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Energiekrise: Pirnas Freie Wähler weisen Grünen-Kritik zurück

Nach einer Demo warfen Grüne und SPD den Freien Wählern Etikettenschwindel vor. Das erzürnt den Fraktionschef der Angegriffenen.

Von Domokos Szabó
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Ralf Böhmer, Fraktionschef der Freien Wähler im Pirnaer Stadtrat. "Wir brauchen Energie, keine Ideologie."
Ralf Böhmer, Fraktionschef der Freien Wähler im Pirnaer Stadtrat. "Wir brauchen Energie, keine Ideologie." © Daniel Schäfer

Die jüngste Energie-Demo der Freien Wähler in Pirna war entgegen den eigenen Beteuerungen weder unpolitisch, noch parteienunabhängig, noch auf Fakten basiert - diese Kritik formulierten der Stadtverband Bündnis 90/Grüne und die Fraktion Grüne/SPD vergangene Woche. Nun meldet sich der Fraktionschef der Freien Wähler im Stadtrat, Ralf Böhmer, zu Wort und setzt sich in einem elfseitigen (!) Brief mit den Vorwürfen auseinander. Im Großen und Ganzen weist er sie zurück und präzisiert die Position der Freien Wähler. Das sind Böhmers wichtigste Aussagen.

Böhmer räumt durchaus ein, dass die Demo mit rund 300 Teilnehmern politisch gewesen sei. "Meinungsäußerungen und Motiverklärungen gehören dazu. Das mag politisch sein, aber dann ist jetzt alles politisch, eben weil der Alltag durch die Politik massiv gestört wird", schreibt er. Er stellt die steile These auf, dass die Veranstaltung parteienunabhängig hätte sein können - wenn alle Parteien und Fraktionen mitgemacht hätten. Doch das sei nicht der Fall gewesen. Auf Fakten basiert seien jedenfalls die Aussagen gewesen, dass die Energiepreise explodieren, was Auswirkungen auf die Menschen, Unternehmen und Kommunen habe. Fakt sei ebenso die Gefährdung des sozialen Friedens und von Unternehmen.

"Die da oben" gegen "Wir hier unten"

Doch es gibt noch mehr Streitpunkte. So geht es unter anderem darum, wer für die gegenwärtige Energiekrise verantwortlich ist. Vereinfacht gesagt ist das laut den Freien Wählern die Bundesregierung. Dem "Die da oben" steht das "Wir hier unten" entgegen. Bärbel Falke, Sprecherin des Grünen-Stadtverbandes, bemängelte, dass außer der Verantwortung der Politik Faktoren wie die weltweit ohnehin steigenden Energiepreise und der Ukraine-Krieg nicht erwähnt wurden.

Daraufhin wiederholt und präzisiert Böhmer die Vorwürfe an die Regierung: Ob Atom oder Kohle, in den letzten Jahren wurden Kapazitäten bei der Stromproduktion abgebaut, was sich nun mit dem Wegfall des billigen Gases aus Russland räche. "Da hätte man schon reagieren können, als die deutsche Außenministerin wenige Wochen nach Kriegsausbruch für die Bundesregierung öffentlich feststellte, dass Deutschland kein Gas von Putin mehr wolle. Hätte man damals beides wieder anlaufen lassen, wäre man heute weiter und hätte diese Preisexplosion nicht", schreibt Böhmer.

Ukraine-Krieg kein Auslöser, sondern Stresstest

Er bilanziert ähnlich wie Demo-Rednerin Antje Hermenau eine gescheiterte Energiewende. Dabei gebe es nach Böhmers Einschätzung kaum Menschen, die ausdrücklich keine erneuerbaren Energien wollen. Das Problem sei aber die Bezahlbarkeit.

Der Ukrainekrieg habe diese Probleme noch einmal verschärft, so Böhmer, aber er ist nicht der Auslöser, sondern eher der Stresstest. Der Auslöser sei die eigene blauäugige Politik der großen Koalition, die Kapazitäten abgeschafft habe, ohne dass die Erneuerbaren diese hätten ersetzen können.

Beste Lösung: Mehr Strom produzieren - ohne Gas

Daher lautet Böhmers Fazit: "Die beste Lösung für Pirna ist die sofortige Erhöhung der Stromproduktion mit allen Mitteln, um die Preise zu senken, die Versorgung abzusichern und die Gemüter zu beruhigen. Wir brauchen Energie, keine Ideologie."

Damit ist er auf einer Welle mit Landrat Michael Geisler (CDU) und den Bürgermeistern aus dem Landkreis, die bereits Ende September in einem offenen Brief gefordert hatten, alle Kraftwerke, einschließlich Atom- und Kohlekraftwerke, auf Volllastbetrieb hochzufahren. Damit komme Bewegung in den Strommarkt und Entlastung in den Gasmarkt, da schrittweise Gaskraftwerke abgeschaltet werden könnten.


Scharf kritisiert Böhmer seinerseits den Grünen-Einwurf, die Freien Wähler sollten lieber selbst Verantwortung übernehmen und etwa mithilfe der Firmen ihrer Mitglieder im Winter mehr Unterkünfte für Obdachlose einrichten und für arme Kinder – auch für Flüchtlinge – ein üppiges Weihnachtsfest ausrichten. Darauf entgegnet Böhmer: "Das ist Whataboutism. Wir kümmern uns um ein Problem nach dem anderen." Und weiter: "Obdachlosenunterkünfte können im Stadtrat beantragt und beschlossen werden. Weihnachtsfeste passen nicht in jedes Weltbild von Flüchtlingen und könnten eventuell als kultureller Imperialismus missverstanden werden. Flüchtlingen ist am ehesten geholfen, wenn sie in Lohn und Brot kommen und auf eigenen Beinen stehen können."

Die komplette Replik der Freien Wähler gibt es hier.