Hoher Spritpreis bringt Unternehmer in Not

Rund 60 Cent mehr für den Liter Dieselkraftstoff zu bezahlen als vor dem russischen Angriff auf die Ukraine, machen dem Transportgewerbe zu schaffen. Das betrifft nicht nur Speditionen, sondern alle Unternehmen, Einrichtungen und sozialen Dienste, die mit Kraftfahrzeugen zu ihren Kunden und Patienten unterwegs sind. Zudem verschärft sich mit dem Preisanstieg der Wettbewerbsnachteil besonders unter Spediteuren im Grenzgebiet zu Polen. Dort sind die Dieselpreise deutlich niedriger und sind jetzt auf dem Niveau der deutschen Preise vor dem Krieg in der Ukraine. Wie haben sich Betroffene darauf eingestellt beziehungsweise wie gehen Sie mit den gestiegenen Kraftstoffpreisen um? Die SZ fragte einen Fahrschullehrer, einen Pflegedienst und einen Fuhrunternehmer.
Fahrschullehrer: Elektroauto ist keine Alternative
Enrico Lentföhr ist seit 1991 Fahrlehrer, seit 1998 betreibt er in Görlitz eine eigene Fahrschule für Pkw und Motorrad. Für den 55-Jährigen ist das schon ein großes Problem: "Im Dezember habe ich noch 1,50 Euro für den Liter Diesel an der Tankstelle bezahlt, jetzt sind es über 2,20 Euro, also fast 80 Cent mehr", rechnet er vor. Hinzu kommt, dass der Kraftstoffpreis binnen weniger Tage unangekündigt in astronomische Höhe sprang. Es gab keine Zeit, sich darauf einzustellen, kritisiert Lentföhr.
Wie damit jetzt umgehen? Von den jetzt empfohlenen Spartipps für Kraftfahrer hält Enrico Lentföhr nicht viel. Denn die Motoren sind schon für minimalen Kraftstoffverbrauch optimiert. Außerdem sitzen Menschen hinter dem Lenkrad, die das Autofahren erst lernen müssen und dafür auch ihre Zeit brauchen. Abstriche an der Fahrausbildung will und darf Enrico Lentföhr nicht machen. Dennoch muss er die erhöhten Spritpreise auf seine Fahrschüler umlegen. Statt bisher 45 Euro kostet die Fahrstunde jetzt 50 Euro. Andere Görlitzer Fahrschulen sind ebenfalls auf diesem Preisniveau angelangt.
Den Umstieg auf Elektroautos hält der Fahrlehrer nicht für sinnvoll. Vom viel höheren Anschaffungspreis mal abgesehen, haben die Fahrzeuge kein Schaltgetriebe mehr, alles besorgt die Automatik. "Der Großteil meiner Fahrschüler will aber auf einem Auto mit Schaltung die Fahrerlaubnis machen, weil ihr erstes Auto meist ein Schalter ist", so die Erfahrung von Lentföhr. Außerdem hat er ein gespaltenes Verhältnis zum Elektroauto. Für ihn ist das keine saubere Sache, wenn er über die Gewinnung der verwendeten Rohstoffe nachdenkt.
Wenn Enrico Lentföhr seine aktuellen Tankrechnungen mit denen vor gut einem Monat vergleicht, dann stellt er fest, dass die Kosten für Kraftstoff um ein Viertel bis ein Drittel gestiegen sind. "Ich glaube nicht, dass der Kraftstoffpreis so schnell zurückgehen wird wie er sich erhöhte", ist Lentföhr überzeugt. Aber das sollte er, denn der Preis für Rohöl ist nach seiner Spitze zu Kriegsbeginn wieder merklich gefallen. "Aber das zeigt sich bisher nicht an den Zapfsäulen", so der Fahrlehrer. Und: Der Staat schafft zwar Erleichterungen für die Bürger, aber bisher nicht für Unternehmen und Gewerbe.
Pflegedienst: Die Politik ist gefragt

