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Aus dem Gasthof Weiße Taube in Pirna wird "Die Laterne"

Gastwirt Gerd Rothländer hat aus Altersgründen das Lokal in Pirna-Zatzschke übergeben. Leicht fiel ihm der Abschied nicht. Seinen Gästen geht es ähnlich.

Von Mareike Huisinga
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Gerd Rothländer hatte viele Jahre das Lokal und die Pension Weiße Taube in Pirna-Zatzschke betrieben. Nun hört er aus Altersgründen auf.
Gerd Rothländer hatte viele Jahre das Lokal und die Pension Weiße Taube in Pirna-Zatzschke betrieben. Nun hört er aus Altersgründen auf. © Daniel Schäfer

Das Lokal und die Pension Weiße Taube in Pirna-Zatzschke sind Geschichte. Gastwirt Gerd Rothländer hat aus Altergründen das Objekt abgegeben und bereits einen Nachfolger gefunden. Aus der Weißen Taube wird "Die Laterne". "Der neue Betreiber ist ein Unternehmer aus Vietnam, der aber schon viele Jahre in Deutschland wohnt", berichtet Rothländer. Das Haus wird derzeit umgebaut, zahlreiche Laternen, passend zum neuen Namen, hängen bereits an der Fassadenseite. Auf der künftigen Speisekarte stehen asiatische und vietnamesische Gerichte. Wann er öffnen wird, kann Rothländer nicht sagen. Der neue Besitzer selber wollte sich gegenüber Sächsische.de nicht äußern.

Schwerer Abschied vom Traditionslokal

Leicht ist Gerd Rothländer die Entscheidung nicht gefallen. "Ich bin jetzt 77 und wollte eigentlich zusammen mit meiner Lebenspartnerin die Weiße Taube bis zu meinem 80. Lebensjahr führen. Aber ich muss auf meine biologische Uhr hören, und die tickt laut. Körperlich bin ich nicht mehr so belastbar. Folglich hätte ich weiteres Personal einstellen müssen, und das wäre auch eine ökonomische Frage gewesen", berichtet Rothländer.

Nicht nur dem Gastronomen fällt der Abschied von dem Traditionslokal schwer. Auch seine Gäste bedauern diese Entscheidung. "Viele sagten mir, das könne ich doch nicht machen und sie wüssten nicht, wo sie jetzt feiern sollten. Die Weiße Taube sei schließlich eine Institution gewesen. Aber ich musste die Reißleine ziehen", sagt der Pirnaer.

Als Schlafwagenschaffner durch Europa

Fast 50 Jahre hat Gerd Rothländer in der Gastronomie gearbeitet. Ein Job, der ihn erfüllte, weil er so mit den verschiedensten Menschen zusammenkam. Geboren wird Rothländer in Erfurt, wo er nach der Schulausbildung eine Lehre zum Schlosser absolviert. Allerdings kann er aus gesundheitlichen Gründen nicht lange in dem Beruf arbeiten, sondern sattelt um. Er entscheidet sich für Gastronomie und macht eine Ausbildung zum Kellner. Unter anderem arbeitet er im Flughafenrestaurant in Erfurt.

Dann wechselt er zum Mitropa Fahrbetrieb und lernt als Oberkellner und Schlafwagenschaffner ganz Europa kennen. "Eine spannende Zeit, ich könnte Bücher schreiben", meint Rothländer rückblickend. Besonders gerne erinnert er sich an die Fahrten nach Krakau, wo er gute Freunde hat. In Rumänien musste er allerdings gut aufpassen, denn damals wird auf der Strecke viel gestohlen. "Noch heute verschließe ich alles und kontrolliere", meint er.

