Meißen
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Meißner Ofenkachel wärmte Deutschland

Bis heute gilt der in der Stadt entwickelte Kacheltyp weltweit als Standard.

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So wie hier am Portal des Bidtelia-Werks existieren in Meißen zahlreiche Zeugnisse der Keramik- und Porzellan-Industrie. Kritiker bemängeln, dass die Stadt diesen Schatz vernachlässige.
So wie hier am Portal des Bidtelia-Werks existieren in Meißen zahlreiche Zeugnisse der Keramik- und Porzellan-Industrie. Kritiker bemängeln, dass die Stadt diesen Schatz vernachlässige. © Claudia Hübschmann

Von Dr. Günther Naumann

Meißen. Die Meißner Industrie konnte 2013 ein großes Jubiläum feiern. 1863, also vor zu diesem Zeitpunkt 150 Jahren, wurde in einer am Neumarkt in Meißen neu gegründeten Ofenfabrik die industrielle Herstellung von Ofenkacheln aufgenommen.

 Meißen entwickelte sich in den folgenden Jahrzehnten zum Zentrum der sächsischen Ofen- und Wandfliesenindustrie. Die Meißner Unternehmen dieser Branche waren zwischen den beiden Weltkriegen Marktführer in Deutschland. 

Dies betraf nicht nur die Menge der hergestellten Öfen, sondern die Meißner Öfen waren auch hinsichtlich ihrer technischen Eigenschaften und künstlerischen Gestaltung führend.

Die Grundlage für diese Entwicklung war eine Erfindung von Gottfried Heinrich Melzer. Geboren wurde er am 2. März 1820 in Niederfähre bei Meißen. Er hatte an der Königlichen Porzellanmanufaktur den Beruf eines Bossierers erlernt. Seine Interessen gingen jedoch weit darüber hinaus. 

So entwickelte er in seiner Freizeit im Haus Hahnemannsplatz Nr. 17, wo er zur Miete wohnte, einen neuen Ofenkachel-Typ, den er in einem Keramikbetrieb bei Nossen erprobte. Auf diesen Ofenkachel-Typ, dem Melzer den Namen Meißner Patentkachel gab, wurde ihm am 13. April 1855 ein sächsisches Privilegium erteilt, was einem heutigen Patent entspricht.

Die Meißner Patentkachel war hinsichtlich ihrer Gebrauchseigenschaften und künstlerischen Gestaltungsmöglichkeiten allen Konkurrenzprodukten, so auch der bis dahin führenden, in Velten bei Berlin hergestellten Berliner Kachel, weit überlegen. Insbesondere waren Scherben- und Glasurzusammensetzung so aufeinander abgestimmt, dass beim Gebrauch der Kachel keine Haarrisse auftraten. 

Dadurch war es möglich, die Meißner Patentkachel stärker aufzuheizen, wodurch sie mehr Wärme abgeben konnte. Die Oberfläche der gebrannten und glasierten Kachel war glatt und wies einen völlig reinen Spiegel auf. Möglich waren zarte und doch scharf konturierte Reliefs. 

Die Meißner Patentkachel, die in der Fachliteratur heute als Meißner Kachel bezeichnet wird, war aber nicht nur Ausgangspunkt für die bedeutende Meißner Ofenindustrie, sondern sie setzte sich durch und ist der heute weltweit übliche Ofenkachel-Typ.

Die Meißner Ofenindustrie erweiterte ihr Erzeugnissortiment ab 1891 auf Wandfliesen und ab 1910 auf Baukeramik. Nebensortimente waren zeitweise Gebrauchsporzellan, Ziergegenstände aus Porzellan und anderen keramischen Werkstoffen, feuerfestes Kochgeschirr sowie Klinker-Fußbodenplatten. 

Auch bei Wandfliesen, die ab den 1920er-Jahren zunehmend den Hauptanteil des Sortiments bildeten, waren die Meißner Unternehmen bis in die 1940er-Jahre mit Villeroy & Boch Marktführer in Deutschland.