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Warum ein Hausverkauf beinahe scheiterte

Eine Neudorferin stellt fest, dass ihr Grundstück keine amtliche Zufahrt hat. Sie hat das Problem nicht allein in Kreba-Neudorf.

Von Steffen Gerhardt
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An der Alten Straße in Neudorf geht es zum Grundstück von Heiderose Stölzel. Zwar ist der vordere Teil (im Foto) bereits öffentliche Straße, aber anschließend führt die Zufahrt über privaten Grund.
An der Alten Straße in Neudorf geht es zum Grundstück von Heiderose Stölzel. Zwar ist der vordere Teil (im Foto) bereits öffentliche Straße, aber anschließend führt die Zufahrt über privaten Grund. © André Schulze

Über Jahre hat niemand daran Anstoß genommen, dass der eine dem anderen über sein Grundstück fährt, um zu seinem Haus zu gelangen. Das ist geduldete Praxis An der alten Straße im Krebaer Ortsteil Neudorf, die als Zufahrt über privaten Grund verschiedener Eigentümer führt. Auch für Heiderose Stölzel war das in Ordnung, bis sie eines Tages ihr Haus verkaufen wollte.

"Es stellte sich heraus, dass im Grundbuch keine offizielle Zufahrt verzeichnet war", stellte die 71-Jährige plötzlich fest. Ohne eine eingetragene Zuwegung ist das Grundstück praktisch unveräußerlich, zumindest für die Banken, musste Frau Stölzel erfahren.

Käufer steht schon bereit

Was nun? Für ihr Anwesen hatte Frau Stölzel bereits einen Käufer - und das Geld brauchte sie, um ihr neues Haus in Vierkirchen bezahlen zu können. Die Zeit schien ihr davonzulaufen und die Furcht, dass der Käufer wieder abspringt, wuchs. Denn mit Einverständniserklärungen der Grundstückseigentümer gibt sich die Bank nicht zufrieden.

Frau Stölzel wandte sich mit ihrem Problem an die Gemeindeverwaltung. Es war nicht ihr erster Vorstoß in Sachen Wegerecht. "Das hat mich schon seit Jahren beschäftigt, dass das generell mal zu klären ist", sagt sie. Aus ihrer Sicht würde eine öffentliche Widmung der Straße das Problem der Zufahrt für alle Anlieger lösen. Damit meint sie, dass die Straße in das Eigentum der Gemeinde übergeht und sie dann zuständig ist. Die Entscheidung darüber fällt der Gemeinderat.

Wege stimmen nicht mit Flurkarten überein

Aber mit dem Beschluss allein ist es nicht getan. Bürgermeister Dirk Naumburger sieht das Problem darin, dass ein Großteil der Grundstücke nicht mit den Flurkarten übereinstimmen. Wege und Straßen wurden geändert, aber danach nicht amtlich eingetragen. "Widmet die Gemeinde einen Weg öffentlich, müssen vorher die Eigentümer nicht nur bekannt sein, sondern den privaten Grund, über den der Weg führt, auch verkaufen wollen", erklärt der Bürgermeister.

Bei einigen Straßen und Wegen wurde das in Kreba-Neudorf bereits praktiziert. Aber nicht von heute auf morgen, wie Dirk Naumburger von einem Beispiel berichtet. Die Straße von Zschernske nach Neuliebel wurde über ein Förderprojekt 2013 saniert. Damit es Geld aus dem Fördertopf gibt, muss die Gemeinde Eigentümerin sein. Das sollte bei der Straße über einen Flächentausch passieren. "Dieser wurde angeschoben, aber letztendlich hat es bis ins vergangene Jahr gedauert, um den Tausch amtlich abzuschließen."

Ein Teil der Straße ist öffentlich

Für Heiderose Stölzel wäre es gar nicht möglich gewesen, in so kurzer Zeit die Straße öffentlich zu machen. Wobei ein Stück der Straße, bis in Höhe Grundstück Nummer 10, bereits öffentlich gewidmet ist. "Das hätte nur fortgesetzt werden müssen bis ans Ende, wo ich wohne", ist die Anwohnerin überzeugt. Sie wirft der Gemeinde vor, dass sie das vernachlässigt hat.

An der alten Straße in Neudorf liegen mehrere Grundstücke über die die Zufahrt zu Frau Stölzes Haus (rote Marke) führt. Das wurde der Seniorin jetzt zum Verhängnis.
An der alten Straße in Neudorf liegen mehrere Grundstücke über die die Zufahrt zu Frau Stölzes Haus (rote Marke) führt. Das wurde der Seniorin jetzt zum Verhängnis. © Geoportal.de

Was Bürgermeister Naumburger bei dem ganzen Prozedere aufstößt, sind die enormen Vermessungskosten, die jeder Umwidmung vorausgehen. "Wir geben Tausende an Euros für Dinge aus, die der Bürger letztendlich nicht sieht." Deshalb investiert der Bürgermeister das Geld lieber in den Straßenbau, statt in die Straßenvermessung. Trotzdem will Naumburger Klarheit in den Besitzverhältnissen haben.

Kompromiss mit einer zweiten Zufahrt

Eine Möglichkeit ist die geförderte Flurneuordnung. Aber auch hier müssen die Kommunen einen eigenen finanziellen Beitrag leisten. Und da auf den Dörfern einige Flächen neu zu ordnen sind, kommt eine beachtliche Summe zusammen. Kreba-Neudorf hat sich vorgenommen, alle Straßen und Wege, die sich dafür eignen, öffentlich zu widmen. Das soll bis Ende 2022 geschehen. Dann wird auch das noch fehlende Stück der alten Straße mit drankommen.

Heidrun Stölzel wird dann sicherlich in ihrem ausgebauten Haus wohnen. Mit der Gewissheit, dass die Familie, die ihr Elternhaus erworben hat, eine öffentliche Straße als Zufahrt hat. Bis es soweit ist, wurde ein Kompromiss mit einer zweiten Zufahrt "von hinten" auf das Grundstück gefunden. Dazu erwarb Frau Stölzel den zu ihrem Haus führenden Weg. "Ich bin froh, dass wir das Problem gelöst haben und mein Haus verkauft ist." Viel Zeit bleibt der Neudorferin nicht mehr, bis Ende Mai muss sie ihr Grundstück samt Möbel und Hündin verlassen haben.

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