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Warum Nieskyer Paten von Orgelpfeifen sind

Die Orgel in der Christuskirche muss generalüberholt werden. Das kostet. Deshalb ließ sich die Kirchengemeinde etwas Besonderes einfallen.

Von Steffen Gerhardt
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Anna-Maria Lehmann (links) und Bruno Andrick sind zwei Orgelschüler von Kantorin Theresa Bönisch. Anna-Maria hat dieses Jahr die D-Prüfung in der Fachrichtung Orgel abgelegt. Im Hintergrund die Heinze-Orgel in der Christuskirche.
Anna-Maria Lehmann (links) und Bruno Andrick sind zwei Orgelschüler von Kantorin Theresa Bönisch. Anna-Maria hat dieses Jahr die D-Prüfung in der Fachrichtung Orgel abgelegt. Im Hintergrund die Heinze-Orgel in der Christuskirche. © SZ-Archiv/André Schulze

Jede Pfeife hat jetzt ihren Namen, sagt Pfarrer Janis Kriegel und meint damit die Orgel in der Christuskirche, den Nieskyern auch als rote Kirche bekannt. Für die hohlen Silberlinge suchte die Evangelische Kirchengemeinde Menschen, die mit ihrer Spende die Patenschaft über eine der kleinen oder der großen Orgelpfeifen übernahmen. Denn diese Patenschaft dient einem guten Zweck.

Dass die Patenschaften weggingen wie Freilose, freut die Kirchenleitung besonders. "Wir sind überwältigt von der Spendenbereitschaft der Nieskyer und ihnen sehr dankbar", sagt der Pfarrer. Schon in den ersten zwei Wochen nach dem Aufruf war ein Drittel der Orgelpfeifen für Paten reserviert.

Hinter diesen Bemühungen, zu Geld zu kommen, steht hinter der Kirchengemeinde die Auflage, ihre Kirchenorgel generalüberholen zu lassen. "Im Milleniumjahr war die letzte Generalüberholung, nun sind wir schon drei Jahre darüber", berichtet Pfarrer Janis Kriegel. Denn ähnlich wie beim Auto muss auch eine Orgel regelmäßig auf den Prüfstand. Nicht aller drei oder zwei Jahre, sondern innerhalb von 20 Jahren.

Alter Orgelklang bis ins neue Jahr

Eine Plakette würde die Heinze-Orgel in ihrem jetzigen Zustand nicht bekommen. Und die Kostenanalyse mit 94.000 Euro spricht dafür, dass nicht nur ein Pfeifen putzen notwendig ist. Zehn Prozent der Summe steuert der Evangelische Kirchenkreis bei, weitere Fördergelder gibt es nicht. "Unser größtes Problem ist der Ventilator, der den Blasebalg elektrisch mit Luft versorgt. Dieser ist seit einiger Zeit kaputt", berichtet der Pfarrer. Zum Jahreswechsel 2023 versagte der Motor seinen Dienst, nachdem eine Welle gebrochen war. Ein Austausch war sofort nicht möglich. Also hieß es, den Blasebalg mit menschlicher Kraft zu bedienen. An zwei Gottesdiensten wurde der Blasebalg mit den Füßen getreten, sodass die Orgel spielen konnte. Nach zwei Wochen verschaffte ein Austauschmotor dem Blasebalg wieder Luft. Die Orgelbaufirma Eule aus Bautzen stellte das Austauschgerät das Jahr über zur Verfügung.

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Da der Ventilator von einer anderen Orgel stammt, konnte er an die Nieskyer nur ausgeliehen werden. Ein neuer Motor steht jetzt mit auf dem Bestellzettel der Firma Eule. Sie wird die Generalüberholung der Heinze-Orgel übernehmen. Los geht es am 8. Januar, sodass über Weihnachten und Neujahr die Orgel in ihrer alten Schönheit noch erklingen kann. "Den letzten Gottesdienst mit Orgelklängen wird es am 7. Januar in der Christuskirche geben", ergänzt Pfarrer Kriegel. Am Montag darauf kommen die Orgelbauer, um die Königin der Instrumente zunächst fein säuberlich zu zerlegen. Reinigungs- und Reparaturarbeiten folgen.

Orgel hat zwei Baumeister

Es wird aber nicht nur das Vorhandene auf seine Funktionsfähigkeit geprüft, die Orgel bekommt Zuwachs. Ein Trompetenregister wird ihr eingepflanzt, das bisher fehlte. Damit verbessert sich der Klang des Instrumentes. Das ein Besonderes ist, denn es hat zwei Baumeister. 1900 wurde die Christuskirche als "Arbeiterkirche" für die Angestellten und ihre Familien bei Christoph & Unmack eingeweiht. In dem Jahr musste auch die Orgel fertig sein. Das schaffte zwar der Görlitzer Orgelbaumeister Röhle, aber nach 30 Jahren musste sie neu aufgebaut werden, zu viel war an ihr verschlissen und kaputt. Den Auftrag bekam Orgelbaumeister Heinze aus Sorau (heute Żary). Er erweiterte die Orgel und verpasste ihr einen gefälligeren Klang - und seitdem spielt die Heinze-Orgel.

Das Instrument erklingt nicht nur zu Gottesdiensten, 61 waren es im vergangenen Jahr, und zu Hochzeiten beziehungsweise Traueranlässen, zehn 2022. An ihr werden auch künftige Orgelspieler ausgebildet. Denn die Orgel ist der Arbeitsplatz von Kantorin Theresa Bönisch. "Wöchentlich unterrichte ich acht Schüler und komme auf acht Übungsstunden an der Orgel in der Woche", zählt die Kantorin auf. Sie gehört mit zu den neun Organisten, die die Orgel zu verschiedenen Anlässen zum Klingen bringen.

Orgelschüler sind Kantoren

Besonders freut sich Theresa Bönisch, dass sie in diesem Jahr die ersten drei "B-Kantoren" erfolgreich ausgebildet und durch die Prüfung gebracht hat. Das heißt, sie beherrschen nicht nur das Instrument, sondern haben auch Kenntnisse in Liturgie, Orgelkunde, Theologie, Musik und Gehörbildung. Somit schafft sich die Kirchengemeinde ihren eigenen Nachwuchs an den Orgeln.

Nun muss Theresa Bönisch eine andere Form der praktischen Ausbildung finden, denn ihr Arbeitsplatz wird eine Baustelle bis in den April. Gottesdienste werden aber weiterhin in der Kirche stattfinden, sagt der Pfarrer, auch wenn musikalisch improvisiert werden muss. "Statt Orgelmusik werden Blechblasinstrumente zu hören sein oder ein Klavier."

Am 17. August 2024 findet wieder ein "Orgelspaziergang" in Niesky statt. Organisiert von den Kirchgemeinden der Stadt. Dieses Mal zum Thema "Sehnsuchtsorte". Die Christuskirche an der Rothenburger Straße wird ein Sehnsuchtsort sein.