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Wie ein Ebersbacher Start-up die Welt ein bisschen besser machen will

Wie kann man Müll reduzieren und eine Alternative zu den ganzen Plastik-Wegwerfverpackungen finden? Holger Wagner hatte da eine Idee. Daraus ist die Firma Lausitzer Naturfaser geworden.

Von Romy Altmann-Kuehr
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Holger Wagner ist Chef der Lausitzer Naturfaser in Ebersbach. Aus Bananenfasern entstehen hier Verpackungen.
Holger Wagner ist Chef der Lausitzer Naturfaser in Ebersbach. Aus Bananenfasern entstehen hier Verpackungen. © Matthias Weber/photoweber.de

Aus nutzlosen Pflanzenteilen Verpackungen herstellen, die komplett verrotten und damit den weltweiten Plastikmüll enorm eindämmen - klingt genial! Genau das haben sich die Ebersbacher Firmenchefs Holger Wagner und Jörg Rhode überlegt - und in Zusammenarbeit mit der Dresdner Smartpac Verpackungsmaschinen GmbH und ihrer bereits bestehenden Firma Rhode + Wagner Anlagenbau im Jahr 2019 das Start-up Lausitzer Naturfaser gegründet.

Inzwischen ist die Idee so weit gereift, dass die kleine Firma einen eigenen Firmensitz braucht. Bisher ist sie bei den Anlagenbauern Rhode + Wagner im Ebersbacher Gewerbegebiet Rumburger Straße eingemietet. Für einen eigenen Neubau hat das Unternehmen jetzt ein Grundstück direkt gegenüber im Gewerbegebiet von der Stadt Ebersbach-Neugersdorf gekauft.

Selbstständig sind die Geschäftspartner Holger Wagner und Jörg Rhode schon seit 2009. Damals gründeten sie die Firma Rhode + Wagner. Zuvor waren der gelernte Elektroniker Wagner und der Kunststoffschlosser Rhode beide bei der gleichen Firma angestellt. Die meldete damals Insolvenz an. Aus dieser Situation heraus entschieden sie: "Wir machen was Eigenes." Aus Arbeitskollegen wurden Firmengründer und Geschäftspartner. Im Niedercunnersdorfer Wohnhaus von Jörg Rhode ging es los. Dort wurde es bald zu eng, im Ebersbacher Gewerbegebiet wurde neu gebaut. Rhode + Wagner hat sich als Anlagenbauer für Beschichtungen einen Namen gemacht, vor allem in der Flugzeugindustrie.

"Das Zeug fliegt einfach in die Natur"

Und nun eine erneute gemeinsame Gründung. Was aber macht die Lausitzer Naturfaser konkret? Hier entstehen aus sogenannten biogenen Materialien - also solchen, die komplett natürlichen Ursprungs sind - Verpackungen, die bisher meist aus Styropor gefertigt werden.

Als Beispiel für den Einsatz nennt Geschäftsführer Holger Wagner Einmal-Geschirr. Das Problematische an den herkömmlichen Materialien für solche und andere Einwegprodukte: Die Plaste-Verpackungen verrotten nicht. Und in vielen Ländern gibt es kein Abfallsystem wie in Deutschland und Europa, bei dem der Müll gesammelt und recycelt wird. "Das Zeug fliegt einfach in die Natur oder ins Meer." Holger Wagner hat das selbst gesehen. Er erinnert sich an einen Besuch in der Dominikanischen Republik. "Wo Licht ist, ist meist auch ganz viel Schatten", umschreibt er die Situation. Da gebe es einerseits die schönen Strände, die jeder als Urlaubsparadies kennt. Und keine zwei Fahrtstunden entfernt leben die Menschen auf Müllbergen.

Man müsse über den Tellerrand hinausschauen, so der 45-Jährige. "Die Probleme der Menschen dort berühren uns zwar nicht unmittelbar. Sie kommen aber irgendwann zu uns zurück, sei es übers Wasser oder über die Lebensmittelketten." Die enorme Umweltverschmutzung beeinflusst eben auch das Klima auf dem gesamten Globus.

Diese ganzen Kunststoffverpackungen muss man doch irgendwie ersetzen können, dachten sich die Gründer. Bei der Suche nach dem perfekten Rohstoffe dafür stießen sie auf Bananenstämme. Die sind einjährig, sie bleiben nach der Bananen-Ernte übrig. In den Ländern, wo Bananen angebaut werden, liegen die Stämme in großen Mengen dann einfach herum.

