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SZ + Dippoldiswalde

"Unter 4.000 Euro netto kann eine Familie nicht mehr bauen"

In den letzten anderthalb Jahren wurden die Karten auf dem Immobilienmarkt völlig neu gemischt. Was das zwischen Pirna und Dipps bedeutet.

Von Franz Herz
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Immobilienmaklerin Susanne Herbrig vor einem Haus in Dürrröhrsdorf-Dittersbach, das sie gerade verkauft.
Immobilienmaklerin Susanne Herbrig vor einem Haus in Dürrröhrsdorf-Dittersbach, das sie gerade verkauft. © Marko Förster

Am Immobilienmarkt herrscht eine Stimmung, die vom extremen Wandel innerhalb kurzer Zeit geprägt ist, schreibt die Ostsächsische Sparkasse Dresden in ihrer Immobilien-News für dieses Jahr. Wie sieht dieser extreme Wandel im Landkreis SOE aus und was hat ihn ausgelöst, erfragte Sächsische.de bei Immobilienmaklern in der Region.

Mögliche Hauskäufer können es sicht nicht mehr leisten

Es wird schwieriger für Kauf- oder Bauwillige, die knapp kalkulieren müssen. „Mögliche Käufer fallen weg“, stellt der Dippoldiswalder Makler Steffen Steger fest. „Interessenten, die bei ein bis zwei Prozent Zins noch ein Haus finanzieren konnten, sind jetzt bei über vier Prozent dazu nicht mehr in der Lage.“ Hans-Jürgen Czwink aus dem Dippser Ortsteil Schönfeld, der ebenfalls als Makler tätig ist, stellt fest: „Unter einem Nettoeinkommen von 4.000 Euro kann eine Familie nicht mehr bauen.“

Fast die gesamten 2010er-Jahre hatte sich eine Situation herausgebildet, in der Geld günstig zu bekommen war. Und wer welches hatte, suchte nach Anlagemöglichkeiten. Auf der Bank gab es ja zeitweise Minuszinsen. Da waren Immobilien sehr gefragt, als Geldanlage und zur Eigennutzung.

Hohe Zinsen, knappes Material und Preissteigerungen

Dann kam im vergangenen Jahr der Einmarsch Russlands in die Ukraine. Dieser Krieg hatte Folgen, die bis heute die Immobilienbranche durchschütteln. Zinsen stiegen wieder, Material beispielsweise Holz wurde zeitweise knapp, die Nachfrage auf dem Wohnungsmarkt nimmt zu. Die Baupreise kletterten von Anfang 2022 bis Anfang 2023 um rund 20 Prozent in die Höhe, wie das Statistische Landesamt informiert.

Gut, kann man einwenden, aber vier Prozent Zinsen waren vor 15, 20 Jahren auch noch normal. Aber damals waren erstens die Baupreise noch erheblich günstiger. Zweitens waren damals Probleme wie Lieferschwierigkeiten oder Betriebe, die über lange Zeit ausgelastet waren, auch äußerst selten. Das hat sich grundlegend geändert. Die Preise sind gestiegen, die Organisation einer Baustelle ist schwieriger.

Neue Chancen für die ländliche Region

Andererseits haben sich in den vergangenen Jahren neue Chancen für die ländliche Region ergeben. Die Erfahrungen während der Pandemie haben vielen Städtern vor Augen geführt, dass das Wohnen auf dem Land seine Vorteile hat. Das Thema Homeoffice ist in den Vordergrund gerückt und hat zu ganz neuen Fragen an eine Immobilie geführt. Für Mitarbeiter im Homeoffice ist der Arbeitsweg nicht mehr so entscheidend. Hingegen müssen die Internetanbindung und das Mobilfunknetz stimmen. Außerdem braucht eine Wohnung auch den nötigen Platz, um einen eigenen Arbeitsplatz einzurichten. Mit dem Laptop am Küchentisch, das war eine häufige Notlösung während des Lockdowns, kann aber kein Dauerzustand sein. So hat die Pirnaer Maklerin Susanne Herbrig ein Haus im Liebstädter Ortsteil Waltersdorf oben im Osterzgebirge an einen Alleinstehenden verkauft, der dort zu Hause arbeitet. „Für eine Familie mit Kindern wäre das nicht geeignet gewesen. Die würden eine bessere Busverbindung benötigen“, sagt Herbrig.

Mehr Bewegung im Speckgürtel von Dresden

Daher ist nach wie vor ein entscheidendes Kriterium für eine Immobilie die Nähe zu Dresden und die Erreichbarkeit. Die Bodenrichtwerte liegen vor den Toren der Landeshauptstadt am höchsten. Spitzenwerte mit rund 300 Euro pro Quadratmeter finden sich im Freitaler Ortsteil Pesterwitz und im Kernort Kreischa. In Kreischa selbst übersteigen einzelne Straßenzüge sogar die 400-Euro-Marke.

Hingegen liegen beispielsweise in Altenberg die Werte zwischen 30 und 60 Euro. Aber das ist der Lage geschuldet. Die Arbeitswege sind weit. Rund 1.900 Altenbergerinnen und Altenberger pendeln in andere Gemeinden zur Arbeit, wogegen rund 2.250 Menschen in der Stadt und ihren Ortsteilen beschäftigt sind, wie das Statistische Landesamt informiert.

Noch schwieriger ist die Situation in Hohnstein. Die Grundstückspreise liegen wie in Altenberg zwischen 30 und 60 Euro. Aber der Arbeitsmarkt ist schwächer. Hier sind 1.115 Einwohner in anderen Kommunen beschäftigt, nur 460 Hohnsteiner finden im eigenen Ort Arbeit. Die landschaftliche Schönheit kann die wirtschaftlichen Schwächen nicht ausgleichen. Im sogenannten Speckgürtel der Landeshauptstadt ist der Immobilienmarkt wesentlich aktiver mit höheren Preisen.

Verunsicherung durch die Heizungsdebatte

Aktuell verunsichert aber vor allem die politische Debatte um die Zukunft der Heizungen mögliche Käufer. „Es ist eine der ersten Fragen: Wie wird das Haus beheizt“, sagt Steger. Und dann ist es für viele schwierig, zu kalkulieren, was in den nächsten Jahren auf sie zukommt.

Was das bedeuten kann, beschreibt Susanne Herbrig an ihrem eigenen Beispiel. Ihr gehört ein Haus in Dippoldiswalde, das jetzt mit Gasetagenheizungen ausgestattet ist. Wenn sie umstellen müsste, wären die Gasleitungen überflüssig. Sie müsste aber neue Leitungen einbauen, die heißes Wasser zu den Heizkörpern transportieren. „Und das in einem Altbau, der unter Denkmalschutz steht“, sagt sie ohne weiteren Kommentar. Ein hoher fünfstelliger Betrag käme damit auf sie zu.

Der Wandel auf dem Immobilienmarkt wird also anhalten. Ob er so extrem bleibt wie in den letzten anderthalb Jahren, können auch Experten nicht voraussagen.