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Warum Fernwärme in Pirna so teuer ist

Nach Ende der Preisbremse gelten wieder die regulären Abschläge. Einige sprechen von Wucher, die Stadtwerke hoffen indes, Kunden bald wieder zu entlasten.

Von Thomas Möckel
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Heizkraftwerk auf dem Pirnaer Sonnenstein: Für die Fernwärme muss Gas in einem aufwendigen Prozess in Wärme umgewandelt werden.
Heizkraftwerk auf dem Pirnaer Sonnenstein: Für die Fernwärme muss Gas in einem aufwendigen Prozess in Wärme umgewandelt werden. © Dirk Zschiedrich

Als Lars Schaffrath aus Pirna die ab Januar 2024 in Pirna geltenden Fernwärmepreise erfuhr, geriet er außer sich. Die Stadtwerke Pirna, so schreibt er, hätten den Preis für die Fernwärme verdreifacht, Fernwärme-Bezieher müssten mit Mehrkosten von zig Tausend Euro rechnen. Der Grund für seinen Groll: Ende 2023 war die staatliche Preisbremse, die auch für die Fernwärme galt, ausgelaufen. Seit Beginn dieses Jahres gelten wieder die regulären Arbeitspreise pro Kilowattstunde.

Laut Schaffrath sei dieser Preis nun auf 28,34 Cent je Kilowattstunden angehoben worden – das Dreifache des Preisdeckel-Betrages. Mit der Fernwärme, so klagt er, würden die Stadtwerke Wucherpreise durchdrücken, das Unternehmen gehöre ohnehin zu den teuersten Anbietern bundesweit. Zudem wirft er den Stadtwerken vor, die 2023 gesunkenen Gas-Beschaffungspreise nicht an die Fernwärme-Kunden weitergegeben zu haben.

Doch wie verhält es sich jetzt genau mit den Fernwärmepreisen? Wie hoch waren die Beträge vor, während und nach der Preisbremse? Warum ist die Fernwärme – beispielsweise im Vergleich zu Gas – ein teureres Produkt? Und wann können die Stadtwerke die Kunden angesichts gesunkener Einkaufspreise für Gas entlasten? Sächsische.de erklärt die Details.

Warum ist Fernwärme ein teures Produkt?

Mit Fernwärme, sagt Stadtwerke-Geschäftsführer Peter Kochan, erhält man ein fertiges Produkt, also Wärme. Im Gegensatz zur reinen Erdgaslieferung an Gaskunden muss für die Fernwärme zunächst Erdgas durch die Verbrennung im Kessel mit entsprechenden Verlusten in Wärme umgewandelt werden. Das wirke sich letztendlich auf den Preis aus, Fernwärme werde daher immer teurer sein als Gas.

Warum ist Fernwärme in Pirna so teuer?

Ein Preisvergleich des Vereins "VEA – Bundesverband der Energie-Abnehmer" listet in einem bundesweiten Fernwärmepreisvergleich für 2023 die Stadtwerke in einer Gruppe der zehn Fernwärme-Versorgungsunternehmen mit den höchsten Durchschnittspreisen auf, die Stadtwerke Pirna stehen dort auf Platz sechs.

Nach Aussage von Kochan liege die Spanne beim allgemeinen Arbeitspreis für Fernwärme bundesweit zwischen etwa zwölf und 30 Cent pro Kilowattstunde, in Pirna beträgt dieser Preis seit Anfang 2024 in den allgemeinen Preisen nun 28,34 Cent je Kilowattstunde, bei den Sonderverträgen 19,97 Cent je Kilowattstunde. Demgegenüber, so der Geschäftsführer, stehen erhebliche Investitionen in Erzeugungsanlagen und Netze. In der zurückliegenden Zeit seien Millionen in den Netzausbau geflossen.

Auch steigende Baukosten wirkten sich auf den Preis aus, so lägen die Baukosten für den Fernwärmeausbau derzeit bei 2500 Euro je Meter. Zudem könnten an mancher Stelle nicht immer gleich alle Abnehmer an einem Strang angebunden werden, die hohen Erschließungskosten müssten die Stadtwerke dann anderweitig umlegen. Überdies wirken sich auch technische Gegebenheiten preissteigernd gegenüber anderen Versorgern aus. So sind durch den Höhenunterschied zwischen der Innenstadt und dem Sonnenstein, auf dem das Heizkraftwerk steht, höhere Pumpenleistungen notwendig, um die Fernwärme zu transportieren.

