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Im Schlafwagen quer durch Europa

Nachtzüge sind wieder beliebt, das Angebot steigt stetig. Bald kehrt etwa der Klassiker Berlin–Paris nach neun Jahren zurück. Doch noch ist das Angebot an Verbindungen, die durch Sachsen führen, überschaubar.

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Ein Fahrt im Nachtzug ist schon der Anfang vom Erlebnisurlaub.
Ein Fahrt im Nachtzug ist schon der Anfang vom Erlebnisurlaub. © picture alliance

Von Björn Hartmann

Nachtzüge haben ihren eigenen Reiz. Literarisch ohnehin, da wird im Waggon gemordet oder spioniert, geliebt oder gespeist. Fans lieben auch das entspannte Reisen quer durch Europa. Über die Jahre kamen die Züge dennoch aus der Mode, die Deutsche Bahn stieg vor sieben Jahren sogar aus – kein Geschäft. Die Österreichische Bundesbahn (ÖBB) sah das anders. Jetzt hat sie mehrere Hundert Millionen Euro in komplett neue Züge investiert, wird ihr Angebot mehr als verdoppeln. Und auch zahlreiche neue Unternehmen versprechen sich Gewinn von den rollenden Hotels. Davon profitiert besonders Deutschland.

Beliebt sind die Nachtzüge inzwischen wieder. Auf vielen Strecken, etwa zwischen Berlin und Zürich, sind vor allem die Schlafwagen sehr schnell ausgebucht. Kurzfristig ist kaum etwas zu bekommen. Die ÖBB als größter europäischer Anbieter verdient mit dem Nightjet genannten Angebot Geld, wenn auch nicht viel. „Wir sind profitabel“, sagt Sabine Stock, im Vorstand für Personenverkehr zuständig. Die Österreicher wollen mehr. Bisher betreiben sie 26 Nachtzüge. Siemens liefert dem Staatsunternehmen jetzt 33 neue.

Zum Frühstück nach Paris

Die Abteile in den neuen Schlafwagen sind mit eigenem Bad und Dusche ausgestattet, auch die Liegewagen deutlich komfortabler. Und es gibt künftig Minikabinen, ähnlich den Schlafboxen etwa am Tokioter Flughafen. Im Prinzip ein Bett mit Klapptisch, an dessen Fußende man hineingelangen kann. Zwei davon sind jeweils übereinandergestapelt und bieten Einzelreisenden Privatsphäre, wie es heißt. Ob sich das Konzept durchsetzt, ist noch unklar. Vergleichbare Angebote gibt es bisher nicht.

Die ÖBB will sie von Dezember an auf bestehenden Strecken einsetzen, zunächst etwa zwischen Hamburg und Wien sowie zwischen Hamburg und Innsbruck. Über weitere Strecken wird nachgedacht. „Das entscheiden wir in den kommenden Wochen“, sagte Stock. Die älteren Fahrzeuge werden dann frei für neue Angebote der ÖBB. Noch vor Weihnachten verbindet dann nach neun Jahren wieder ein Nachtzug Berlin und Paris. Und auch zwischen Brüssel und Berlin wollen die Österreicher fahren. Geplant sind zunächst drei Fahrten die Woche, von Herbst 2024 an soll der Zug dann täglich unterwegs sein.

Durch das neue Angebot werden Mannheim und München einen zusätzlichen Nachtzug-Halt bekommen. Denn um die neue Verbindung von Berlin mit Brüssel und Paris ins bestehende Angebot einzubinden, verlegt die ÖBB die bereits bestehende Strecke von Wien nach Brüssel und Paris, die bisher über Passau, Nürnberg und Koblenz verlief, über München und Mannheim.

Die ÖBB tritt mit der neuen Ost-West-Verbindung in direkte Konkurrenz zu einem der vielen privaten Anbieter: dem niederländischen Unternehmen European Sleeper. Seit Mai fährt der Nachtzug dreimal wöchentlich von Brüssel über Amsterdam nach Berlin und zurück. Der niederländische Konkurrent GreenCityLine schickt einen Zug von Amsterdam nach Prag und zurück. Das Unternehmen hat einen starken Partner gewonnen: TUI, größter Touristikkonzern der Welt, vermarktet den halben Zug. Und kurz vor Weihnachten wandelt sich der Nachtzug dann in den TUI-Ski-Express, der bis März von Amsterdam über Köln und Frankfurt nach Tirol oder Salzburg rollt.

