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Herr Kalina, wie lebt es sich als Homosexueller in Pirna?

Thomas Kalina hatte mit 25 Jahren sein Coming-out. Er wünscht sich mehr Akzeptanz gegenüber der queeren Szene.

Von Mareike Huisinga
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Thomas Kalina wohnt in Pirna und ist Mitglied im queeren Verein CSD Pirna.
Thomas Kalina wohnt in Pirna und ist Mitglied im queeren Verein CSD Pirna. © Norbert Millauer

Thomas Kalina wohnt in Pirna. Als er 25 Jahre war, hatte er sein Coming-out und geht seitdem sehr offen mit dem Thema um. Außerdem engagiert er sich bei dem Verein Christopher Street Day (CSD) Pirna. Der Verein setzt sich für Toleranz gegenüber Homosexuellen, Transsexuellen und Bisexuellen ein. Mit Sächsische.de sprach Thomas Kalina über Anfeindungen, aber auch über Unterstützung, die die queere Szene in Pirna erhält.

Herr Kalina, Sie sind homosexuell. Fühlen Sie sich in Pirna wohl?

Momentan noch. Aber ich habe das Gefühl, dass die Akzeptanz gegenüber der queeren Gesellschaft nachlässt. Zum einen bekommen wir viel Gegenwind von Gruppen aus dem rechten Spektrum, aber wir merken auch, dass ebenso zahlreiche muslimische Migranten Probleme mit uns haben. Da erkenne ich manchmal wenig Toleranz.

Wie äußert sich das konkret?

So wird zum Beispiel auf Demonstrationen aus dem rechten Umfeld offen queerfeindlich aufgetreten, sogar der CSD Pirna direkt diffamiert. Wenn ich dort in der Nähe bin, beschleicht mich schon ein beklemmendes Gefühl.

Ja, hämische und bösartige Kommentare nehmen eindeutig zu. Diese kommen aus der rechten Ecke. Es gibt aber auch Vorurteile und Vorbehalte uns gegenüber, die bis in den Pirnaer Stadtrat hineinreichen. Zum Beispiel wird das Gerücht gestreut, dass unser Verein Fördermittel von der Stadt Pirna erhalte. Das stimmt nicht. Für die Veranstaltung CSD im Sommer bekommen wir den Marktplatz und das Stadthaus zur Verfügung gestellt, aber keine finanziellen Zuwendungen.

Stichwort CSD in Sommer, vor einigen Jahren hatten Unbekannte im Vorfeld die Bühnenplane aufgeschlitzt.

Korrekt, und an dem eigentlichen Tag versuchten dann Personen das Fest zu stören, was durch das Eingreifen von Polizei und Sicherheitskräfte verhindert werden konnte. Es war aber eine Ausnahme. Wir arbeiten eng mit der Polizei zusammen und haben einen guten Sicherheitsdienst für die Veranstaltung organisiert. Allerdings wurde in diesem Jahr die Regenbogenflagge heruntergerissen und verbrannt.

Was fühlen Sie dabei?

Ich fühle mich extrem unsicher, weil ich nicht weiß, was an dem eigentlich Tag noch passieren könnte. Es ist aber alles ruhig geblieben und wir konnten den CSD in diesem Jahr sehr friedlich feiern.

Wer unterstützt den Verein CSD Pirna?

Hauptsächlich Gruppen aus dem linken Spektrum. Aber wir bekommen auch Spenden von Stiftungen und Privatpersonen. Auch vonseiten der CDU erleben wir Unterstützung, das ist eine relativ neue Erfahrung für uns, über die wir uns aber sehr freuen.

Sie selber sind seit 2013 Mitglied im CSD Pirna. Warum engagieren Sie sich?

Ich habe so die Möglichkeit, etwas zu gestalten und zu bewegen. Mit seinen Aktionen und Angeboten plädiert der CSD für Toleranz gegenüber Homosexuellen, Transsexuellen und Bisexuellen. Wir zeigen Flagge, und das im wahrsten Sinne des Wortes, wenn die Transgenderflagge und die Regenbogenflagge vor dem Pirnaer Rathauses wehen.

Welche Angebote macht der CSD noch?

Wir bieten im geschützten Raum Beratungsgespräche für Eltern und Jugendliche an, die sich im Coming-out befinden. Das ist für Eltern nicht immer einfach und sie sind auf Hilfe angewiesen.

Wie haben Ihre Eltern damals reagiert?

Meine Eltern haben mich seit meinem Coming-out so akzeptiert, wie ich bin. Sie sagten mir damals: 'Thomas, wenn du glücklich bist, sind wir glücklich.' Ich habe meinen Eltern und meiner Familie viel zu verdanken.

Kommen wir aber nochmal auf den CSD Pirna zurück.

Gerne, wir unterstützen auch die Aktion Stolpersteine, für die wir Spenden bekommen haben. Zur Hofenacht eröffnen wir immer unseren Innenhof in der Langen Straße und sind mittlerweile zu einem begehrten Anlaufpunkt geworden. Überhaupt haben wir Ausstrahlungskraft. Ich selber bin aus persönlichen Gründen oft in Wien. Ich wurde schon von einem Wiener auf den CSD in Pirna angesprochen, der damals die Feier auf dem Pirnaer Marktplatz besucht hatte und immer noch davon schwärmte.

Autorenlesung : Am 1. Dezember liest der Berliner Autor Samuel Coenigsberg aus seinem Buch "Que(e)rflug: Die biografische Reise eines Familienvaters zu seiner verborgenen sexuellen Identität" vor. Die Lesung findet in der Langen Straße 43 in Pirna statt und beginnt um 19 Uhr.