Wie berechnet sich der Fernwärmepreis?

Jahrelang war der Fernwärmepreis an den Ölpreis gebunden. Auch die Beschaffung von Erdgas für die Erzeugung von Fernwärme war an den Ölpreis gebunden. Irgendwann erschien das nicht mehr als optimal, künftig sollte der Fernwärmepreis direkt an den Gaspreis gekoppelt werden. Der Wechsel wurde 2022 vollzogen. Seither gibt es für die Berechnung des Fernwärmepreises eine komplizierte Formel, die viele Parameter der Entwicklung am Wärmemarkt abbildet.

Wie setzt sich der Preis in Pirna zusammen?

Der Fernwärmepreis in Pirna besteht aus drei Komponenten: Zum einen gibt es einen Grundpreis, dieser richtet sich nach dem Anschluss und bildet zudem die Investitionen in die Heizkraftwerke und in die Netze ab. Für einen Durchschnitts-Abnehmer liegt dieser Grundpreis auch in diesem Jahr unverändert bei 38,45 Euro pro kW und Jahr. Hinzu kommt ein Messpreis für einen herkömmlichen Haushalt von 67,72 Euro pro Jahr. Darüber hinaus gibt es den Arbeitspreis, der je verbrauchter Kilowattstunde berechnet wird.

Wie unterscheiden sich allgemeine und Sonderpreise?

Für all jene Fernwärme-Bezieher, die von den Stadtwerken mit Fernwärme versorgt werden, aber keinen gesonderten Vertrag mit dem Unternehmen geschlossen haben, gilt der allgemeine Fernwärmearbeitspreis. Vertragskunden, die mit den Stadtwerken einen Sondervertrag abgeschlossen haben – was jeder Fernwärme-Bezieher jederzeit machen kann – zahlen einen niedrigeren Preis.

Weil die Zahl der Vertragskunden bekannt ist, geben sie den Stadtwerken eine größere Planungssicherheit, für sie kann das Unternehmen ganz gezielt Gas einkaufen, oft schon günstig im Vorfeld, daher können die Stadtwerke den Fernwärmepreis für die Sondervertragskunden rabattieren und den Rabatt an die Abnehmer weitergeben.

Wie hoch war der Arbeitspreis 2023?

Ab Januar 2023 lag der allgemeine Fernwärme-Arbeitspreis bei 25,87 Cent pro Kilowattstunde.

Wie wirkte sich die Preisbremse aus?

Während der Preisbremsen-Regelung waren die Strom-, Gas- und Fernwärmepreise staatlich subventioniert, Kunden mussten nur einen Teil selbst zahlen, den größeren Anteil übernahm der Staat – also letztlich der Steuerzahler. Das sah wie folgt aus: Der Fernwärmepreis war für Kunden, auch für jene mit Sonderverträgen, auf 9,5 Cent je Kilowattstunde gedeckelt, die Differenz zum eigentlich regulären Preis übernahm der Staat.

Wie hoch ist der Preis 2024?

Die Preisbremse ist zum Ende 2023 ausgelaufen, Verbraucher müssen nun wieder den vollen Preis entrichten. Der allgemeine Fernwärmepreis der Stadtwerke liegt seit Anfang dieses Jahres bei 28,34 Cent pro Kilowattstunde – also im Vergleich zum regulären Preis von 2023 eine Erhöhung um drei Cent. Und Sonderverträge dürfen nun wieder – im Gegensatz zur Preisbremsen-Regelung – rabattiert werden, Kunden mit Sonderverträgen zahlen derzeit 19,97 Cent je Kilowattstunde.

Wann werden sinkende Gaspreise weitergegeben?

Laut der Stadtwerke waren für die Arbeitspreise in diesem Jahr die Beschaffungskosten für Gas im Zeitraum von September 2022 bis September 2023 ausschlaggebend. Laut Kochan seien diese Beschaffungspreise noch sehr hoch gewesen, was sich nun auch in einem recht hohen Arbeitspreis widerspiegelt. Später im Jahr 2023 fielen die Gaspreise, dies könne aber erst zeitversetzt an die Kunden weitergegeben werden, das wird dann 2025 der Fall sein. "Aus heutiger Sicht", sagt Kochan, "wird der Arbeitspreis im Sondervertrag dann unter 19 Cent liegen."