Der Mobilitätskompass - Mitmachen und Reise gewinnen

  • Worum geht es? Der Mobilitätskompass ist eine Umfrage zu Mobilitätsangeboten und -wünschen in der Region. Die Umfrage wurde mit wissenschaftlicher Unterstützung der Evangelischen Hochschule Dresden entwickelt. Jeder kann sich beteiligen.
  • Wie kann ich teilnehmen? Den Fragebogen finden Sie im Internet unter www.saechsische.de/mobilitaetskompass . Die anonyme Umfrage läuft bis Ende September. Die Ergebnisse werden wissenschaftlich ausgewertet und im November präsentiert.
  • Warum mitmachen? Mit Ihren Antworten helfen Sie, dass ihre Meinung gehört wird. Die Kompass-Befragungen der Sächsischen Zeitung zeichnen nicht nur ein Stimmungsbild, sie führen auch zu Veränderungen. Darüber hinaus haben Sie die Chance, an einer Verlosung teilzunehmen und attraktive Preise zu gewinnen, unter anderem eine Wanderreise für zwei Personen an die Amalfi-Küste nach Italien.

Der Reisekonzern aus Hannover plant zudem weitere Bahnstrecken mit Partnern, will aber keine eigenen Züge kaufen. Denkbar sind Verbindungen nach Italien, Frankreich oder Skandinavien, wie Deutschland-Chef Sebastian Ebel sagt. Verkauft werden sollen die Fahrten immer im Paket mit Hotels und Aktivitäten. So soll sich das Konzept rechnen. Denn die Nachtzüge stehen tagsüber, im normalen Verkehr sind sie kaum einsetzbar.

In den Sommermonaten verbindet auch die schwedische Snälltåget Stockholm über Nacht mit Berlin. Im Winter bietet das Unternehmen, das zum privaten französischen Bahnkonzern Transdev gehört, einen Nachtzug von Malmö über Hamburg und München nach Innsbruck an. Und zwischen Hamburg und Villach schickt der Anbieter RDC, hinter dem ein US-Unternehmen steht, einen Nachtzug mit Autotransport auf die Schiene.

Das alles sind Einzelangebote, ein umfangreiches Nachtnetz werden wohl nur die großen staatlichen Bahnkonzerne in Europa aufziehen können. So arbeiten Deutsche Bahn sind ÖBB eng zusammen. Mit dabei sind auch SBB (Schweiz), Trenitalia und SNCF (Frankreich). Federführend ist die ÖBB, die das größte eigene Nachtnetz betreibt. Auch die Staatsbahnen von Polen, Tschechien, Ungarn und Kroatien bieten Nachtzüge an – Klassiker etwa von Berlin, Stuttgart und München nach Budapest. Oder etwas weniger direkte Strecken wie von Zürich über Mannheim, Frankfurt und Dresden nach Prag. Die Deutsche Bahn selbst ist auch in der Nacht unterwegs. Die ICE-Züge, die quer durch die Republik fahren, haben aber nur Sitzplätze.

Ab Dresden durch die Nacht

Große Ausbaupläne für grenzüberschreitenden Verkehr in Europa gibt es schon länger. 2020, während der deutschen Ratspräsidentschaft, schob die Bundesregierung ein Schnellzugnetz in Europa an, das auch mehr Nachtzüge einschloss. So richtig in Gang gekommen ist das allerdings nicht.

Ein Grund: Sehr hohe Investitionen in den Streckenausbau. Auch bremsen Gebühren und Bürokratie. So muss jeder Zug in jedem Land extra zugelassen werden – auch ein Grund, warum die ÖBB die neuen Züge zunächst nur in Deutschland Italien und Österreich einsetzen will.

Und dann ist da noch die Technik: unterschiedliche Stromnetze und Spurweiten. Letzteres erschwert durchgehende Züge etwa von Frankreich nach Spanien. Eisenbahnromantik bleibt da eher auf der Strecke. Da hat es aufgrund all dieser Herausforderungen wenig Sinn, dass jedes Bahnunternehmen „ein bisschen Nachtzug“ macht“ wie eine Bahnsprecherin sagt.

Und dementsprechend überschaubar sind die Nachtzugverbindungen, die durch Sachsen führen. Die dem ICE kommt man von Leipzig nach Wien, auch der ICE von Berlin nach München macht Station in Leipzig. Wer es bequemer mag und sich hinlegen will, kommt von Sachsen aus direkt nur nach Zürich. Der Nightjettrain von Berlin nach Zürich hält in Leipzig und der Nachtzug von Prag nach Zürich in Dresden und Leipzig. (mit SZ)