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Die tragische Geschichte von Otto Lorenz aus Pirna

Die Enkelin sucht jetzt Gemälde ihres Großvaters, der in Sibirien im Gulag ums Leben gekommen ist. Sie plant eine Ausstellung und hat eine Botschaft.

Von Mareike Huisinga
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Elke Leupold aus Pirna hält ein Bild mit dem Signum ihres Großvaters Otto Lorenz in der Hand. Jetzt sucht sie Bilder ihres Großvaters. Und hat einen Plan.
Elke Leupold aus Pirna hält ein Bild mit dem Signum ihres Großvaters Otto Lorenz in der Hand. Jetzt sucht sie Bilder ihres Großvaters. Und hat einen Plan. © Karl-Ludwig Oberthür

Für die Pirnaerin Elke Leupold war die Auseinandersetzung mit der Geschichte seiner Familie sehr emotional. "Es war ein Wechselbad der Gefühle. Einerseits war ich dankbar, dass ich die wahre Geschichte meines Großvaters erfuhr, aber sein Schicksal macht mich auch sehr traurig. Er ist völlig unschuldig verurteilt und deportiert worden", sagt . Zu erzählen ist ein tragisches Schicksal. Es geht um Irrtum, Verrat, Deportation und vor allem um Elke Leupolds Großvater mütterlicherseits Otto Lorenz.

Geboren wird er 1894 in Dohna. Im Ersten Weltkrieg muss er als junger Mann an die Front. Dort wird er verwundet und kehrt in seine Heimat zurück. Eigentlich soll der Pirnaer in die Fußstapfen seines Vaters treten, der als Böttcher arbeitete. Doch Otto Lorenz entscheidet sich für den Beruf des Bauarbeiters. Unter anderem errichtet er mit Kollegen das bekannte Rundhaus in Pirna-Copitz. Eigentlich hat er aber eine ganz andere Neigung. "Denn er malte gerne und hätte dieses Talent am liebsten zu seinem Beruf gemacht", berichtet seine Enkelin.

So nimmt er Öl- und Wasserfarben in seiner Freizeit in die Hand. Es entstehen prächtige Landschaftsbilder, aber auch Stillleben sowie Schlachtszenen, die er im Auftrag malt. "Mein Opa verschenkte die Bilder in Pirna und Umgebung, bekam aber auch teilweise Geld dafür. Das war der finanziellen Notsituation geschuldet", berichtet Elke Leupold. Überhaupt ist Otto Lorenz überaus kreativ, denn er stellt für seine Kinder schönes Spielzeug selber her, jedes Stück ist ein Unikat.

Verhängnisvoller Kontakt zu antikommunistischer Gruppe

Erneut muss er in den Krieg ziehen, diesmal ist es der Zweite Weltkrieg. Nach seiner Rückkehr nach aus der Kriegsgefangenschaft spricht ihn 1951 sein Stiefsohn Hellmuth Wischnewski an. Er ist Mitglied in der Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit (KgU), einer antikommunistischen Organisation im Kalten Krieg in Berlin. Unter anderem treten die Mitglieder für freie Wahlen ein, so Leupold. Auch in Pirna gibt es eine Untergruppe, die sich Gruppe Anna nennt.

Hellmuth Wischnewski spricht seinen Stiefvater auf die Bewegung an, und wollte dessen Meinung dazu wissen. "Es ging ihm nur um die Sichtweise meines Großvaters", berichtet Elke Leupold. Beide Männer, sowie die anderen fünf Mitglieder der Gruppe, werden denunziert. "Sie wurden verhört und unterschrieben ein Protokoll, das auf Russisch verfasst war und das sie folglich nicht verstanden. Sie wussten, nicht dass sie damit ihr Urteil unterschrieben", so Leupold. Die Gruppe Anna wird nach Moskau in das berüchtigte Butyrka-Gefängnis gebracht und dort erschossen.

Pirnaer stirbt mit 58 Jahren in russischem Gulag

Otto Lorenz hingegen wird zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt und nach Sibirien in ein Sonderlager deportiert. "Dort mussten unbeschreibliche Verhältnisse geherrscht haben. Es fehlte an allem", sagt Leupold. Im September 1952 verstirbt der 58-jährige Pirnaer im Gulag. Elke Leupold hält in ihrer Erzählung einen Moment inne. "Er musste unschuldig sterben."

Um sie und ihre Schwester Bianca zu schützen, erzählen ihre Eltern, dass der Großvater im Zweiten Weltkrieg gefallen sei. "Wir haben auch nicht weiter nachgefragt, für uns gab es nur Mutti, Vati und die Oma", sagt Elke Leupold. Vielmehr leidet auch die Familie unter Repressalien. So darf Elke Leupold beispielsweise nicht Lehrerin werden. Heute arbeitet sie als Erzieherin.

Bis vor Kurzem kannte sie die wahre Geschichte ihres Großvaters nicht. Im Zuge einer anderen Recherche hatte sie jedoch Zugriff auf die Datenbank der Stiftung Sächsische Gedenkstätten in Dresden. "Es war ein purer Zufall, aber ich hatte die spontane Idee, dass ich einfach mal den Namen meines Großvaters eingebe", sagt die Pirnaerin. Sie wurde fündig. Was sie dort las, schockierte sie. Auch den Namen ihres Onkels gab sie ein, ebenfalls mit einem traurigen Erfolg.

Geplant ist eine Foto- und Spielzeugausstellung

Sie und ihre Schwester haben aufwändig recherchiert und die Lebensgeschichte ihrer Verwandten jetzt rekonstruiert. Dabei soll es aber nicht bleiben. Beide wollen auf das Unrecht aufmerksam machen und planen aus diesem Grund eine Ausstellung. Gezeigt werden sollen die Bilder vom Großvater und dessen handgefertigtes Spielzeug. Die Spielsachen konnten gerettet werden und befinden sich im Keller von Elke Leupold.

Aber bei den Bildern sind die Schwestern auf die Hilfe der Pirnaer angewiesen. "Wer ist im Besitz eines seiner Bilder? Sein Signum sind die in sich verschlungenen Buchstaben O und L. Eines der Bilder ist ein Duplikat und zeigt den mit viel Wald gestalteten Königssee. Das hätten wir besonders gern", sagt Elke Leupold. Es geht ihnen nicht um eine Leihgabe für die Ausstellung, sie möchten Fotografien von den Originalen ihres verstorbenen Großvaters machen, um diese dann mit der Geschichte der beiden Männer auszustellen.

Kontakt zu Elke Leupold: 03501-5163992.