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Wärme aus großer Tiefe: Sachsen suchen klimaschonende Lösung

Auf der Suche nach klimafreundlichen Technologien schauen Kommunen in Sachsen in den Untergrund. In Tausenden Metern Tiefe könnte Wärme angezapft werden - doch nicht ohne Risiko.

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In Schönbrunn und Geilsdorf im Vogtland könnte man Thermalwasser als unterirdisches Wärme-Reservoir nutzen.
In Schönbrunn und Geilsdorf im Vogtland könnte man Thermalwasser als unterirdisches Wärme-Reservoir nutzen. ©  pixabay.com (Symbolfoto)

Schönbrunn/Schneeberg. Seit Jahrtausenden ruht im Südwesten Sachsens ein Schatz im Untergrund, der bei den aktuellen Energieproblemen und Klimafragen an Bedeutung gewinnt: Ein großes Wärme-Reservoir in Tausenden Metern Tiefe weckt im Vogtland Hoffnungen auf eine neuartige Form der Energiegewinnung.

Bisher kaum beachtet, stehen nun die zwei kleinen Dörfer Schönbrunn und Geilsdorf, in denen Thermalwasser seit langem ungenutzt aus dem Boden aufsteigt, im Zentrum der Aufmerksamkeit. Jetzt legt der Landkreis ehrgeizige Pläne auf den Tisch: 80.000 Einwohner könnten über das unterirdische Wärme-Reservoir versorgt werden, sagt Landrat Thomas Hennig (CDU). Das würde mehr als ein Drittel der 223-000 Einwohner des Vogtlandes betreffen und die Städte Plauen und Oelsnitz einschließen.

"Seit einem Jahr laufen dazu die Forschungen, mit inzwischen sehr guten ersten Ergebnissen", so der Landrat. Möglich werden könne die klimafreundliche Energiegewinnung über die Tiefengeothermie, die Wärme aus Tausenden Metern über Bohrungen anzapfen kann. Unter dem Vogtland vermuten Wissenschaftler eine Art Magmablase als geologische Besonderheit, die nicht nur Hitze speichert und in Form von Thermalwasser aufsteigen lässt, sondern auch für die regional typischen Schwarmbeben verantwortlich sein soll. In fünf bis zehn Jahren, hofft Hennig, könnte das Projekt in die Tat umgesetzt werden.

Bohrungen auch in Schneeberg geplant

Risiken bei diesen Tiefenbohrungen seien größtenteils beherrschbar, sagt Horst Kämpf vom Deutschen Geoforschungszentrum Potsdam (GFZ) als ein Projektpartner. "Wir provozieren damit keine Erdbeben." Andererseits sei es eine technische Herausforderung, nach Wasser zu bohren, das aus der Tiefe mit großem Druck nach oben steigt. "Die ganze Bohrvorrichtung und das Gestänge könnten durch das Loch wieder nach oben herausfliegen.

Deshalb braucht es spezielle Sicherungsventile, die natürlich Zusatzkosten verursachen", so der Wissenschaftler. Überhaupt sei die Unsicherheit, das aufsteigende Wasser zu lokalisieren und über eine teure Bohrung zu finden, das größte Risiko. Denn pro Tausend Meter koste die Bohrung rund 1,5 Millionen Euro. "Es muss gebohrt und gemessen werden, erst dann können wir genau sagen, wie ergiebig das Reservoir ist", schätzt der Wissenschaftler die Lage ein.

Auch die Stadt Schneeberg im Erzgebirgskreis verfolgt mit der Tiefengeothermie ähnlich ehrgeizige Ziele. Noch in diesem Jahr hoffen die Partnerschaft aus Stadt, den Stadtwerken, dem Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie und Wissenschaftlern der TU Bergakademie Freiberg auf die Genehmigung eines entsprechenden Projektes, sagt die Geschäftsführerin der Stadtwerke Schneeberg, Janice Kaiser. Geplant seien zwei Bohrungen in bis zu 5.000 Metern Tiefe.

Fündigkeitsrisiko besteht

Gespräche mit Unternehmen zu Planung und Umsetzung liefen bereits. Während im Vogtland Thermalwasser in der Tiefe angezapft werden soll, konzentriert sich Schneeberg auf eine andere Form der Tiefengeothermie. "Wir wollen die Wärmeenergie in einem unterirdischen Kluftsystem, eine Art kaputtes Felsgestein, über die Bohrungen bergen und nutzen", so Kaiser.