Rothländer will mehr. Anfang der 70er-Jahre beginnt er ein Fernstudium in Leipzig mit dem Abschluss Ökonom des Gaststätten- und Hotelwesens. Sein Arbeitgeber Mitropa beauftragt ihn unterdessen, Plätze für ein Kinderferienlager zu bekommen. Nicht ganz einfach zu DDR-Zeiten. Doch Gerd Rothländer hat Glück. Bei einem Mittagsessensgespräch in Berlin, wo sein Zug längeren Aufenthalt hat, kommt er ins Gespräch mit Leuten des Betriebes Metallguss Berlin.

"Metallguss besaß die Weiße Taube in Pirna und nutzte sie als Ferienlager und zu Schulungszwecken. Man machte mir den Vorschlag, wenn ich die Leitung des Ferienlagers übernehme, dann könnte ich auch Plätze für Mitropa vor Ort bekommen", erinnert sich Rothländer, der nicht lange fackelt. 1975 übernimmt er die Lagerleitung und später das gesamte Objekt.

Silvester? Ausgebucht!

Er macht sich stark dafür, dass die Gaststätte wieder eröffnen kann und wendet sich an den damaligen Oberbürgermeister von Pirna. Voller Erfolg. "Er intervenierte, sodass ich das Plazet bekam, die Gaststätte neu zu beleben." Das war 1977 und damit beginnt die Zeit der großen Partys in der Weißen Taube. Hochzeiten, Jugendweihen, Tanzveranstaltungen werden hier fröhlich gefeiert.

Das Lokal mit dem großen Saal ist beliebt. Wenn die letzten Gäste Silvesternacht um vier Uhr aus dem Haus stolpern, ist das nächste Silvesterfest schon wieder komplett ausgebucht. Aber auch kulturell stellt Gerd Rothländer etwas auf die Beine und holt die Großen nach Pirna-Zatzschke. Unter anderem treten hier Wolfgang Stumph, Dagmar Frederic sowie Olaf Berger auf.

Gute Erfahrung mit der Treuhand

Nach der politischen Wende stellt er bei der Treuhand den Antrag, das gesamte Objekt zu kaufen. Trotz mehrerer Mitbewerber erhält er den Zuschlag. "Ich konnte mit meinem Konzept überzeugen und bin vermutlich der einzige Mensch, der mit der Arbeit der Treuhand zufrieden ist." Allerdings muss so einiges gemacht werden. Die Heizung wird von Kohle auf Öl umgestellt, die komplette Einrichtung wird erneuert und es finden mehrere Umbauarbeiten statt. "Das Geschäft lief gut, aber ich musste auch schwere Zeiten hinnehmen", so Rothländer.

Darunter zählen beispielsweise Finanzierungsprobleme. Einmal wurden ihm kurz vor Silvester sämtliche Tonträger gestohlen. Ein Kumpel aus Binz spielte Gerd Rothländer schnell neue Musik auf, die er dann in der Silvesternacht auflegen konnte. Auch persönlich muss Gerd Rothländer einen schweren Schicksalsschlag erdulden. Seine Frau stirbt in Bali.

Jetzt wohnt er nicht mehr in der Weißen Taube, sondern ist mit seiner Lebenspartnerin in eine Mietwohnung in Pirna gezogen. Was er in seiner Freizeit machen will? "Erstmal ist noch viel zu tun. Ich meine jetzt Behördengänge und den Umzug", überlegt Rothländer laut. Wenn dann etwas Ruhe eingekehrt ist, denkt er an Reisen. Besonders Fluss- und Schiffsreisen haben es ihm angetan. "Schon zu DDR-Zeiten fuhr ich in der Sowjetunion auf der Wolga und auf dem Dnjepr. Es waren sehr eindrucksvolle Touren."

"Bester Chef der Welt"

Eins ist jetzt schon sicher: Sobald das neue Lokal Die Laterne eröffnet, wird er mit zu den ersten Gästen gehören. Und er lädt sein früheres Personal ein. "Denn wir haben ein gutes Verhältnis. Zum Abschied habe ich von den Mitarbeitern den Oskar ,Bester Chef der Welt' bekommen", erzählt Gerd Rothländer, man hört deutlich Stolz aus seinen Worten.