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Niederau: Bremst Meißner Jugendamt Schulbesuch eines behinderten Kindes aus?

Ein Zwölfjähriger muss eine Förderschule in Dresden besuchen. Das Landratsamt Meißen zahle die Beförderung nicht, sagt sein Vater. Das Amt wehrt sich.

Von Jürgen Müller
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Hat das Meißner Kreisjugendamt Schuld, dass ein zwölfjähriges behindertes Kind nicht die Schule besuchen kann?
Hat das Meißner Kreisjugendamt Schuld, dass ein zwölfjähriges behindertes Kind nicht die Schule besuchen kann? © Claudia Hübschmann

Meißen/Niederau. Marco Rösler aus einem Ortsteil der Gemeinde Niederau ist nervlich am Ende. Er weiß nicht weiter. Der Grund: Sein zwölf Jahre alter Sohn kann schon seit Mai die Schule nicht mehr besuchen. Der Junge ist behindert, hat einen Behindertenausweis B und Pflegegrad 3. Neben ADHS ist er emotional gestört, hat psychische Probleme und einen Intelligenzquotienten von 70.

Deshalb muss er eine spezielle Förderschule besuchen. Die befindet sich allerdings in Dresden. Laut dem Vater kann sein Sohn maximal eine Stunde mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs sein. Vom Wohnort bis in die Schule nach Dresden brauchte er aber mit Umsteigen und Wartezeiten mehr als zwei Stunden.

Dresden hat Antrag in vier Wochen bewilligt

Wartezeiten an Haltestellen kann er nicht überbrücken. "Er baut dann Mist, einmal ist er auch schon umgefallen, ein anderes Mal weggelaufen", sagt Marco Rösler. Er hat deshalb Anträge auf Beförderung mit dem Taxi bei den Jugendämtern in Meißen und Dresden gestellt. In der Landeshauptstadt wurde sein Antrag innerhalb von vier Wochen bearbeitet und bewilligt. Er erhält monatlich 217 Euro für die Beförderung von der Stadtgrenze Dresden bis in die Schule mit dem Taxi. In Meißen allerdings stellt man sich quer.

"Wochenlang wurde mein Antrag nicht bearbeitet. Seit Mai kann mein Sohn deshalb nicht die Schule besuchen, obwohl Schulpflicht besteht", sagt der Niederauer.

Seit Mai wohnt sein Sohn wieder bei ihm. Bisher war er am Wohnort der Mutter in einem betreuten Wohnen untergebracht. Bis in die Förderschule war es von dort nur um die Ecke. Jetzt aber gibt es ein Problem.

Es sei richtig, dass der Sohn von Herrn Rösler aufgrund der festgestellten Förderbedarfe "Lernen" und "Soziale und emotionale Entwicklung" als nächstgelegene geeignete Schule die Förderschule "Am Leubnitzbach" in Dresden besuchen müsse, heißt es aus dem Landratsamt Meißen. Herr Rösler erhalte von der Landeshauptstadt für die Schülerbeförderung einen Erstattungsbetrag von maximal 217 Euro im Monat. Alle übrigen entstehenden Kosten müsste Herr Rösler als Eigenanteil selbst finanzieren.

Da der bewilligte Betrag nicht ansatzweise bedarfsdeckend sei, habe Herr Rösler mit Antrag vom 21. Juli dieses Jahres die Übernahme des Eigenanteils für die Schülerbeförderung beim Kreissozialamt Meißen beantragt.

Aufgrund der eingereichten Unterlagen habe das Kreissozialamt den Antrag an das Kreisjugendamt Meißen weitergeleitet. Hintergrund sei, dass das Kreissozialamt für Kinder mit geistigen und körperlichen Behinderungen, das Kreisjugendamt für Kinder mit seelischen Behinderungen zuständig sei und aus den von Herrn Rösler eingereichten Unterlagen eine seelische Behinderung seines Sohnes ersichtlich wurde.

Ärztliche Stellungnahme gefordert

Ein Bescheid über den Antrag wurde bisher nicht erlassen, weil die Voraussetzungen zur Gewährung einer entsprechenden Eingliederungshilfe bisher nicht umfassend geprüft werden konnten, heißt es weiter aus dem Amt.

Eine weitere Verzögerung bei der Bearbeitung des Antrages gab es offenbar, weil das Jugendamt eine fachärztliche Stellungnahme forderte. Allerdings lag dem Amt ein ausreichend aktueller Klinikbericht des Kindes vor. Nachdem Herr Rösler dies dem Amt telefonisch mitgeteilt hatte, war keine zusätzliche fachärztliche Stellungnahme mehr notwendig.

Ob und in welcher Form der Eigenanteil der Schülerbeförderung von den Eltern selbst, durch das Bildungs- und Teilhabepaket oder als Eingliederungshilfeleistung übernommen werde, sei nur nach umfangreicher, den gesetzlichen Bestimmungen entsprechender Prüfung des Einzelfalls möglich, so das Amt.

Diese Prüfung habe das Kreisjugendamt Meißen durchgeführt. Und hat im Ergebnis den Antrag abgelehnt. Begründet wird dies damit, dass die Schülerbeförderung nicht behinderungsbedingt erforderlich sei, sondern ausschließlich aufgrund der weiten Strecke und der ÖPNV-Anbindung.

In einem Telefonat sei Herr Rösler über die Alternative, die Übernahme der Beförderungskosten durch das Jobcenter über Bildung und Teilhabe bei Unzumutbarkeit der tatsächlichen Beförderungskosten auch bei ansonsten fehlender Bedürftigkeit oder ALGII-Berechtigung, informiert worden.

Vater schaltet Schulamt ein

Marco Rösler ist entsetzt: "Ein neuer Antrag dauert wieder vier bis sechs Wochen, in denen mein Sohn die Schule nicht besuchen kann. Ich soll einen Antrag nach Hartz IV stellen, obwohl ich voll berufstätig bin", empört er sich. Zudem würden mit einem neuen Antrag nur die Kosten für den ÖPNV bezahlt. Das helfe aber nicht, weil sein Sohn nicht so lange mit Bus oder Bahn fahren könne.

Der Junge ist also nach wie vor trotz Schulpflicht vom Schulbesuch ausgeschlossen. Unterstützung bekommt er von der Förderschule, die ihm die Schulsachen zuschickt. Die Hausaufgaben erledigt das Kind in einer Tagesgruppe, die der Junge ab Mittag besucht. Eine Dauerlösung ist das aber nicht.

"Im Sinne des Kindes bedauern wir den Umstand des bisher ausbleibenden Schulbesuchs, sind jedoch an die gesetzlichen Bestimmungen zur Gewährung einer Eingliederungshilfe gebunden", so das Landratsamt.

Marco Rösler will jetzt in Widerspruch gegen den ablehnenden Bescheid gehen und hat das Schulamt eingeschaltet.