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Sächsische Schweiz: Wie zwei Dresdner die Heymannbaude retten wollen

Der Gasthof Heymannbaude war einst der kulturelle Mittelpunkt von Kleinhennersdorf. Das soll er wieder werden - kreativ, nachhaltig und mithilfe eines neuen Vereins.

Von Katarina Gust
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Zwei mit Herz und Seele: Torsten Haubold und seine Partnerin Helena Fernandino wollen die Heymannbaude in Kleinhennersdorf bei Gohrisch  wiederbeleben.
Zwei mit Herz und Seele: Torsten Haubold und seine Partnerin Helena Fernandino wollen die Heymannbaude in Kleinhennersdorf bei Gohrisch wiederbeleben. © Karl-Ludwig Oberthür

Es ist ein Kleinod in der Sächsischen Schweiz, an dem etliche Erinnerungen hängen. Die Heymannbaude in Kleinhennersdorf bei Gohrisch hat in ihrer fast 100 Jahre alten Geschichte viele turbulente Zeiten erlebt. In dem früheren DDR-Betriebsferienheim und Gasthof wurde gelebt, getanzt und gefeiert.

Davon war zuletzt aber kaum mehr etwas zu spüren. Der Komplex, zu dem ein großer Saal, ein Gästehaus und sogar ein Saunabereich gehören, stand über Jahre leer. Mitten im Dorf, aber doch vergessen. So scheint es zumindest. Doch seit wenigen Monaten tut sich wieder etwas auf dem rund 6.300 Quadratmeter großen Grundstück in Kleinhennersdorf.

Verkäufer der Heymannbaude drängte auf Abriss

Die Heymannbaude, die in den 1930er-Jahren gebaut wurde, hat einen neuen Besitzer. Einen, der viel vorhat mit dem Haus - vor allem im kulturellen Bereich. "Wir wollen die Heymannbaude wieder zu einem Ort machen, an dem sich Menschen begegnen", sagt Torsten Haubold, der das Objekt im Mai 2022 gekauft hat. Der Dresdner, der in der Film- und Kulturbranche zu Hause ist, stieß eher durch Zufall auf die Baude. Haubold suchte rund um Dresden nach einer passenden Immobilie, um diese mit Kunst und Kultur zu füllen. Im Internet entdeckte er schließlich die zum Verkauf stehende Heymannbaude - knapp 30 Kilometer von der Dresdner Stadtgrenze entfernt.

Für Torsten Haubold eine echte Perle, die er erhalten möchte - obwohl ihm der Verkäufer einen Abriss ans Herz legte. Erhalt auch deshalb, weil es zwischen Bad Schandau und Königstein kaum mehr Säle gibt. "Das Haus hat eine gute Substanz. Hier steckt so viel Material und Energie drin, die wir nachhaltig nachnutzen möchten", sagt Torsten Haubold.

Zwei kreative Köpfe, die ihre Energie in die Heymannbaude stecken: Torsten Haubold und Helena Fernandino wollen wieder Kunst und Kultur nach Kleinhennersdorf holen.
Zwei kreative Köpfe, die ihre Energie in die Heymannbaude stecken: Torsten Haubold und Helena Fernandino wollen wieder Kunst und Kultur nach Kleinhennersdorf holen. © Karl-Ludwig Oberthür

Mit "wir" meint er sich, seine Partnerin Helena Fernandino und den im Mai dieses Jahres neu gegründeten Verein "Kulturbaude und Landkunst", der die Zukunft der Heymannbaude sichern soll. In dem Verein engagieren sich Menschen aus Kleinhennersdorf und der Umgebung, denen das Haus am Herzen liegt. Ihr Ziel: die Immobilie als Ort für kreatives Schaffen wieder zu öffnen.

Der Anfang ist gemacht. Seit dem Frühjahr wird in Kleinhennersdorf wieder getanzt. Jeden Freitag bietet die Tänzerin und Choreografin Helena Fernandino im Saal Tanzkurse an. "Keinen klassischen Tanzkurs in Standard und Latein", wie die gebürtige Brasilianerin sagt. Es gehe vielmehr um Ausdruckstanz, um kreatives, freies Tanzen sowie die Liebe zur Musik. Drei Gruppen mit insgesamt 40 Teilnehmern betreut sie aktuell: Kindergartenkinder, Schüler und Erwachsene - im Alter von vier bis 83. Eine Resonanz, mit der das Pärchen nicht gerechnet hat.

Als sich im Ort herumsprach, dass es einen neuen Eigentümer gibt, sei die Neugier groß gewesen. "Jeder verbindet eine andere Erinnerung mit dem Haus", sagt Torsten Haubold. Um die neuen Nachbarn besser kennenzulernen und ihnen erste Ideen vorzustellen, veranstaltete Torsten Haubold im Herbst vergangenen Jahres ein Frühschoppen - und dutzende Gäste kamen. "Plötzlich war wieder Leben hier drin - genau wie früher", erzählt er. Im Frühjahr ließ Haubold nach jahrelanger Zwangspause dann den Kinderfasching wieder aufleben. Ebenfalls ein riesiger Erfolg. "Die Kleinnaundorfer waren gerührt, dass es diese Tradition wieder gibt. Da kamen Erinnerungen hoch", sagt er. So soll es weiter gehen.

