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So kommt Leben ins Rittergut

Im Gesindehaus vom ehemaligen Rittergut Polenz bei Neustadt gibt es viel zu tun. Der erst kürzlich preisgekrönte Verein hofft auf noch mehr Unterstützung.

Von Anja Weber
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Martin Herrmann zeigt eines der Fenster, welche einige Vereinsmitglieder derzeit mit Farbe versehen.
Martin Herrmann zeigt eines der Fenster, welche einige Vereinsmitglieder derzeit mit Farbe versehen. © Steffen Unger

Unermüdlich sind Mitglieder des Festvereins 750 Jahre Polenz im Gesindehaus am Wasserberg am Arbeiten, ob in der Woche oder am Wochenende. Immer wird gewerkelt und immer gibt es auch etwas zu tun. Sie haben sich ein großes Ziel gesetzt. Sie wollen die Reste des ehemaligen Rittergutes mit Gesindehaus, Ställen und Milchhaus in Polenz retten. Eigentümer des Areals ist die Stadt Neustadt. Der Festverein nutzt das Gebäude und saniert es meist in Eigenleistung. So ist es auch im Nutzungsvertrag mit festgelegt.

Im Juni 2021 wurden die Polenzer zum Verein des Jahres 2020 in der Kategorie Soziales im Geschäftsgebiet der Ostsächsischen Sparkasse Dresden gekürt. Für die Mitglieder eine große Anerkennung. Denn, im Gesindehaus wird nicht nur gearbeitet, hier spielt sich auch ein Teil der Kultur für Neustadt ab. Verschiedene Veranstaltungen werden organisiert, auch alles ehrenamtlich.

Die Fäden laufen bei Martina Herrmann zusammen, der Vorsitzenden des Vereins. Auf ihre Mitglieder kann sie sich verlassen. "Das ist ein Superteam. Und wenn nicht jeder mit anpacken würde, hätten wir auch nicht so viel geschafft. Jeder bringt hier seine Qualitäten ein", sagt Martina Herrmann. Doch pandemiebedingt musste auch hier pausiert werden. Keine Arbeitseinsätze, keine Veranstaltungen, keine Einnahmen. Deshalb ist Martina Herrmann auch Klinken putzen gewesen, also auf Betteltour und hat Spenden gesammelt und um Sponsoren geworben.

Die Resonanz darauf ist richtig gut, das kann man auch auf den verschiedenen Spendentafeln in dem Areal sehen, auf denen Sponsoren und Spender aufgelistet werden. Denn ohne Geld geht auch hier nichts. Ein paar Fördermittel hat der Verein zwar bekommen, doch die Eigenmittel müsse man immer selbst aufbringen. Außerdem sieht Martina Herrmann einige vertane Chancen in Sachen Fördermittel. Und eben in diesem Punkt würde sie sich auch mehr Unterstützung durch die Stadt Neustadt wünschen, so unter anderem auf der Suche nach neuen Fördertöpfen oder der Bereitstellung von Eigenmitteln. Nicht alles könne auf den Schultern des Vereins ruhen und immerhin sei die Stadt der Eigentümer des Areals.

Zeichnungen hinter dem Putz entdeckt

Ohne die vielen Freizeitstunden die in dem alten Gemäuer stecken, würde wohl alles ruinengleich verkommen. Sicherlich wäre dann außen ein Schild angebracht: "Vorsicht einsturzgefährdet". Dank dem Verein konnte das verhindert werden. Die Eingangshalle ist fertig, auch der dahinter liegende Gesellschaftsraum. Der wird vermietet. Deshalb soll die Küche jetzt neu ausgerüstet werden, alles in Edelstahl. Die Sanitäranlagen sind komplett neu und auch behindertengerecht ausgebaut.

