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Der Schmuckfund von Pratzschwitz

Geschichte vor der Haustür: Vor zwei Jahren haben Archäologen bei Pirna einen sensationellen Fund gemacht. Jetzt erschien ein Buch über den "Schatz".

Von Louis Venus
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Der Sensationsfund von Pratzschwitz: ein Tonkrug, drei Fibeln, Perlen und ein unvergleichliches Kettencollier.
Der Sensationsfund von Pratzschwitz: ein Tonkrug, drei Fibeln, Perlen und ein unvergleichliches Kettencollier. © Landesamt für Archäologie Sachsen / Martin Jehnich

Es ist der 7. Oktober des Jahres 2018. Ein denkwürdiger Tag, an dem in Pirna-Pratzschwitz nicht etwa Geschichte geschrieben, sondern gefunden wurde. Eine Gruppe von Archäologen war im Kieswerk mit Ausgrabungen beschäftigt, als sie an einem der letzten Grabungstage auf das stießen, was heute viele einen Sensationsfund nennen. Nach zwei Jahren des Forschens erscheint nun ein Buch über den "Schatz".

Ein unvergleichliches Kettencollier

Der Fund: ein Tongefäß, das mit allerlei Gegenständen gefüllt ist. Unter anderem fanden sich dort drei bronzene Fibeln, die vermutlich zum Fixieren von Kleidung verwendet wurden. Das Besondere an ihnen ist, dass sie mit Menschen- und Tierdarstellungen versehen sind. "Es handelt sich um die allererste Qualitätsstufe keltischer Erzeugnisse", erklärt Dr. Wolfgang Ender vom Landesamt für Archäologie. "Es ist ein fast schon modern wirkender Kunststil."

Des Weiteren lagen in dem Tongefäß 485 Perlen aus Bernstein und Glas. Das, was den Fund so sensationell macht, ist jedoch ein Kettencollier aus Bronze, das aus einem halbkreisförmigen Reif und fast 800 einzelnen Kettengliedern besteht. "Bei dem Collier handelt es sich um einen beispiellosen Fund. Uns ist nichts Vergleichbares bekannt", so Ender.

Das Cover des Buches "Der Schmuckfund von Pratzschwitz".
Das Cover des Buches "Der Schmuckfund von Pratzschwitz". © Landesamt für Archäologie Sachsen // SZ-Bildstelle

Der Schmuck - eine Grabbeigabe?

Die Forscher gehen davon aus, dass der Keltenschatz, der aus der Zeit um etwa 400 vor Christus stammt, einen religiösen Ursprung hat. "Die Kelten verschmelzen griechische und skythische Einflüsse mit ihren eigenen Traditionen und erschaffen damit einen mythischen, sicherlich religiösen begründeten Kunststil", sagt Ender.

Die Autoren des neuen Buches über den Keltenschatz, so vor allem Ender und sein Kollege Dr. Ingo Kraft sind sich jedoch nicht ganz einig, zu welchem Zweck das Gefäß mit dem Schmuck dort hinterlassen wurde. Krafts Ansicht nach handelt es sich um eine Grabbeigabe. Er argumentiert, dass es unwahrscheinlich ist, dass die Grube von über einem Quadratmeter Größe, in der man das Gefäß gefunden hat, ausgehoben wurde, um es zu verstecken. "Auch der Inhalt des Tonkrugs deutet auf eine traditionelle Grabbeigabe hin", so Kraft. Ender hält dagegen und erklärt, dass die Knochenreste des Verstorbenen, die typischerweise mit den Beigaben bestattet werden, nicht auffindbar waren.

Warum wurde ausgerechnet Pratzschwitz zur Fundstelle?

Das sensationelle an dem Fund ist laut Kraft nicht nur die Tatsache, dass sich die Schmuckstücke in so einem außerordentlich guten Zustand befinden, sondern auch, dass diese praktisch erst ganz am Ende der Ausgrabung gefunden wurden. Und dazu auch noch in einem Bereich, der eigentlich schon als abgeschlossen galt. Aus Pratzschwitz stammt übrigens nicht nur dieser Fund. Neben den Keltenschätzen fand man in diesem Gebiet an der Elbe auch Gegenstände aus der Mittelsteinzeit 8000 bis 7000 vor Christus, aus der jungen Bronzezeit und Spuren von frühmittelalterlichem bis neuzeitlichem Weinanbau. Dr. Kraft spricht von Pratzschwitz als einem "Siedlungshotspot".

Die drei Autoren des Buches (v.l. Ingo Kraft, Wolfgang Ender und Gabriele Wagner).
Die drei Autoren des Buches (v.l. Ingo Kraft, Wolfgang Ender und Gabriele Wagner). © Landesamt für Archäologie // SZ-Bildstelle

Das Buch um den Sensationsfund

Die Wissenschaftler Ingo Kraft, Wolfgang Ender und Gabriele Wagner, die den Fund detailgenau dokumentierten, haben ihre Erkenntnisse nun nach nur zwei Jahren in einem Buch verewigt. Rekordzeit, wenn man bedenkt, dass es sonst gut 12 bis 15 Jahre dauert, bis die Ergebnisse von einer Ausgrabung der breiten Öffentlichkeit zugänglich werden.

Die Lektüre befasst sich auf 109 Seiten mit der genauen Beschreibung und Einordnung der Fundstücke, sowie deren Zusammenhang mit dem Leben der Kelten. Mit viel Liebe zum Detail widmen sich die Autoren ihren Schätzen und vermitteln dem Leser auf fundierter Weise die Ergebnisse ihrer Forschung. Mit einer Kombination aus wissenschaftlichen Texten und vielen anschaulichen Bildern dürfte das Buch nicht nur etwas für Fachleute, sondern auch für den interessierten Laien sein.

Noch ist die Forschungsarbeit jedoch nicht beendet. Es gilt noch mehr Erkenntnisse über die verwendeten Materialien zu sammeln, erklärt Kraft. Dazu gehört neben der weiteren Restauration auch herauszufinden, woraus sich die verwendeten Metalle zusammensetzen und woher beispielsweise die Perlen aus Bernstein und Glas stammen. Dass zukünftige Erkenntnisse der Archäologen noch in Fachzeitschriften oder einem weiteren Buch erscheinen, hält er für denkbar.

Preis: 16,50 Euro und ISBN-Nummer: 978-3-943770-54-4.

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