehr Betroffene

Moritzburgs Bürgermeister Hänisch, der selbst Grundeigentümer ist, betrachtet Külligs Geschichte nicht als Einzelfall. Es werden viele Grundstückseigentümer in vielen Gemeinden betroffen sein. Er sieht die Bewertung in Sachsen (und anderen Bundesländern) zur Ermittlung des Einheitswertes kritisch. Bodenrichtwerte seien Momentaufnahmen, die der stetigen Schwankung am Grundstücksmarkt unterliegen und gar nichts zu baulichen Dingen sagen. Aus Bodenrichtwertkarten sei definitiv kein Baurecht abzuleiten.

Das wird also erst einmal nichts mit der knappen Million für Torsten Küllig. Der Weg, zu seinem Recht zu kommen, ist für ihn lang und steinig. Vermutlich wird sein Einspruch gegen den Grundsteuerbescheid abgewiesen werden. Klagen werden wohl auch nicht sehr erfolgreich sein. Das sächsische Finanzgericht entschied Anfang November, dass die Feststellung der Grundstückswerte in Sachsen rechtmäßig ist. Vermutlich wird das Urteil juristisch überprüft werden, doch das kann dauern.

Wenn alles andere nicht hilft, sagt Küllig, habe er eine Idee. Bisher hätte er die Grundsteuer für sein Grünland von 40 Euro jährlich ja selbst bezahlt. Wenn 2025 die neue Steuer in Höhe von vermutlich deutlich über 2.000 Euro kommt, dann wird er versuchen, sie auf seinen Mieter umzulegen. Und das ist ja die Polizei, also der Freistaat Sachsen.