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Reger Brieftauben-Flugverkehr in der Oberlausitz

Mit Romantik haben Brieftauben nur noch wenig zu tun. Und doch haben sie nach wie vor Anhänger wie Robert Maaß. Der Nieder Seifersdorfer ist einer von 600 Sachsen, die diese Tiere züchten.

Von Steffen Gerhardt
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Die Hortkinder von Waldhufen ließen sich am Freitag von Robert Maaß in Nieder Seifersdorf seine Brieftauben zeigen. Er züchtet sie und bestreitet mit ihnen Wettkämpfe.
Die Hortkinder von Waldhufen ließen sich am Freitag von Robert Maaß in Nieder Seifersdorf seine Brieftauben zeigen. Er züchtet sie und bestreitet mit ihnen Wettkämpfe. © André Schulze

Seine Briefe und Postkarten verschickt Robert Maaß noch immer mit der Post, obwohl 60 Brieftauben in seinem Garten wohnen. Weil die Brieftaube längst keine Nachrichten mehr transportiert, ist aus dem Nutztier ein Sporttier geworden. Ihre Fähigkeiten, lange Strecken ohne Pause im Flug zurückzulegen und ihr unvergleichlicher Orientierungssinn faszinieren seit seiner Kindheit Robert Maaß. Der 43-Jährige ist überzeugt: "Der Brieftaubensport ist das schönste Hobby der Welt".

Ein hölzernes Taubenhaus vor seinem Eigenheim gegenüber der Grundschule in Nieder Seifersdorf verrät, wo der Brieftaubenzüchter wohnt. In seinem Garten, wo andere Obstbäume, Beete, einen Pool und Sitzgelegenheiten haben, stehen die Taubenverschläge. 40 Brieftauben sind darin untergebracht. Sie bestreiten die Wettflüge. Dazu kommen zehn Paare an Zuchttauben, die für den Nachwuchs zuständig sind.

Mit 18 einen eigenen Taubenschlag

Das "Brieftauben-Gen" hat Robert Maaß von seinem Vater Thomas vererbt bekommen. Bis heute frönt der 66-Jährige diesem Hobby, auch wenn er sich aus dem Wettkampfgeschehen inzwischen zurückgezogen hat. Als der Sohn sieben Jahre jung war, durfte er das erste Mal in Vaters Heiligtum, den Taubenschlag. "Mich haben diese Tiere von Anfang an begeistert. Vor allem, dass sie immer wieder zurückfinden, ganz gleich, wo man sie aussetzt", erzählt Robert Maaß. Mit 14 Jahren wurde es ihm ernst mit diesem Hobby und als 18-Jähriger hatte er seinen ersten eigenen Taubenschlag auf dem elterlichen Grundstück in Bischdorf bei Löbau.

Auf die Frage, was macht einen guten Züchter aus, antwortet Robert Maaß: "Die Liebe zum Tier". Man muss es mögen, sich mit ihm auskennen und sich die Zeit nehmen. So wenige Menschen sind das nicht, die sich diese Leidenschaft mit ihm teilen. Robert Maaß gehört der Reisevereinigung Löbau-Oberlausitz an, dem Verein Oberlausitzer Brieftaubenzüchter. 40 sind sie an der Zahl, berichtet Maaß, wobei viele von ihnen in seiner Altersgruppe sind. "Wir sind kein Verein alter Männer", sagt er schmunzelnd. Sachsen zählt laut Landesverband rund 600 Brieftaubenzüchter. Bundesweit sind es knapp 30.000, vorwiegend Männer, die die Brieftaube zu ihrem Hobby gemacht haben.

Sommer ist Hochsaison für Wettkämpfe

Robert Maaß hat jetzt eine Woche Ruhe vom Wettkampfgeschehen. Denn die Tauben züchtet er, damit sie fliegen, betont er. Von Beruf ist der Nieder Seifersdorfer Ergotherapeut und arbeitet in der Werkstatt für Behinderte in Bautzen. Vor allem die Wochenenden gehören seinen Tauben, denn dann finden die Wettkämpfe statt. Beendet ist jetzt die Saison für die "Alttiere". Nächste Woche beginnen die Wettkämpfe für die "Jungtiere". Das sind die Tauben, die in diesem Jahr geboren wurden.

Das heißt, von Mai bis September haben die Züchter mit ihren Brieftauben Hochsaison. Bei den meisten Wettkämpfen bleibt ihnen aber nur, zu Hause abzuwarten, dass auch alle Tauben wieder zurückkehren. Denn die Tiere werden mit einem Transporter abgeholt, zum Wettkampfort gefahren und dort vom Veranstalter fliegen gelassen. "Meist sind die Wettkampforte in Polen, wie Warschau zum Beispiel. Das hat den Grund, dass die Tauben am liebsten westwärts zurück in ihre Schläge fliegen", erklärt der Züchter. Deshalb kommt es öfter vor, dass sich polnische Tauben in die Oberlausitz verirren.

Tauben als Fotografen

Aber jede Taube aus einer Zucht kann sich ausweisen. Auf ihrem Ring um das rechte Bein stehen Herkunftsland, Geburtsjahr, die Nummer vom Verein und eine Taubennummer. Fliegen die Tauben im Wettkampf, dann ziert ihr anderes Bein ein GPS-Sender, mit dem ihre Flugroute nachverfolgt werden kann. Livebilder vom Flug sind noch nicht möglich, aber auch das wird kommen, so rasant wie sich die Digitaltechnik entwickelt, ist sich Robert Maaß sicher.

Denn das gab es schon einmal, zum Ende des 19. Jahrhunderts und als Vorläufer der heutigen Drohnenfotografie. Der in Hessen ansässige Apotheker Julius Neubronner hatte die Idee und später auch das Patent auf die Taubenfotografie. Er schnürte den Tieren kleine Fotokameras um, die im Intervall Fotos machten. Im Ersten Weltkrieg diente diese Erfindung dem Zweck der Spionage.

Robert Maaß setzt auf den sportlichen Akzent seines Hobbys. Und da kann er einige Meistertitel vorweisen. 2019 wurde seine Taube Cecile auf einer internationalen Olympiade in Polen als die "Beste Taube aus Deutschland" ausgezeichnet. Bei den Wettbewerben zählen seine gefiederten Freunde mit zu den schnellsten Tauben. Auch als Züchter ist Robert Maaß ein gefragter Mann. Ob aber seine beiden Söhne, 12 und 19, die gleiche Leidenschaft entwickeln, da ist der Familienvater sich nicht so sicher. "Meine Frau ist mir aber eine große Hilfe, zu Hause und bei den Wettkämpfen", lobt er sie.

Über sein Hobby informiert Robert Maaß mit zwei weiteren Züchtern im Podcast auf YouTube unter dem Namen "Konstatiert - Pigeon News".