Niesky
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Wie ein Bauchladen zum Eine Welt Laden in Niesky führte

Vor 30 Jahren gründete sich in Niesky ein Verein, um fair gehandelte Waren anzubieten. Das Geschäft behauptet sich seitdem - mit einem Kompromiss.

Von Steffen Gerhardt
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Der Eine Welt Laden und sein Verein bestehen seit 30 Jahren in Niesky.
Helga Westphal und Dietmar Westphal arbeiten im Vorstand. Torsten Paul (rechts) ist seit November im Ehrenamt im Laden beschäftigt.
Der Eine Welt Laden und sein Verein bestehen seit 30 Jahren in Niesky. Helga Westphal und Dietmar Westphal arbeiten im Vorstand. Torsten Paul (rechts) ist seit November im Ehrenamt im Laden beschäftigt. © André Schulze

In diesem Jahr sind es 30 Jahre, dass die Stadt Niesky einen "Eine Welt Laden" hat. Es gibt aber immer noch Menschen, die von seiner Existenz nichts wissen. "Das ärgert einen schon", erzählt Helga Westphal. Zusammen mit ihrem Mann und weiteren elf Interessierten, hoben sie als Verein "Eine Welt für alle" den Laden, der für fairen weltweiten Handel steht, aus der Taufe. Das war im Dezember 1994.

29 Jahre später standen Vereinsmitglieder auf dem Weihnachtsmarkt in Nieder Seifersdorf und boten ihre Waren aus fairem Handel an. Der eine oder andere Marktbesucher war schon überrascht, dass es für diese Produkte ein Geschäft in Niesky gibt. Seit gut zehn Jahren im Brüderhaus an der Bautzener Straße, die Jahre zuvor im ehemaligen Vorsteherhaus neben der Kirche auf dem Zinzendorfplatz.

Das Team des Eine Welt Ladens in Niesky, das ehrenamtlich arbeitet.
Das Team des Eine Welt Ladens in Niesky, das ehrenamtlich arbeitet. © privat/Dietmar Westphal

Herzblut, Interesse und Verständnis

Auf eine 30-jährige ununterbrochene Geschäftstätigkeit kann in der Nieskyer Innenstadt nicht jeder Händler zurückblicken. Der Verein schon. Noch dazu, dass alles im Ehrenamt geschieht. Der Einkauf der Waren und das Verkaufen - bis hin zu den Fahrten auf Märkte, auf denen der Verein ebenfalls präsent ist. "Es gehört schon eine große Portion Herzblut, Interesse und Verständnis für einen fairen Handel dazu, um so eine Tätigkeit ausführen zu können", erklärt Helga Westphal. Sie ist die stellvertretende Vereinsvorsitzende und von Anfang an dabei.

Die Initialzündung für dieses Geschäft setzte ein anderer. Hans-Jörg Hämmerlein ist Gründungsmitglied und arbeitet in der Nieskyer Brüdergemeine als Maler. Ein viertel Jahr verbrachte er im afrikanischen Ghana. Von dort zurückgekehrt, hatte er einige Waren in Gepäck, die er auf seinem eigens dafür geschaffenen Bauchladen in Niesky anbot. "Ich kann mich noch gut erinnern, wie er mit seinem Bauchladen in der Kirche stand und für die Waren aus Ghana warb", erzählt Helga Westphal. Bei dem Bauchladen sollte es nicht bleiben. Ein Aufruf folgte, einen gemeinnützigen Verein zu gründen, mit dem Zweck, einer solidarischen Einstellung gegenüber den Menschen und Ländern der damals sogenannten "Dritten Welt" und eines ökologisch verantwortlichen Lebensstils. Das wurde so in der Vereinssatzung verankert.