Garschalen für den Straßenverkauf

Lausitzer Naturfaser hat einige Ladungen Bananenfasern nach Ebersbach liefern lassen, um damit zu experimentieren und Methoden zu entwickeln, wie sich daraus Verpackungen herstellen lassen. Perspektivisch soll aber der Rohstoff nicht importiert und hier verarbeitet werden. Ziel ist es vielmehr, in Ebersbach Anlagen zu konzipieren und zu bauen, die dann in die entsprechenden Länder gebracht werden und dort zum Einsatz kommen, wo es Bananenstauden und damit auch deren Abfall nach der Ernte in großen Mengen gibt, erklärt Holger Wagner. Zum Beispiel in Vietnam oder Kolumbien. Vor Ort sollen die Rohstoffe direkt verarbeitet werden. Dazu sucht Lausitzer Naturfaser Firmen, die in den Ländern produzieren und die Anlagen zum Einsatz bringen können. Kosmetik- oder Parfümfirmen würden beispielsweise häufig in asiatischen Ländern herstellen, so Wagner.

In Vietnam ist jetzt eine Anlage von Lausitzer Naturfaser in Betrieb gegangen. Anfang 2023 soll in Kolumbien eine aufgebaut werden. Dort werden dann vorrangig Garschalen für den Straßenverkauf von Essen hergestellt.

Wagner schwebt zudem vor, ein Sammelsystem aufzubauen, ähnlich dem aus DDR-Zeiten bekannten Sero-Elefanten. Einheimische könnten Bananenstämme einsammeln, zu einer Sammelstelle bringen und dafür Geld erhalten. "Die Ärmsten können aus dem Abfall, den sie sammeln, an einem alternativen Produkt mitarbeiten und werden so zu globalen Trendsettern. Das ist doch genial!", erklärt Wagner die Idee.

Im Prinzip, so Holger Wagner, könne man beinahe jede Verpackung, die üblicherweise aus Kunststoff besteht, auch aus den Naturfasern herstellen. Der Knackpunkt ist: Wagner muss Firmen finden, die das nutzen wollen. Um sie zu überzeugen, muss er erst mal Prototypen herstellen. Wie zum Beispiel einen Präsentationsteller mit kleinen Vertiefungen für Parfümfläschchen. Diese Vorarbeit kostet Geld.

Dabei sind die Argumente für den Umweltschutz unschlagbar: Bereits nach sieben Tagen sind die Verpackungen so zersetzt, dass Tiere sich die Fasern zum Nestbau holen, erzählt Wagner. Leere Verpackungen ließen sich auch als Anzuchtschale für Pflanzen nutzen. Die Naturfaser würde das Wasser speichern und an die Setzlinge abgeben. "Man kann die Produkte dafür einsetzen, neue Pflanzen heranzuziehen, die später erneut verarbeitet werden. So schließt sich der Kreislauf."

Mehr Jobs am neuen Standort

Was so genial klingt, findet allerdings bei staatlichen Geldgebern in Deutschland offenbar noch wenig Aufmerksamkeit. Wagner und sein Team von Lausitzer Naturfaser haben alle Möglichkeiten für Fördermittel abgeklappert - bisher ohne Erfolg. Anders sehe das beispielsweise in der Schweiz aus. Deshalb hat Wagner sich inzwischen Partner dort gesucht.

Derzeit sind in dem Ebersbacher Start-up fünf Mitarbeiter beschäftigt. Mit dem eigenen Standort im Neubau soll sich das Team erweitern. Aktuell wird schon ein Verfahrenstechniker gesucht. Es wird eine Abteilung für Forschung und Entwicklung geben, die weiter mit verschiedenen Naturfasern forscht. Wagner und sein Team haben beispielsweise mit Laub und Stroh experimentiert - Rohstoffe, die es auch hierzulande zuhauf gibt. Am idealsten zur Verarbeitung hat sich aber bisher die Bananenfaser erwiesen. Sie benötigt am wenigsten Bindemittel. Dabei wird natürlich nur solches verwendet, das ebenfalls biogenen Ursprungs ist.

Gebaut werden soll das neue Firmengebäude in Ebersbach in den nächsten drei bis vier Jahren, sagt Holger Wagner. "Je nachdem, wie sich auch die Baubranche entwickelt." Lausitzer Naturfaser arbeitet derweil weiter daran, die Müllberge in der Welt zu reduzieren. Erst dieser Tage ist Holger Wagner wieder in Kolumbien unterwegs.