Vier Autos stehen beim Pflegedienst Standke auf dem Parkplatz am Seniorenhaus in Steinölsa, vier weitere in Niesky. Sie müssten eigentlich wie die 30 anderen Fahrzeuge unterwegs sein. Aber ihre Fahrerinnen sind krank oder haben geplanten Urlaub, können keine Hausbesuche machen. "Als ob wir mit dem Krankenstand nicht schon genug Probleme haben, kommt jetzt noch der Schock an der Tankstelle dazu", sagt Barbara Standke. Die gelernte Krankenschwester hat sich 1991 mit einem Pflegedienst in Mücka selbstständig gemacht. 1998 kam das Seniorenhaus in Steinölsa dazu und 2015 die Tagespflege in Niesky im ehemaligen Möbelhaus Zuchold.
Rund 80 Beschäftigte zählt der Pflegedienst, der Großteil ist im Außeneinsatz mit den firmeneigenen roten Autos unterwegs. Seit dem Kriegsausbruch in der Ukraine kostet das Volltanken eines Dienstfahrzeuges rund 25 Euro mehr als noch zu Jahresbeginn. Zu stemmen haben die Mehrkosten der Pflegedienst selbst. "Ich weiß nicht, wie lange wir das finanziell durchhalten können", sagt Barbara Standke. Denn vor solchen Schwierigkeiten stand die 64-Jährige in den drei Jahrzehnten noch nicht: die Corona-Pandemie, die einrichtungsbezogene Impfpflicht und jetzt auch noch astronomische Spritpreise.
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"Höchste Priorität hat und hatte für uns immer schon die Versorgung unserer pflegebedürftigen Klienten. Wir möchten weiterhin für sie da sein", sagt Julia Stoll, ebenfalls gelernte Krankenschwester und studierte Pflege- und Gesundheitsmanagerin. An ihnen werden keine Abstriche gemacht, auch wenn die Tourenplanung inzwischen eine große Herausforderung ist. Im Umkreis von 20 bis 25 Kilometern sind die Pflegekräfte vom Stammsitz in Mücka aus unterwegs. Gearbeitet wird oftmals auch in geteilten Schichten, also dass man zur Betreuung und Pflege früh und nachmittags zweimal unterwegs ist. Da kommt schon einiges an Kilometern und Kraftstoff zusammen.
Die Pflegekassen bezahlen nur die Leistungen. Für die Fahrten gibt es lediglich für die Tagespflege eine geringe Pauschale. Letzteres ist nicht mehr zeitgemäß, sagt Barbara Standke. Sie sieht die Bundespolitik in der Pflicht, das zu ändern. Denn es betrifft viele Pflegedienste in Deutschland. Finanzielle Corona-Hilfe gibt es vom Staat, aber jetzt fühlen sich die Pflegedienste alleingelassen - "und das tut weh", so die Geschäftsführung Barbara Standke und Julia Stoll.
Busfahrer: Noch keinen festen Plan

Bus- und Transportunternehmer stöhnen ebenfalls über den Dieselpreis mit einer Zwei vor und hinter dem Komma. Beide Unternehmer vereint Peter Teich. Zusammen mit seinem Bruder Falk Teich führt er in der dritten Generation seit gut 20 Jahren den Familienbetrieb in Steinölsa. Als Transport- sowie Bus- und Reiseunternehmen ist die Familie Teich über die Region hinaus unterwegs.
Peter Teich hält es für "sehr bedenklich", wenn er auf die Kraftstoffkosten schaut. Bedenklich im Sinn der Perspektive für das Unternehmen. "Ein Dauerzustand des Dieselpreises in dieser Höhe ist für uns nicht machbar", so der 63-Jährige. Zum einen sind da die sieben Tanklaster, die das Jahr durch rund um die Uhr die Rohmilch aus den Landwirtschaftsbetrieben in die Molkereien fahren. Zum anderen die Busflotte. Neun Busse sind im Linien- und Schülerverkehr im Einsatz, dazu kommen noch zwei Reisebusse für die eigenen Fahrten.
Der Reiseverkehr nimmt zwar coronabedingt erst wieder Fahrt auf, sodass die hohen Spritkosten noch nicht so stark ins Kontor schlagen wie in den anderen beiden Geschäftsbereichen. Dennoch: Der neue Reisekatalog für 2022 liegt aus, aber die Fahrten wurden noch mit den bisherigen Kraftstoffpreisen kalkuliert. Dass sie weit über zwei Euro schießen, daran war beim Erstellen des Kataloges nicht zu denken. "Wir haben noch keinen festen Plan, wie wir das stemmen", sagt Peter Teich zur Gesamtsituation im Fuhrbetrieb. Die beiden Brüder stehen mit ihren Geschäftspartnern in Verhandlungen. Ergebnisse sind noch offen. "Es gibt von uns aus verschiedene Überlegungen dazu, um mit dieser Situation klarzukommen", deutet Peter Teich an.
Das betrifft nicht nur die Partner in der Milchproduktion, sondern auch den Landkreis in seiner Verantwortung beim Linien- und Schülerverkehr. Teichs sind der Überzeugung, dass der Staat hier gefragt ist, den Fuhrunternehmen finanziell oder mit Steuersenkung unter die Arme zu greifen. Dennoch sieht Peter Teich angesichts der hohen Kraftstoffpreise auch eine Chance für sein Gewerbe: Ein Umdenken beim Bürger, doch lieber den Bus zu nehmen, statt mit dem Auto zu fahren.