Charme der DDR ist bis heute unübersehbar

Dafür müsste jedoch auch baulich viel passieren. Die Heymannbaude wurde zuletzt 1990 unter der Treuhand saniert. Der Charme der DDR ist bis heute unübersehbar. Die Säulen im Saal zieren zum Beispiel noch immer Blumenkästen, in denen früher das typische Sachsengras gepflanzt war. Vom einst lauschigen Wellnessbereich im Keller sind nur noch die gelben Fliesen übrig. In vielen Räumen erzählen verblichene Blümchentapeten von längst vergangenen Zeiten.

Im  Saal der Heymannbaude scheint die Zeit stehengeblieben zu sein: Die Säulen zieren noch immer die für die DDR typischen Blumenkästen.
Im Saal der Heymannbaude scheint die Zeit stehengeblieben zu sein: Die Säulen zieren noch immer die für die DDR typischen Blumenkästen. © Karl-Ludwig Oberthür
Dunkles Holz und gedrechselte Säulen: Der Tresen im einstigen Gastraum der Heymannbaude.
Dunkles Holz und gedrechselte Säulen: Der Tresen im einstigen Gastraum der Heymannbaude. © Karl-Ludwig Oberthür
Check-In wie früher: Am Schlüsselbrett hängen schwere Holzanhänger für eines der Zimmer im Bettenhaus.
Check-In wie früher: Am Schlüsselbrett hängen schwere Holzanhänger für eines der Zimmer im Bettenhaus. © Karl-Ludwig Oberthür
Früher Essensraum, künftig ein multifunktionaler Seminarraum. Über dem Saal der Heymannbaude sollen einmal Workshops und Seminare stattfinden.
Früher Essensraum, künftig ein multifunktionaler Seminarraum. Über dem Saal der Heymannbaude sollen einmal Workshops und Seminare stattfinden. © Karl-Ludwig Oberthür
Wellness in Gelb: Die Fliesen im einstigen Saunabereich im Keller der Heymannbaude.
Wellness in Gelb: Die Fliesen im einstigen Saunabereich im Keller der Heymannbaude. © Karl-Ludwig Oberthür
Spieglein, Spieglein an der Wand: Vom Treppenhaus im Bettenhaus zweigen lange Flure ab.
Spieglein, Spieglein an der Wand: Vom Treppenhaus im Bettenhaus zweigen lange Flure ab. © Karl-Ludwig Oberthür

"Die Heymannbaude ist ein typischer DDR-Baukörper", sagt Torsten Haubold. Unter dem Dach stecken rund 1.500 Quadratmeter, die er aus dem Dornröschenschlaf wecken will. Im Mittelpunkt steht das einstige Gasthaus mit Saal und Dachterrasse. In den Räumen sollen später Seminare, Teambuildings, aber auch Workshops, Konzerte und Lesungen stattfinden. "Ein Bespielungsraum für Kultur und darstellende Kunst", erklärt Haubold. Über dem Saal - direkt unterm Dach - ist ein multifunktionaler Seminarraum geplant. Ein Raum mit dicken, dunklen Dachbalken, der früher als Essensraum diente. Zumindest zeugt der Speiseaufzug noch davon. Eine Gastronomie soll es hier auch wieder geben. Wie und wann genau, ist aber noch offen.

Konkretere Pläne gibt es dagegen zum später angebauten Bettenhaus. 16 Zimmer mit dazugehörigem Bad verteilen sich über drei Etagen. Ein Schlüsselbrett mit schweren Holzanhängern erinnert an die einstige Herberge. Übernachtungsgäste will auch Torsten Haubold wieder in der Heymannbaude begrüßen. Auch Wanderer, denn direkt an der Baude führt der Malerweg entlang.

Einwohner sind neugierig auf neuen Eigentümer

Was Torsten Haubold und sein Team vorhaben, hat sich in Kleinhennersdorf bereits herumgesprochen. "Es gibt viele Wünsche und Erwartungen an uns", sagt der Dresdner. Und eine große Neugier. Sie alle seien aber auch mit der entsprechenden Finanzkraft verbunden. Torsten Haubold sieht sich jedoch nicht als klassischen Investor, der ein fertiges Konzept und genügend Geld auf den Tisch legen kann. Er will sich deshalb bewusst Zeit lassen, Ideen reifen lassen, Menschen einbinden und auf eine Reise mitnehmen. Wie die im Hinblick auf den Umbau und die Sanierung aussehen soll, hängt von den Fördermitteln ab, auf die Torsten Haubold hofft. Viele Möglichkeiten habe er im Visier. Welche am Ende greifen, ist aber noch unklar. Fest steht: Die Heymannbaude soll sich nicht nur kulturell neu erfinden, sondern auch baulich. "Wir wollen ein Pilotprojekt für energieeffizientes bauen sein", kündigt der Dresdner an.

Der nächste - zumindest kulturelle - Höhepunkt ist bereits in Planung. Am 9. und 10. September ist das Theaterfestival "Zaunkönig" geplant. Lokale Künstler, Laiengruppen und Ensembles sollen an dem Wochenende in der Heymannbaude auftreten. Auch Akteuren aus Kleinhennersdorf wird eine Plattform geboten. "Es wird ein Fest für Jung und Alt", sagt Torsten Haubold.

Als Akteur in der Film- und Kulturbranche hat Haubold sich nach eigenen Worten sowohl in Dresden als auch in der Sächsischen Schweiz bereits ein großes Netzwerk aufgebaut, unter anderem zum Landschaftstheater Sandsteinspiele, der Werkstatt 26 in Königstein, der Lesebühne Pirna und den Landesbühnen Sachsen. Die hätten sogar Interesse daran gezeigt, die Heymannbaude als Proberaum zu nutzen.