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Fern-Wärme: Stadtwerke Pirna zapfen Sonne fürs Heizen an

Auf dem Sonnenstein geht eine neue Solarthermie-Anlage in Betrieb. Sie ist Teil eines millionenschweren Vorhabens für mehr Klimaschutz.

Von Thomas Möckel
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Fernwärme-Abteilungsleiter Rico Eglin an der Solarthermie-Anlage: 27 Kollektoren wandeln Sonnenlicht in Wärme um.
Fernwärme-Abteilungsleiter Rico Eglin an der Solarthermie-Anlage: 27 Kollektoren wandeln Sonnenlicht in Wärme um. © Karl-Ludwig Oberthür

Der Weg zur Zukunft des Heizens ist aufwendig und teuer. Seit 2019 arbeiten die Stadtwerke Pirna mit einem groß angelegten Komplexvorhaben vor allem daran, Energie effizienter zu produzieren und das Klima zu schützen. Rund 8,8 Millionen Euro, verteilt über mehrere Jahre, kostet es insgesamt, das Fernwärmenetz in die Neuzeit zu transformieren. Etwa 4,5 Millionen dieser Summe stammen aus EU-Fördermitteln. „Insgesamt ist das ein langer Prozess, das geht nicht alles von heute auf morgen“, sagt Rico Eglin, Abteilungsleiter Fernwärme bei den Stadtwerken.

Das gesamte Projekt steht unter dem Stichwort „Dekarbonisierung“, es geht darum, künftig bei der Erzeugung von Fernwärme eine Menge Kohlendioxid einzusparen, um auf dieser Weise den Ausstoß von Treibhausgasen zu senken und das Klima zu schonen. Ist das Vorhaben beendet, werden die Stadtwerke voraussichtlich 550 Tonnen Kohlendioxid pro Jahr einsparen.

Damit das gelingt, modernisieren die Stadtwerke in großen Schritten ihr Fernwärmenetz. So werden unter anderem Vor- und Rücklauftemperatur gesenkt, Fachleute verlegen insgesamt 4,5 Kilometer neue Fernwärmeleitungen und erneuern 71 Hausanschlussstationen. Zudem setzt der Versorger verstärkt auf den Einsatz erneuerbarer Energien. In dieser Hinsicht ist nun in Pirna eine ganz neue Technik hinzugekommen.

Idealer Standort auf dem Sonnenstein

Vor einigen Tagen nahmen die Stadtwerke eine neue Solarthermie-Anlage in Betrieb, das Unternehmen zapft damit sozusagen die Sonne an, um mit ihrer Fern-Wärme tatsächlich Fernwärme zu produzieren. Das Aggregat erzeugt – anders als Fotovoltaik-Anlagen – keinen Strom, sondern Heizenergie.

Die Technik steht auf dem Dach eines der großen Trinkwasserhochbehälter an der B172 auf dem Sonnenstein gegenüber dem Roten Hochhaus, die die Stadtwerke derzeit sanieren lassen. Der näher an der Bundesstraße stehende Behälter ist inzwischen fertig. Der Versorger hatte im Vorfeld drei mögliche Standorte untersuchen lassen, der auf dem Sonnenstein entpuppte sich als ideal. Der Trinkwasserhochbehälter hat einen flachen, ebenen Betondeckel mit 32 Meter Durchmesser, die Ränder sind speziell abgedichtet, weil nichts in das Trinkwasser fließen darf – nicht einmal Regenwasser.

Von Vorteil ist auch, dass das Grundstück ohnehin den Stadtwerken gehört. Ohne eigenes Areal wäre es unwirtschaftlich gewesen, die Anlage zu errichten. „Der Standort auf dem Sonnenstein ist bestens geeignet“, sagt Eglin, „und wir sind einen großen Schritt weiter in Richtung Energiewende.“ Seit einigen Tagen läuft die Technik im Probebetrieb, der dauert insgesamt sechs Wochen, bis sich alles eingepegelt hat.

