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Pirnas Retter-Verein: Die lange Odyssee zum neuen Quartier

2017 flog der Historienverein aus seinem Stammdomizil, weil die Stadt die Räume kündigte. Den Mietvertrag für die neue Bleibe gab es erst in diesem Jahr.

Von Thomas Möckel
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Vize-Chef Konrad Schleicher (l.) und Sprecher Steffen Frenzel vom Retter-Verein: Endlich im neuen Quartier in der alten Feuerwache angekommen.
Vize-Chef Konrad Schleicher (l.) und Sprecher Steffen Frenzel vom Retter-Verein: Endlich im neuen Quartier in der alten Feuerwache angekommen. © Karl-Ludwig Oberthür

Der Historienverein „Der Retter der Stadt Pirna – Theophilus Jacobäer“ bereichert schon über zwei Jahrzehnte das Pirnaer Kulturleben mit einem außergewöhnlichen Spektakel. Seit 2001 führt die etwa 90 Mitglieder starke Laienschauspiel-Truppe das Volksstück über den mutigen Apotheker Jacobäer auf, der 1639 dank einer Nacht- und Nebelaktion Pirna vor den brandschatzenden Schweden bewahrte.

Später gesellten sich zu den Vereinsaktivitäten noch der Schwedeneinmarsch und das lebendige Canalettobild dazu, alle drei Ereignisse sind inzwischen aus dem Veranstaltungskalender nicht mehr wegzudenken. 2020 schließlich stand das Jubiläum „20 Jahre Wiederaufführung Der Retter“ auf dem Programm, dem Corona allerdings einen Strich durch die Rechnung, die Mimen konnten nicht spielen.

Doch auch ohne die Pandemie wäre der Einsatz der Schauspieltruppe fraglich gewesen. Zu diesem Zeitpunkt kämpfte der Verein schon weit über zwei Jahre ums Überleben. Es war ein Drama in mehreren Akten, es ging um gekündigte Vereinsräume, unbefriedigende Alternativen, schwindendes Vertrauen zu Pirnas Stadtverwaltung und die zähe Suche nach einem neuen Domizil. Mittlerweile ist ein neues Stammquartier gefunden, den finalen Mietvertrag für die alte Feuerwache gab es aber erst in diesem Jahr, was den Verein in den zurückliegenden Monaten sehr ausbremste. Sächsische.de fasst die Odyssee noch einmal zusammen und gibt einen Überblick über aktuelle Projekte – und Probleme.

Der Rauswurf

Der Retter-Verein hatte bis 2017 seinen Stammsitz im Haus Grohmannstraße 1, das Gebäude gehört der Stadt. In den Räumen war ausreichend Platz für Büro und Kostüme, die Mimen konnten sich dort vor den Aufführungen bequem umziehen. Doch damit war plötzlich Schluss. Mitte 2017 kündigte das Rathaus das Quartier wegen Eigenbedarf, die Stadtverwaltung brauchte zusätzliche Räume.


Es gab danach zwar Gespräche über Alternativen, die für den Verein aber nicht infrage kamen. Sie waren entweder zu abgelegen, zu klein oder zu unpraktisch. Weil die Stadt drängte, zog der Verein Ende 2017 aus seinem Domizil aus. Die Stadt sagte zu, Anfang 2018 einen Ausweich zu präsentieren. Doch das Rathaus ließ diese Frist verstreichen, der Verein hing domiziltechnisch völlig in der Luft.

Der kurzfristige Ausweich

Nach dem Auszug hauste der Verein äußert beengt, nicht alles war mehr an einem Fleck. Vereinssitz, Büro und Umkleiden waren nun in einem einzigen Raum im Haus Grohmannstraße 1 untergebracht, die Kostüme lagerten im Hinterhaus der Stadtbibliothek. Dieses Lager war nur schwer zugänglich. An eine vernünftige Vereinsarbeit einschließlich Kostüm-Reparaturen und Umziehen war nicht mehr zu denken. „Im Moment“, attestierte Vereinschef Volker Großmann damals, „sind die Retter handlungsunfähig.“

Das Vertrösten

Nach langem Hin und Her reifte 2018 bei der Stadt der Plan, den großen Boden im Haus Grohmannstraße 1 auszubauen. Dem Verein wäre das sehr entgegengekommen, er favorisierte ein Quartier im Zollhof, weil dort auch die großen Kulissen lagern. Das Dachgeschoss erschien als ideal, der Raum war groß genug, hatte einen vernünftigen Aufgang und ausreichend Licht. Zu dem Ausbau kam es aber nie – der Stadt fehlte dafür das Geld.