Jedes Jahr werden in der Adventszeit Schuhkartons im Eine Welt Laden mit nützlichen und süßen Dingen gefüllt. Die Empfänger sind Kinder in Rumänien. Diese Aktion wird von der Familie Westphal organisiert und durchgeführt.
Jedes Jahr werden in der Adventszeit Schuhkartons im Eine Welt Laden mit nützlichen und süßen Dingen gefüllt. Die Empfänger sind Kinder in Rumänien. Diese Aktion wird von der Familie Westphal organisiert und durchgeführt. © SZ-Archiv/André Schulze

Von seiner Arbeit leben können

Im Mittelpunkt steht dabei der faire Handel, der mit einem eigenen Laden in Niesky verwirklicht wurde. Vereinsvorsitzender Dietmar Westphal sagt dazu: "Fairer Handel bedeutet für uns, dass der Produzent von seiner Arbeit, seinem Produkt leben kann, ganz gleich in welchem Land." Seine Frau spannt den Bogen weiter bis hin zum Verkäufer, der auch von dem leben soll, mit dem er handelt. Und da kommt der Eine Welt Laden nicht nur in Niesky an seine Grenzen.

"Löhne können wir keine zahlen. Das würde die Waren so verteuern, dass sie keiner mehr kauft. Deshalb läuft bei uns alles ehrenamtlich", berichtet Dietmar Westphal. Miete und Betriebskosten für den Laden trägt der Verein selbst. Läuft das Geschäft gut, gibt es einen Überschuss. Aber nicht für die Vereinskasse, sondern für Projekte. Die Nieskyer unterstützen finanziell in Deutschland ansässige Vereine, die sich um die Straßenkinder Boliviens kümmern, behinderte Kinder und Jugendliche in Palästina fördern, die Alten- und Kinderbetreuung in El Salvador unterstützen und behinderten Menschen in Äthiopien helfen.

Der Eine Welt Laden hat sein Domizil im Brüderhaus in Niesky und ist von der Bautzener Straße aus erreichbar. Geöffnet ist von Dienstag bis Sonnabend.
Der Eine Welt Laden hat sein Domizil im Brüderhaus in Niesky und ist von der Bautzener Straße aus erreichbar. Geöffnet ist von Dienstag bis Sonnabend. © André Schulze

Kaffee und Tee sind besonders gefragt

Das Geschäft in der Bautzener Straße hat ein ausgewähltes, aber breites Sortiment. Was wird daraus bevorzugt? Auf die ersten drei Plätze kommen Kaffee, Tee und Schokolade, zählt Helga Westphal auf. Gefolgt von Gewürzen, Wein, Kerzen und Artikeln des Kunstgewerbes. "Besonders in der Adventszeit kommen die Leute zu uns, um nach kleinen Geschenken zu schauen und zu kaufen." Dabei betont Helga Westphal, dass auch Betriebe und Einrichtungen nach Präsenten für ihre Mitarbeiter fragen. Aber von Jahr zu Jahr werden es weniger, was wohl eine Geldfrage ist.

In seinem 30. Jahr will der Verein mehr Präsenz zeigen. Auf regionalen Märkten und mit seinem Geschäft. Zum Jubiläum soll es im September ein kleines Fest geben. Damit nicht erst wieder auf dem Nieder Seifersdorfer Weihnachtsmarkt der "Aha"-Effekt für manchen kommt, dass es den Eine Welt Laden in Niesky gibt. Das funktioniert aber nur mit genügend Personal, sagen Westphals. Torsten Paul verstärkt das Team im Laden seit November. "Dass es für die Tätigkeit kein Geld gibt, ist für mich nicht so wichtig. Ich finde es gut, dass es so einen Laden in Niesky gibt, der für fairen Handel steht und dafür wirbt. Das unterstütze ich gern", sagt der Nieskyer.

Öffnungszeiten: Dienstag, Mittwoch, Freitag von 9 bis 12 und von 15 bis 18 Uhr; Donnerstag von 9 bis 18 Uhr; Sonnabend von 9 bis 12 Uhr.