Technik-Station für die Solarthermie-Anlage: Über den schwarzen Wärmetauscher wird die Wärme in die Fernwärme-Hauptleitung eingespeist.
Technik-Station für die Solarthermie-Anlage: Über den schwarzen Wärmetauscher wird die Wärme in die Fernwärme-Hauptleitung eingespeist. © Karl-Ludwig Oberthür

Wärme reicht für zehn Eigenheime

Die gesamte Anlage besteht aus 27 Kollektoren mit je 13 Quadratmeter Fläche, die gesamte Absorberfläche ist 343 Quadratmeter groß. Alles ist nach Süden ausgerichtet, aufgestellt im 30-Grad-Winkel, so ist der Lichteinfall ideal für die Wärmeproduktion. Verbaut sind sogenannte Heat-Pepe-Röhren, 78 Stück je Vakuumröhrenfeld. Als Wärmeträgerflüssigkeit dient ein Wasser-Glykol-Gemisch, der Frostschutz ist beigemischt, damit im Winter nichts einfriert.

Die Anlage liefert pro Jahr voraussichtlich einen Ertrag von 140 Megawattstunden, laut Experten eine Menge, die ausreicht, um zehn normale Einfamilienhäuser pro Jahr mit Fernwärme zu versorgen. Und die Technik ist inzwischen so ausgereift und sensibel, dass sie selbst bei bewölktem Himmel mit einem Drittel oder der Hälfte ihrer eigentlichen Leistung arbeitet. Stillstand gibt es somit keinen.

Die Spezialröhren wandeln das Sonnenlicht in Wärme um, gespeichert wird sie aber nicht, ein Speicher wäre aus Sicht der Stadtwerke eine unnötige Investition. Stattdessen wird die erzeugte Wärme direkt in die Fernwärme-Hauptleitung eingespeist, das passiert in einem speziellen Technik-Gebäude am Fuß des Hochbehälters. Dort ist der Wärmetauscher installiert, der die Wärme ins Netz transferiert, selbst jetzt in der warmen Jahreszeit, verloren geht nichts. „Die Menge, die wir einspeisen, wird sofort von den Abnehmern genutzt“, sagt Eglin. Die Baukosten für die Anlage lagen bei 780.000 Euro.

Trinkwasser-Hochbehälter auf dem Sonnenstein, hier bei der Sanierung im Mai 2021: Auf dem vorderen Behälter ist die neue Solarthermie-Anlage installiert.
Trinkwasser-Hochbehälter auf dem Sonnenstein, hier bei der Sanierung im Mai 2021: Auf dem vorderen Behälter ist die neue Solarthermie-Anlage installiert. © Marko Förster

Biogas im Heizkraftwerk

Dabei soll es aber nicht bleiben. Wenn der zweite Trinkwasserhochbehälter auf dem Sonnenstein saniert ist, soll auf dessen Deckel eine weitere Solarthermie-Anlage entstehen – so es denn dafür auch Fördermittel gibt. Gelingt das, gäbe es an diesem Standort dann eine Absorberfläche von 750 Quadratmeter.

Darüber hinaus wollen die Stadtwerke in diesem Jahr auch eines der Blockheizkraftwerke im Heizkraftwerk Sonnenstein teilweise auf Biogas umstellen, eine mögliche Überschussmenge des Biogases soll dann im Idealfall im Heizkraftwerk in Copitz eingesetzt werden.

Im Bereich Stromerzeugung wollen die Stadtwerke auf der Sporthalle des Schiller-Gymnasiums an der Seminarstraße eine Fotovoltaik-Anlage errichten. Der Stadtentwicklungsausschuss des Stadtrates hat inzwischen beschlossen, dass die Stadt mit den Stadtwerken diesbezüglich einen Pachtvertrag über die Dachfläche mit einer Laufzeit von 20 Jahren abschließt.