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Junge Leute können sich die Lehrstelle jetzt aussuchen

Vorbei sind die Zeiten, als junge Leute zur Ausbildung die Kreise Görlitz und Bautzen verlassen mussten. Und das Beispiel von Paul Fiebiger zeigt, dass ein Beruf zum Studium führen kann.

Von Steffen Gerhardt
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Paul Fiebiger steht als Bauingenieur nicht mehr am Reissbrett, er konstruiert mit Computertechnik. Der junge Mann ist bei Metallbau Schubert in Markersdorf beschäftigt.
Paul Fiebiger steht als Bauingenieur nicht mehr am Reissbrett, er konstruiert mit Computertechnik. Der junge Mann ist bei Metallbau Schubert in Markersdorf beschäftigt. © Martin Schneider

Paul Fiebiger hat beides: einen Berufsabschluss und ein Studium. Der junge Mann aus Görlitz arbeitet bei Metallbau Schubert in Markersdorf und ist dort als Bauingenieur tätig. Gelernt hat er Zerspanungsmechaniker, ist also mit der Metallbranche beruflich eng verbunden.

Dass Paul Fiebiger noch ein Studium dranhing, davon war er anfangs nicht so begeistert. Schulzeit und Lehre reichten ihm zunächst als Bildung, erzählt der 29-Jährige. Heute ist er froh, dass er fünf weitere Jahre auf der Berufsakademie in Glauchau dazugelernt und dieses Jahr erfolgreich seinen Ingenieur gemacht hat. "Das Studium war auch ohne Abitur möglich und durch meine Lehre konnte ich auf praktische Erfahrungen zurückgreifen."

Über einen Beruf zum Studium

Für Kathrin Groschwald, Vorsitzende der Geschäftsleitung der Agentur für Arbeit Bautzen, ist der Görlitzer ein Paradebeispiel dafür, dass auch eine Berufsausbildung weiterführen kann. Aus ihrer Sicht wird der Bildungsweg über einen Beruf viel zu wenig genutzt. Noch dazu, wo es eine große Auswahl an Berufen und Lehrstellen derzeit gibt. Das machte sie jetzt mit Zahlen über das Berufsberatungsjahr 2021/2022 deutlich.

Mehr Ausbildungsplätze als im Vorjahr

"Für jeden gemeldeten Jugendlichen, der in diesem Jahr eine Berufsausbildung beginnen wollte, gab es in Ostsachsen rechnerisch mehr als eine freie Lehrstelle", sagt die Vorsitzende. Von Oktober 2021 bis September 2022 suchten in den Landkreisen Bautzen und Görlitz insgesamt 2.760 Jugendliche mithilfe der Berufsberatung einen Ausbildungsplatz; 1,4 Prozent mehr als im Vorjahr. Im gleichen Zeitraum waren 2.992 Berufsausbildungsstellen bei der Agentur für Arbeit Bautzen gemeldet, 11,8 Prozent mehr als im Vorjahr. Die Bautzener Agentur ist für beide Landkreise zuständig.

Rückgang beim Handwerk im Landkreis

Zwar spricht Stephan Krug, zuständig für die Berufsbildung in der Handwerkskammer Dresden, von einem Aufwärtstrend und kann das auch für den gesamten Kammerbezirk mit mehr Ausbildungsverträgen unterlegen, doch in den Landkreisen Bautzen und Görlitz ist die Lage ganz anders. "Hier haben wir einen Rückgang von 4,1 Prozent bei den Ausbildungsverträgen zu verzeichnen. Im Vorjahr dagegen ein Plus von zehn Prozent. Im Landkreis Görlitz sind noch 54 Lehrstellen offen, in Bautzen rund 100", erklärt der Abteilungsleiter. Im Kammerbezirk insgesamt sind noch rund 500 Stellen im Handwerk nicht besetzt. Ausgebildet werden derzeit 6.100 junge Menschen.

Bei der IHK sieht die Bilanz besser aus, auch für Ostsachsen. Torsten Köhler, Geschäftsführer Bildung, sagt, dass die IHK bis Ende September 4.447 Lehrverträge geschlossen hat. Das sind 5,4 Prozent mehr als im Vorjahr, wobei 2020 und 2021 die Pandemie die Statistik nach unten drückte. Dennoch: Im Vergleich zu 2019 schloss die IHK dieses Jahr 1,9 Prozent mehr Verträge ab. In den Kreisen Bautzen und Görlitz kommt die Kammer auf 1.239 Verträge. Ein Plus von einem Prozent zum Vorjahr. Darunter sind 52 Verträge, die mit Menschen mit Behinderung unterzeichnet wurden.

