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Kreis Görlitz: Warum ein Waggonbauer der "Schwalbenvater" genannt wird

Im Stallgebäude sind Schwalben seit Jahrzehnten Stammgäste. Aber auch sonst hat Michael Vogt für die Natur viel übrig. Dafür wurde er jetzt geehrt.

Von Steffen Gerhardt
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Michael Vogt kümmert sich in Heinrichswalde um Schwalben und andere Vögel sowie Naturbewohner. Für diese ehrenamtliche Tätigkeit wurde der 64-Jährige jetzt geehrt.
Michael Vogt kümmert sich in Heinrichswalde um Schwalben und andere Vögel sowie Naturbewohner. Für diese ehrenamtliche Tätigkeit wurde der 64-Jährige jetzt geehrt. © André Schulze

Wie sehr sich die Umwelt auch in dem beschaulich und ruhig gelegenen Heinrichswalde, eine kleine Siedlung zwischen den Dörfern Hähnichen und Quolsdorf, in den vergangenen Jahren verändert hat, das sieht Michael Vogt an seinen Schwalben.

Seit Kindheitstagen gehören sie zu seinem Leben auf dem Bauernhof seiner Großeltern dazu. Als aus dem Osten Vertriebene bekamen seine Großeltern in Quolsdorf zehn Hektar Land zugewiesen und bauten sich darauf ihre bäuerliche Existenz auf. Seitdem ist das Gehöft in Familienbesitz. Jetzt führt Michael Vogt den Hof in dritter Generation. Bis zur Wende hat der heute 64-Jährige mit seinen Eltern eine Bullenzucht im Nebenerwerb betrieben.

Die acht Rinder gibt es nicht mehr, geblieben sind die Schwalben. 18 Nester kleben im Stall unter der Decke und warten auf die Rückkehr ihrer Bewohner. "Vor zehn Jahren nisteten noch zwanzig Brutpaare bei mir, im vergangenen Jahr war es nur noch die Hälfte an Paaren. Ein Zeichen dafür, dass sich die Lebensräume auch der Schwalben verändert haben", berichtet der "Schwalbenvater von Heinrichswalde", wie er von Freunden genannt wird. In seinen jungen Jahren, als noch Strommasten in Heinrichswalde standen und der Ort von Viehzucht geprägt war, bogen sich die Drähte, weil so viele Schwalben darauf saßen. Denn schwalbentypisch ist das im August einsetzende Zugverhalten der Tiere, die sich in immer größeren Gruppen auf Drahtleitungen und Dachsimsen zum Abflug sammeln

Weniger Insekten, weniger Schwalben

"Auch unsere Rinder zogen die Fliegen in Scharen an, denn sie und weitere Insekten sind Nahrungsgrundlage für die Schwalben - und das fehlt jetzt", ist für Michael Vogt der Grund, dass es weniger Schwalben gibt. Um so wichtiger ist es ihm, den Bestand möglichst zu halten und ihm eine Lebensgrundlage zu schaffen. Dazu hat er eine Blumenwiese angelegt und mehrere Insektenhotels aufgestellt, ein großes hat er selbst gebaut. Sie sollen die Insekten anlocken und in Folge auch die Schwalben. "Ich sehe darin meinen möglichen Beitrag, etwas Nützliches für die Natur und die Umwelt zu tun", begründet Michael Vogt sein Tun auf dem Hof.

Auch wenn der Jungrentner, der er seit 1. März ist, nicht viel von seinen grünen Taten verlauten lässt, bleiben sie nicht unbemerkt. Anfang Februar wurde er für dieses ehrenamtliche Engagement mit weiteren Bürgern aus dem Kreis Görlitz von Oliver Schenk (CDU), Staatsminister für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Chef der Sächsischen Staatskanzlei, und Landrat Stephan Meyer (CDU) mit einer Ehrenurkunde ausgezeichnet. "Über diese Anerkennung freue ich mich sehr, die Einladung dazu hatte mich überrascht", sagt der Geehrte.

40 Nistkästen im Garten

Ein Herz für Vögel hat Michael Vogt nicht nur für die Rauchschwalbe. Für andere Singvögel hat er inzwischen 40 Nistkästen im Garten platziert.
Ein Herz für Vögel hat Michael Vogt nicht nur für die Rauchschwalbe. Für andere Singvögel hat er inzwischen 40 Nistkästen im Garten platziert. © André Schulze

Die Schwalben sind es nicht allein, denen der Quolsdorfer ein Obdach gibt. Auch viele Singvögel nisten bei ihm. "Inzwischen sind es 40 Nistkästen, die ich an den Gebäuden und im Garten befestigt habe. Viele habe ich davon selbst gebaut", erzählt der Vogelfreund. Handwerklich begabt ist er als gelernter Schlosser und Schweißer. 47 Jahre war er im Nieskyer Waggonbau beschäftigt, hat dort seine Lehre und sein Berufsleben verbracht. Dass es seinen Betrieb nicht mehr gibt, schmerzt ihn. Andererseits ist Michael Vogt froh, es in die Rente geschafft zu haben. Das gibt dem in einer Beziehung lebenden Mann mehr Zeit nicht nur dafür, sondern auch für seine gefiederten Freunde. Denn die machen Arbeit.

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Sind die Schwalben im Herbst in den Süden gezogen, sie fliegen bis Südafrika, dann beginnt für den Hiergebliebenen das große Reinemachen. Nicht nur die Nistkästen müssen geleert, auch der Bullenstall von den Hinterlassenschaften der Schwalben befreit werden. Mit der Erfahrung der Jahre trifft Michael Vogt bereits vor dem ersten Anflug Vorkehrungen. So streut er Sägespäne auf den Boden, die den Kot aufnehmen, deckt Regale und Schränke mit Folie ab und will das auch mit den Holztüren machen. Der große Akt am Ende ist ein Neuanstrich der Wände, der vergessen lässt, dass über den Sommer hier Schwalben ein- und ausflogen.

Sie finden ihr Nest wieder

Michael Vogt ist fasziniert von der Orientierungsgenauigkeit seiner schwarzen Vögel. Obwohl sie nicht beringt sind und er das auch nicht macht, hat er den Eindruck, dass seine Stammbewohner jedes Frühjahr über tausende Kilometer zu ihm zurückkehren. Wichtig ist dabei, das Fenster weit geöffnet zu haben, damit die Vögel einen ungehinderten Durchflug haben, anstatt nur eines Schlupfloches. Und falls er mal im Stall steht, nehmen die Schwalben von ihm Notiz? "Sie merken schon, wenn ich im Raum bin. Dann kommt Hektik und reger Flugbetrieb auf."

Es ist die Rauchschwalbe, die bei Michael Vogt zu Hause ist. Im Gegensatz zur Mehlschwalbe, die außen am Haus nistet, baut die Rauchschwalbe innerhalb der menschlichen Behausungen ihr Nest. Vorzugsweise in Ställen, aber auch in Gebäuden, die einen offenen Zugang für sie haben. Obwohl der Bestand der Rauchschwalbe weltweit auf 1,1 Milliarden Individuen geschätzt wird, ist sie in der Roten Liste der Brutvögel Deutschlands von 2020 in der Kategorie V (Vorwarnliste) geführt.