Der Durchgangsraum zum Innenhof ist zwar noch ein Arbeitsraum, aber er lässt erahnen, dass es früher prunkvoll ausgesehen haben muss. Viele Farbschichten wurden mühsam von Decken und Säulen entfernt. Hervor kamen Zeichnungen, Jahreszahlen. "Wir müssten das eigentlich alles einmal entschlüsseln lassen, aber dafür reicht die Zeit einfach nicht", sagt Martina Herrmann. Sicher ist man sich in Polenz aber, dass es früher kein Gesindehaus war, sondern eher das vom Gutsverwalter. Im Volksmund wird es jedoch das Gesindehaus bleiben.

Dieser Giebel am Gesindehaus müsste dringend verputzt werden.
Dieser Giebel am Gesindehaus müsste dringend verputzt werden. © Steffen Unger
Die Eingangshalle ist bereits fertig. Hinter der Fassade eine echte Überraschung.
Die Eingangshalle ist bereits fertig. Hinter der Fassade eine echte Überraschung. © Steffen Unger
Vor der Räucherkammer befindet sich der Arbeitsraum. Von der Decke und den Säulen wurden bereits mehrere Farbschichten entfernt.
Vor der Räucherkammer befindet sich der Arbeitsraum. Von der Decke und den Säulen wurden bereits mehrere Farbschichten entfernt. © Steffen Unger
Der Innenhof war früher der Pferdestall. Er wird für Freiluftveranstaltungen genutzt. Hier konnte der Giebel bereits verputzt werden.
Der Innenhof war früher der Pferdestall. Er wird für Freiluftveranstaltungen genutzt. Hier konnte der Giebel bereits verputzt werden. © Steffen Unger
Verschiedene Verzierungen kamen bei der Restaurierung schon zum Vorschein. Entschlüsselt sind die noch nicht.
Verschiedene Verzierungen kamen bei der Restaurierung schon zum Vorschein. Entschlüsselt sind die noch nicht. © Steffen Unger

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Weiter geht der Rundgang durch den Innenhof, dem früheren Pferdestall. Hier im urigen Ambiente finden alle Freiluftveranstaltungen statt. Schlimm habe es hier am Anfang ausgesehen. Die Steine in den Mauern schienen wohl schon lose zu sein. Doch fleißige Vereinsmitglieder haben sie neu verfugt und so wieder Stabilität in die Steine gebracht. Der Giebel des Hauses in Richtung Innenhof ist ebenfalls schon neu verputzt. Hier waren Firmen am Werk.

Mit Blick in den Garten ist klar, hier wartet noch reichlich Arbeit. Pläne für dessen Gestaltung gibt es ebenfalls. Sitzecken sollen gebaut und ein Brotbackofen errichtet werden. Man wolle künftig zum Beispiel auch Kindergruppen ins Gesindehaus einladen und ihnen anschaulich mehr über das Leben von früher erzählen.

Doch das alles ist eine Zeit- und Kostenfrage. Lediglich für das Anlegen der Streuobstwiese im hinteren Teil des Gartens habe der Verein Fördermittel bekommen. Ein Blick hinters Haus zeigt die wohl größte Baustelle. Der Giebel muss verputzt werden, bevor womöglich noch die Ziegel herausfallen. Und auch hier hätte sich der Verein finanzielle Unterstützung durch die Stadt erhofft. "Ohne die geht es nicht. Denn solch ein großes Vorhaben können wir als kleiner Verein nicht selbst stemmen", sagt Martina Herrmann. Bloß gut, dass der Bauhof von Neustadt unkompliziert helfen würde.

Das Gesindehaus sowie der Pferde- und Schweinestall einschließlich Milchhaus und Obstgarten waren Teil der Gesamtanlage des Rittergutes Polenz. Zum Rittergut gehörten unter anderem weitere Wirtschaftsgebäude sowie das Schloss. Das Gut wurde erstmals im 13. Jahrhundert erwähnt. Seine Geschichte als Guts- und Verwaltungssitz dürfte jedoch viel weiter zurückreichen, davon geht der Verein aus. Das Schloss am Ende des Teiches wurde übrigens in den Jahren 1950/51 abgerissen.