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Oh Boy! Ein Amerikaner bringt das Basketballfieber nach Pirna

Andrew Jones trainiert Pirnas Jugend fürs Körbe werfen und fürs Leben. Anweisungen gibt es aber nur auf Englisch. Let's go!

Von Jörg Stock
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Kein großer Lächler? Der US-Amerikaner Andrew Jones bringt Pirnas Jugend das Basketballspiel bei, mit Coolness, aber auch einer großen Portion Ernst.
Kein großer Lächler? Der US-Amerikaner Andrew Jones bringt Pirnas Jugend das Basketballspiel bei, mit Coolness, aber auch einer großen Portion Ernst. © Karl-Ludwig Oberthür

Zwei Dutzend Basketbälle, die rhythmisch den Boden bearbeiten, machen einen Lärm wie Trommelfeuer. Man versteht das eigene Wort nicht mehr. Doch wenn Andrew Jones die Stimme erhebt, stoppt die Ballerei. "Focus! Focus! Focus!" Er will Konzentration sehen, wenn er das "Pick and Roll" erklärt, das Blocken des gegnerischen Verteidigers, um den eigenen Mitspieler zum Wurf zu bringen. "Does everybody understand?" Hat jeder verstanden? "Let's go!"

Ob wirklich jeder weiß, was zu tun ist? Andrew Jones vertraut darauf. Basketball, sagt er, ist eine internationale Sprache. Und wer sie nicht ganz versteht, der versteht sie dann, wenn er sieht, was die anderen machen. Er selbst geht herum, und korrigiert hier und da. Noch sind die Kids bei "step one", beim ersten Schritt. Alles Weitere hängt von ihrer Hingabe ab, von ihrem Willen. "Sie werden besser, wenn sie es wollen."

Schon vier Teams unter Lok-Flagge am Start

Im Moment sieht es gut aus mit dem Willen der Pirnaer Jugend zum Basketballspiel. Im März wurde die Abteilung gegründet, beim ESV Lokomotive, und hat jetzt über achtzig Mitglieder. Die Tendenz ist weiter steigend, sagt Abteilungsleiter Robert Körner. Jede Woche kriegt er ein, zwei Anfragen wegen eines Probetrainings. "Wir sind froh und glücklich."

"Focus! Focus! Focus!" Andrew Jones verlangt bei der Trainingseinheit volle Konzentration.
"Focus! Focus! Focus!" Andrew Jones verlangt bei der Trainingseinheit volle Konzentration. © Karl-Ludwig Oberthür

Dieses Glück hängt auch mit Andrew Jones zusammen, dem Basketballprofi, der aus dem Mutterland dieses Sports kommt. Über Kontakte und Sponsoring gelang es, den US-Boy als Coach nach Pirna zu holen. Er hat einen guten Zugang zu den Kids, findet Robert Körner. Er kritisiert und motiviert zugleich. "Er gibt den Kindern ein gutes Gefühl." Jedes Training ist auch eine Englischstunde. "Ein sehr positiver Nebeneffekt."

Mittlerweile laufen vier Basketballteams unter der Lok-Flagge auf. Heute trainieren die Elf- bis 17-Jährigen. Im Sportsaal des Evangelischen Schulzentrums in Pirnas Süden haben sie Gruppen gebildet und üben die Abläufe, die "Drills", die Andrew sehen will. Dabei geht es nicht immer darum, Körbe zu treffen. Es geht um Fähigkeiten, die auch ohne Ball nützlich sind. "Du musst kein Basketballspieler sein, um dich koordiniert zu bewegen."

"Okay everybody! Get some water!" Trinkpause. Andrew Jones faltet seine lange Gestalt, die mit 1,91 Metern gar nicht so lang ist, auf die Bank neben dem Spielfeld. Er wirkt kaum älter als die ältesten seiner Schüler. Dabei ist er dieses Jahr vierzig geworden. In zehn Jahren soll er fünfzig sein? Das findet er "crazy". Er fühlt sich wie 25. Zum Vierzigsten ist er, statt zu feiern, Marathon gelaufen.

"Lernen, sich koordiniert zu bewegen." Bei den Übungen geht es um viel mehr als um Bälle und Körbe.
"Lernen, sich koordiniert zu bewegen." Bei den Übungen geht es um viel mehr als um Bälle und Körbe. © Karl-Ludwig Oberthür

Das Laufen war sein Sport, bevor er zum Basketball kam. Mit Basketbällen hantierte er zwar schon als Fünfjähriger. Doch erst mit vierzehn, nach einem Wachstumsschub, begann er, in einem offiziellen Team zu spielen. Im College wurde er Mannschaftskapitän. Nach dem Abschluss ging er als Profi nach Übersee, spielte Basketball in Spanien, Ecuador, Bolivien, Dubai, Schweden und in der Schweiz.