Das Interimsquartier

Um zumindest wieder halbwegs arbeiten zu können, kam der Verein ab 2018 vorübergehend in einer Zweizimmer-Wohnung der Städtischen Wohnungsgesellschaft Pirna (WGP) am Steinplatz unter. Dort gab es zwar ausreichend Platz, um Kostüme und kleinere Requisiten aufzubewahren. Aber dass sich dort mehrere Mimen zeitgleich in die historischen Roben kleiden, war auch dort nahezu ein Unding. Hinzu kam: Für eine gewisse Zeit war die Miete für die Wohnung gesichert, doch auf Dauer ließ sich das Geld nicht auftreiben. So zog der Verein dann wieder aus und nutzte bis August 2021 Räume im Gemeindezentrum auf dem Sonnenstein als Lager.

Retter-Übergangsquartier am Steinplatz: Immer Enge im Gedränge, zum Umziehen war nicht viel Platz.
Retter-Übergangsquartier am Steinplatz: Immer Enge im Gedränge, zum Umziehen war nicht viel Platz. © Marko Förster

Das Versprechen

Inzwischen favorisierte Pirna die Variante, dass der Retter-Verein in die alte Feuerwache an der Oberen Burgstraße zieht, ohnehin als Vereinshaus avisiert und bislang Sitz des Kunst- und Kulturvereins „Uniwerk“. Um die anfängliche Skepsis der Retter zu zerstreuen, versprach die Stadt, einige Räume auszubauen und noch einmal kräftig zu investieren – was sie dann auch tat. Der Einzug in die Feuerwache war für August 2019 geplant.

Doch auch dazu kam es nicht. „Unter den damaligen Bedingungen konnten wir nicht einziehen“, sagt Steffen Frenzel, Sprecher des Retter-Vereins. In den sanierten Räumen habe es noch etliche Mängel gegeben, zudem sei der Mietvertrag nicht unterschriftsreif gewesen. Alles zog sich in die Länge, laut der Stadt sollte der Mietvertrag nun bis Ende 2019 vorliegen, die Mängel sollten bis Anfang 2020 behoben sein. Vereinzelt waren sie das auch, ein Einzug war aus Sicht des Vereins aber weiterhin unmöglich. Und der Mietvertrag fehlte noch immer. Dann kam Corona, was zunächst alles ausbremste.

Der Umzug

Erst im Juli 2021 entschied der Vorstand des Retter-Vereins, dem Mietvertrag mit Stadt und Uniwerk beizutreten. Im August 2021 folgte der Umzug in die alte Feuerwache, den unterzeichneten Mietvertrag bekam der Verein aber erst Anfang 2022. In der Feuerwache hat der Retter-Verein nun eine Kammer auf dem Dachboden, sie dient als Kostümlager. Hinzu kommt ein weiterer Raum im Obergeschoss, dort lagern kleinere Requisiten, zugleich dient er als Hauptquartier und Sitzungsraum. In Absprache mit dem Uniwerk können die Retter auch das erste Obergeschoss zum Umziehen nutzen, bei schlechtem Wetter können die Mimen in der ehemaligen Fahrzeughalle im Erdgeschoss proben. Die großen Requisiten wie Kanonen, Holzböcke und Tische lagern weiterhin in einer Garage im Zollhof.

Der Ausblick und die Probleme

Das lebendige Canalettobild hat der Verein dieses Jahr schon nachgestellt, für den 10. und 11. September sind auch wieder Retter-Aufführungen geplant. „Wir hoffen, dass wir bis dahin ordentlich proben und dann wieder spielen können“, sagt Frenzel. Denn wegen Corona sei ja zwei Jahre so gut wie nichts gelaufen.

Hinzu kommen zwei Probleme: Die Retter-Aufführung kostet im Schnitt 5.500 Euro. Nun hat aber die Stadt ihren Zuschuss gekürzt, zudem sprang ein Sponsor ab. Wegen Corona erzielte der Verein zwei Jahre lang keine Einnahmen – und ist daher dringend auf Geld angewiesen. Darüber hinaus gehen dem Verein langsam die Spieler aus, vor allem aus Altersgründen. Nachwuchs kommt kaum nach, manche Sprechrollen können schon nicht mehr doppelt besetzt werden. Der Verein sucht nun dringend neue Mitspieler – vom Kleinkind bis zum Senior.

Weitere Infos gibt es im Internet unter www.der-retter.de, ein Kontakt ist per Mail unter [email protected] möglich.