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Moritzburg: Von ganzem Herzen herrlich

Wenn die Mittel auch den Zweck heiligen, lädt der Verein zur Erhaltung der Kirche Moritzburg wieder ein zur Sonntagsmusik in der Moritzburger Kirche.

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Nicola Emmerich, die Vorsitzende des Vereins zur Erhaltung der Kirche in Moritzburg, im Altarraum der Kirche.
Nicola Emmerich, die Vorsitzende des Vereins zur Erhaltung der Kirche in Moritzburg, im Altarraum der Kirche. © Norbert Millauer

Von Beatrice Fischer

Moritzburg. Leon Albert wird der Erste sein. Der süße Rausch der Vorfreude wippt beim Gespräch über seine Stimme, denn er kennt die Bühne, die ihn am Sonntag erwartet: Wenige Hundert Meter vor dem Rathaus, erhaben, schön und einladend, wacht die Moritzburger Kirche über dem Ort. Während seines Studiums an der Hochschule für Musik Carl Maria von Weber in Dresden erfuhr der 1991 in Erlangen geborene Gitarrist schon einmal, wie unnachahmlich sich sein Instrument in der Akustik dieses Gebäudes austastet, wie der Klang mit dem Raum spielt, als gehöre er genau dorthin.

Architekt Richard Schleinitz, der neben dem Radebeuler Wasserturm auch das Coschützer Rathaus entwarf und dessen Idee für eine Moritzburger Kirche seinerzeit innerhalb eines Wettbewerbs gewann, dürfte selbst noch in den Genuss gekommen sein, sich vom phänomenalen Sound des Gotteshauses zu überzeugen, denn als die Kirche 1904 nach nur zwei Jahren Bauzeit eingeweiht wurde, war der in Dresden-Pillnitz geborene Architekturschüler von Konrad Lipsius erst 43. Manch Bauwerk von Richard Schleinitz fiel dem Zweiten Weltkrieg zum Opfer, andere von ihm erdachte Häuser stehen unter Denkmalschutz und bedürfen nicht zuletzt einer gewissen Leidenschaft der Bürger, sich immer wieder für Instandhaltung und Bewahrung einzusetzen.

Mit etwa 10.472 Euro hat die Moritzburger Tischlerei Glöckner die Aufwendung für die nun nötig werdende Sanierung einiger Fenster des evangelisch-lutherischen Hauses vorveranschlagt. Während der Bau im Jahre 1902 wohl an die 163.635 Mark kostete, welche auch damals schon von Anwohnern und Engagierten zusammengetragen wurden, schlug die 2010 weitestgehend abgeschlossene Grundsanierung der Kirche bisher mit zweieinhalb Millionen Euro zu Buche, beigesteuert auch durch Bund, Land und Kommune. Ein Anliegen der Beharrlichkeit, für das es stetig Motivation und guten Willen braucht, bleibt der Erhalt der Kirche bis heute.

Nicola Emmrich vor Südseite der Kirche in Moritzburg. Die Fenster müssen saniert werden, sagt sie.
Nicola Emmrich vor Südseite der Kirche in Moritzburg. Die Fenster müssen saniert werden, sagt sie. © Norbert Millauer

Das weiß auch Dr. Christian Kahrs, Professor für Religionspädagogik der Evangelischen Hochschule Dresden, seit 2020 leitender Mitarbeiter des Campus Moritzburg. 1996 zog der aus dem Norden Deutschlands stammende Professor in die sächsische Region und organisiert seit vielen Jahren die „Sonntagsmusik in der Moritzburger Kirche“. Ein Orgel- und Violinenkonzert mit Oksana Popsuy und Nataliia Vasylieva finden sich nun 2023 in der Neuauflage des Programms, weiterhin der Moritzburger Gospelchor, das Dresdner Akkordeonorchester unter Leitung von Wladimir Artimowitsch, ebenso wie Kammermusik mit Ebba Wagner, das Sächsische Landeszupforchester von Annette Schneider und auch die Bigband „Big Joe“, die sich mit Jazz und Swing auf viel, viel, viel Publikum freuen.

Dass Musiker heute fast „für umme“, also nur sehr kleine Gagen spielen, ist nicht eben üblich. Dass sie es tun, um den Erhalt dieser Kirche in Moritzburg zu unterstützen, liegt unbedingt auch am Erlebnis, hier auf die sonst bei Konzerten nötige Verkabelung verzichten zu können. Monitorboxen und Mikrofone erübrigen sich, Stimmen und Instrumente formen sich während der Auftritte unter der Doppelkuppel und wenn das Licht eines verrückt opulenten Frühlingstages das Haus durchdringt, wird klar, warum den Beteiligten der Erhalt des Gebäudes so herrlich am Herzen liegt.

1945 drohte dem Kirchhaus zweimal die Vernichtung. Während die SS im April das Gebäude niederbrennen wollte, um nicht entdeckt zu werden, steckten es im Mai einrückende sowjetische Truppen in Brand, weil an den Emporen noch Kränze mit Hakenkreuzschleifen hingen. Es war dem damaligen Pfarrer Otto Seibt zu verdanken, dass eine völlige Zerstörung verhindert werden konnte.

Seit 1992 macht sich der von 41 Beteiligten gegründete „Verein zur Erhaltung der Kirche Moritzburg“ um das Haus verdient. Ein wenig verwegen, ein bisschen selbstbewusst mutet die neobarocke Form der Kirche an und eine kleine Dosis Heiterkeit ließ ihr der Erfinder Schleinitz wohl nicht zuletzt mit der Entscheidung angedeihen, den Grundriss nicht gen Osten auszurichten, wie zumeist für Sakralbauten üblich.

Wenn Leon Albert am 16. April die Sonntagsmusik eröffnet und seine „24 Präludien für den erweiterten Bekanntenkreis“ vorstellt, passt das recht gut, denn auch das neue Album des Komponisten klingt nach optimistischen, unkonventionellen Begegnungen.

Alle Konzerte sind bei freiem Eintritt zu erleben, dass sich Organisatoren und Musiker über eine Kollekte freuen, wird einem baulichen Kleinod zuteil, das zu besuchen sich lohnt.