In der Kindheit ein Dutzend Mal umgezogen

Auch mit deutschen Teams warf Andrew Jones Körbe, mit den Dresden Titans, den Niners Chemnitz, den Aschersleben Tigers. Zuletzt half er noch bei den Red Dragons von Königs Wusterhausen aus. Im Prinzip ist seine Profikarriere vorbei. Jones lebt in Dresden, arbeitet dort an der International School als Sportlehrer. Außerdem hat er eine eigene Coaching-Firma gegründet, die Jabstep Athletics heißt.

Jabstep Jones, das war sein Spitzname als Profi, der Jabstep, ein klassisches Täuschungsmanöver, um Verteidiger auszutanzen, sein Markenzeichen. Als Trainer will er speziell die mentale Seite des Sports stärken. Deshalb spricht er von sich auch als Mental Coach oder Life Coach, also Lebenstrainer. Fokus, das ist sein Schlüsselwort. "Leute, die fokussiert sind, haben bessere Ergebnisse."

"Es macht Spaß, sonst wären wir nicht hier." Gustav, Eddie, Tillmann und Lucas (v.l.) freuen sich auf jede Trainingseinheit.
"Es macht Spaß, sonst wären wir nicht hier." Gustav, Eddie, Tillmann und Lucas (v.l.) freuen sich auf jede Trainingseinheit. © Karl-Ludwig Oberthür

Für den Job als Lebenstrainer hat Andrew schon früh geübt. Geboren im Atlanta, Georgia, Südost-Metropole der USA, zog er mit den Eltern, die beim Militär beschäftigt waren, mindestens ein Dutzend Mal um, ging auf drei Highschools und drei Colleges. Was nach Tortur klingt, sah er als Privileg. Er lernte viel und konnte Dinge, die an einem Ort nicht gut gelaufen waren, am nächsten besser machen. "Ich konnte immer wieder neu anfangen", sagt er. "Eine großartige Erfahrung."

Taxi lässt den Trainer am Bahnhof stehen

Der Basketball wurde dabei sein Schutzschild gegen schlechte Einflüsse, denen mancher seiner Freunde ausgesetzt war: Drogengeschichten, Gang-Aktivitäten. "Basketball gab mir ein Ziel, das ich versuchen konnte zu erreichen", sagt er. "Er lenkte meinen Geist ab von der negativen Umwelt."

Negatives kann Andrew Jones heute kaum entdecken in seinem Leben. Er ist verheiratet mit einer einstigen Profi-Volleyballerin, hat eine kleine Tochter, liebt Dresden, liebt sein Viertel, weil es cool ist, weil es ruhig ist, weil "alles in Ordnung" ist. Das sagt er wirklich auf Deutsch. Ordnung muss sein, sagt er. Er ist nicht gern in Berlin. Ist ihm zu chaotisch.

"Neue Energie für die deutsche Basketballwelt." Andrew Jones hofft, dass sich noch mehr Kinder und Jugendliche für seinen Sport begeistern.
"Neue Energie für die deutsche Basketballwelt." Andrew Jones hofft, dass sich noch mehr Kinder und Jugendliche für seinen Sport begeistern. © Karl-Ludwig Oberthür

Vielleicht ist Andrew Jones deutscher als einige Deutsche, die ihn hier schräg angucken. Rassismus gehört für ihn, den "Black Man", zum Alltag. Nicht, dass jemand ihn verprügeln wollte oder ihm das "N-Wort" ins Gesicht schreit. Rassismus, sagt er, ist hier weniger gefährlich als in den USA, wo er tötet, wie ein Löwe. Er ist subtil. Jones sagt "Puppy Dog Racism" dazu, Hundebabyrassismus. Am Pirnaer Bahnhof, erzählt er, durfte er schon dreimal nicht in ein Taxi einsteigen. Begründung: keine.

Er sagt sich dann: Okay, der Typ hat die Chance auf eine nette Unterhaltung verpasst. Er will solchen Dingen nicht zu viel Bedeutung einräumen, nicht zu viel Macht geben. Weitaus häufiger haben ihn die Taxis mitgenommen. Er sieht auch viele Gesichter, die ihn anlächeln. Er selbst hält sich für keinen großen Lächler. Vielleicht schüchtert das die Leute ein, sagt er. "Vielleicht sehe ich dadurch aus wie ein Gangster."

In der Sporthalle schätzen sie die strikte Arbeitsweise ihres Coachs. Lucas etwa, 17 Jahre alt, ist froh, dass er mit seinen Kumpels bei Andrew trainieren kann. "Es macht Spaß", sagt er, "sonst wären wir nicht hier." Andrew hofft, dass seine Schüler diese Erfahrung in die Welt mitnehmen und beim Thema Rassismus den Mund aufmachen: "Weißt du was, ich hatte einen Trainer, er war schwarz und war der coolste Typ, den ich je getroffen hab."