Großes Interesse am Handel

Das Interesse, einen Beruf im Handel zu ergreifen, ist bei der IHK ungebrochen. Spitzenreiter ist der Verkäufer mit 134 Lehrverträgen. Gefolgt vom Kaufmann mit all seinen Facetten (118) und dem Mechatroniker (97), zählt Torsten Köhler auf. Bei der Handwerkskammer dominiert der Anlagenmonteur mit 17 Prozent aller Lehrverträge, gefolgt vom Elektroniker (13 Prozent). Mit etwas Abstand folgen Maler und Friseur. Beide Kammern bestätigen, dass der Trend zu traditionellen Berufen weiter anhält.

Das lässt sich auch in Ostsachsen verzeichnen. In den Kreisen Bautzen und Görlitz steht der Handel mit 298 Lehrverträgen an erster Stelle. Dicht gefolgt von der Metall- und Elektrobranche mit 289 Verträgen und kaufmännischen Berufen mit 171 Verträgen. "Was uns freut, ist das gestiegene Interesse an Berufen in der Hotellerie", sagt Torsten Köhler. Die IHK verzeichnete einen Zuwachs von zehn Prozent. 115 Jugendliche lernen seit September einen Beruf fürs Hotel.

Sie informierten über den Ausbildungsmarkt in Ostsachsen. Von links: Stefan Krug, Handwerkskammer Dresden; Kerstin Thun, Geschäftsführerin Metallbau Schubert; Kathrin Groschwald, Agentur für Arbeit Bautzen, und Torsten Köhler, Industrie- und Handelskammer
Sie informierten über den Ausbildungsmarkt in Ostsachsen. Von links: Stefan Krug, Handwerkskammer Dresden; Kerstin Thun, Geschäftsführerin Metallbau Schubert; Kathrin Groschwald, Agentur für Arbeit Bautzen, und Torsten Köhler, Industrie- und Handelskammer © Martin Schneider

Nicht jeder Betrieb findet Lehrlinge

Trotz der guten Bilanz, es gibt auch eine Schattenseite. Denn nicht jeder Handwerker oder Betriebsinhaber findet Lehrlinge. Torsten Köhler beruft sich dabei auf eine Umfrage der IHK Dresden mit dem Resultat, dass 45 Prozent der teilnehmenden Betriebe in diesem Jahr keinen Lehrling gefunden haben. Dem stehen laut Arbeitsagentur noch 46 "unversorgte Bewerber" allein in Ostsachsen gegenüber.

Kerstin Thun leitet bei Metallbau Schubert zusammen mit Bruder Dirk Schubert die Geschäftsführung in zweiter Generation. Sie ist mit der Lehrlingsauswahl für dieses Jahr nicht zufrieden. Vier Lehrverträge hat das Familienunternehmen abgeschlossen, aber zwei Jugendliche kündigten den Vertrag, noch bevor die Ausbildung richtig begonnen hat. Das ist ärgerlich, sagt Frau Thun, denn jeder Bewerber durchläuft eine Woche Probearbeiten, bevor der Lehrvertrag geschlossen wird. "Die jungen Leute wissen also, was sie bei uns erwartet", so die Geschäftsführerin.

Gegenwärtig lernen zwölf Azubis bei Schubert. Vorrangiger Ausbildungsberuf ist der Konstruktionsmechaniker. Seit Reiner Schubert als geschäftsführender Gesellschafter die einstige PGH Metall 1990 übernommen hatte, wurden 109 Lehrlinge ausgebildet. Die Erfahrung zeigt, nur jeder dritte Ausgelernte bleibt im Betrieb. Darüber bietet Schubert auch die Möglichkeit des Studiums zum Ingenieur oder zum "Bachelor of Engineering" an. Paul Fiebiger ist mit seiner Berufswahl samt Studium zufrieden. "Die Arbeit ist vielseitig und sie macht mir Spaß. Denn ich schaffe etwas Bleibendes", so der junge Mann.