Eine geologische Störungszone - der sogenannte "Rote Kamm" - mache Schneeberg zum idealen Ort dafür. Seit rund 15 Jahren liefen hier die Untersuchungen mit wechselnden Partnern, darunter dem Landesamt, Ministerien und Universitäten, ergänzt Kaiser. Das letzte große Vorprojekt "Geothermie im Granit Sachsens" sei 2019 unter anderem an den Berechnungen zur Wirtschaftlichkeit gescheitert. "Russisches Gas war unschlagbar billiger. Das hat sich inzwischen geändert."

Bei der Tiefengeothermie kann Wärme in Tausenden Metern Tiefe über Bohrungen angezapft werden.
Bei der Tiefengeothermie kann Wärme in Tausenden Metern Tiefe über Bohrungen angezapft werden. © Symbolfoto: dpa/Patrick Pleul

Seit einem Jahr plant Schneeberg einen neuen Anlauf, sagt Kaiser. "Die über die Tiefengeothermie erzeugte Wärme könnten alle Abnehmer nutzen, die an unser Fernwärmenetz angeschlossen sind. Wichtig ist, dass der Preis bei Geothermie im Vergleich zu fossil erzeugter Wärme für die Kunden am Ende nicht höher ist." Es bleibe bei diesen neuartigen Formen der Energiegewinnung jedoch immer das sogenannte Fündigkeitsrisiko.

Der Fachausdruck bezeichne laut Kaiser die Unsicherheiten bei den tiefen geothermischen Bohrungen, die hohe Kosten verursachen. "Es bleibt das Risiko, nicht das gewünschte Ergebnis in der Tiefe zu finden." Spezialuntersuchungen hätten den "Roten Kamm" jedoch bereits nachgewiesen und damit dieses Risiko für das Schneeberger Projekt deutlich minimiert, schätzt Kaiser die Lage ein.

Geologische Sonderstellung

Der vogtländische Standort um Schönbrunn hat inzwischen die nächste Hürde genommen. Dem Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie zufolge wurde im Juli 2023 das entsprechende Projekt um weitere anderthalb Jahre verlängert. Für rund eine Million Euro seien neue Aufträge an Forschungseinrichtungen der TU Bergakademie Freiberg, des Leibniz-Instituts für Angewandte Geophysik mit Sitz in Hannover und des Deutschen Geo-Forschungs-Zentrums Potsdam vergeben worden.

Die hier vermuteten Thermalwässer in bis zu vier Kilometern Tiefe nehmen der Behörde zufolge in Sachsen eine geologische Sonderstellung ein. "Daraus ergibt sich in der Region ein einzigartiges Potenzial für nutzbare Erdwärme aus großen Tiefen."

Die im Projekt erarbeiteten Methoden könnten prinzipiell auch an anderen sächsischen Standorten angewendet werden, um Energie aus Erdwärme zu erschließen. Dies betreffe alle Gegenden, etwa mit Granitgestein im tieferen Untergrund und Wasserdurchlässigkeit. "Für die gibt es aber noch keine standortgenauen Potenzialerhebungen", heißt es aus dem Landesamt.

Möglichkeiten für Geothermie in Sachsen könnten auch die vielen gefluteten Bergwerke bieten. "Die oft warmen Grubenwässer können unter bestimmten Voraussetzungen zur Wärmegewinnung genutzt werden." Ein laufendes Forschungsprojekt des Landesamtes untersucht Grubenwässer in stillgelegten Bergwerken Sachsens auf ihr geothermisches Potenzial, teilt die Behörde mit und verweist auf die Geothermieanlage an der Westsächsischen Hochschule in Zwickau. Diese ist mit einer Forschungsbohrung bis in 628 Meter Tiefe seit 2018 in Betrieb.

Die oberflächennahe Geothermie hingegen sei bis auf wenige Ausnahmen sachsenweit für Privathaushalte möglich, so das Landesamt. Diese Bohrungen finden bis zu einer Tiefe von 400 Metern statt, während Tiefengeothermie zwei bis fünf Kilometer in den Untergrund gehen kann. "Derzeit werden in Sachsen circa 19.250 Gebäude mit oberflächennaher Erdwärme versorgt. Sachsen weist dabei sehr gute Gesteinseigenschaften auf." (dpa)